Schutz zu suchen. Unser Hafen ist nur klein, aber viele Schiffe aus Eireann laufen ihn an, um ihren ersten Halt zu machen. Du warst bewu?tlos durch deinen Sturz an Bord. Also trug man dich vom Schiff herunter und brachte dich in das kleine Hospiz, das ich leite. Fast einen Tag hast du gebraucht, um wieder zu dir zu kommen.«

Eadulf lehnte sich auf das Kissen zuruck und schluckte. »Einen ganzen Tag?« fragte er erschrocken.

»Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Doch, iuvenante deo, du bist gesundet«, sagte Bruder Rhodri ernst.

Eadulf richtete sich plotzlich auf, woraufhin ihm schwindlig wurde. Eine seiner Fragen hatte Rhodri noch nicht beantwortet.

»Meine Gefahrtin, Schwester Fidelma . Was ist mit ihr?«

»Sie hat sich sehr gro?e Sorgen um dich gemacht, angelsachsischer Bruder. Wir haben dich abwechselnd gepflegt. Heute vormittag allerdings wurde sie in unser Mutterhaus gerufen, um mit Abt Tryffin etwas zu besprechen.«

»Abt Tryffin? Mutterhaus?«

»Auf der Halbinsel, die auf Latein als Menevia bekannt ist, befindet sich die Abtei Dewi Sant.«

Eadulf hatte schon von der gro?en Abtei Dewi Sant gehort. Er wu?te, da? die Britannier, die im Westen dieser Insel lebten, die sie nun mit den Angeln und den Sachsen teilten, die Abtei fur beinahe so bedeutend hielten wie die Iren Iona, die Heilige Insel im nordlichen Konigreich von Dal Riada. Zwei Pilgerreisen nach Dewi Sant kamen einer Pilgerfahrt nach Rom gleich, und ein Pilger konnte soviel Vergebung seiner Sunden dabei erlangen - das hei?t die Vergebung seiner zeitlichen Strafen im Diesseits fur von ihm begangene Sunden -, da? es fur viele Jahre reichte. Eadulf bemerkte, da? er ganz im Sinne der Lehren Roms dachte, wo der Heilige Vater Vergebung aus dem Thesaurus ecclesiae, dem »Schatz der Kirche« gewahrte, da? hei?t aus dem Schatz von Verdiensten, die von Christus, der Jungfrau Maria und den Heiligen fur die Kirche erworben worden waren. Eadulf wu?te nur zu gut, da? die Kirchen der Iren und Britannier nicht an diese Art der Sundenvergebung glaubten oder gar daran, da? man sich von der eigenen Verantwortung entbinden lassen konnte, wenn man sie erwarb.

»Sie wurde dorthin gerufen? Schwester Fidelma? Ist die Abtei hier in der Nahe?« erkundigte er sich.

»In der Nahe? Ja, sie ist gut zu Fu? zu erreichen, liegt weniger als zwei Meilen von hier entfernt. Schwester Fidelma wird am Abend wieder zuruck sein.«

»Und du sagst, da? wir uns auf der Halbinsel von Dyfed befinden, die als Menevia bekannt ist?«

»In unserer Sprache wird sie Moniu genannt«, bestatigte ihm Bruder Rhodri.

»Warum ist Fidelma ... Schwester Fidelma dort hinbestellt worden?«

Bruder Rhodri hob die Schultern. »Keine Ahnung, angelsachsischer Bruder. Wo du jetzt in besserer Verfassung bist, mochtest du vielleicht einen Krautertee oder Bruhe?«

Eadulf bemerkte auf einmal, wie ausgehungert er war. »Ich wurde gern etwas essen, Bruder«, sagte er vorsichtig.

Wohlwollend lachelte Bruder Rhodri. »Ah, ein gutes Zeichen fur deine Genesung, mein Freund. Dennoch ist es ratsam, da? du dich mit etwas Bruhe begnugst. Du solltest dich auch nicht gro? bewegen. Bleib hier liegen und erhole dich noch eine Weile.«

Ein paar Stunden spater ging es Eadulf deutlich besser. Er hatte eine Fleischbruhe zu sich genommen, und seine Kopfschmerzen waren dank einer Kompresse, die ihm Bruder Rhodri auf die Stirn gelegt hatte, wie weggeblasen. Offenbar war Bruder Rhodri ausgebildeter Apotheker. Eadulf, der selbst an der gro?en medizinischen Schule von Tuam Brecain studiert hatte, war aufgefallen, da? der Umschlag aus Blattern des Fingerhuts bestand, der bei Kopfschmerzen ganz ausgezeichnete Linderung brachte. Langsam war er in einen Dammerzustand hinubergeglitten und schlie?lich eingeschlafen.

Der Klang von Fidelmas Stimme weckte ihn. Als sie den Raum betrat, war er schon vollkommen wach. Eadulf richtete sich in seinem Bett auf, und die sorgenvolle Miene wich von ihrem Gesicht. Mit ausgestreckten Armen eilte sie auf ihn zu und setzte sich an den Rand seines Bettes.

»Wie geht es dir? Bist du wohlauf?« fragte sie besorgt. »Die Schwellung an deiner Schlafe scheint zuruckzugehen.«

Eadulf antwortete ihr mit einem muhsamen Lacheln. »Ich fuhle mich so, wie jemand sich eben fuhlt, der durch einen Sturz einen Tag lang bewu?tlos war.«

Sie seufzte erleichtert, hielt aber seine Hande nach wie vor in den ihren. Dann besah sie sich seinen Kopf. Sie war zufrieden und entspannte sich sichtlich.

»Ich habe mir solche Sorgen gemacht«, sagte sie lachelnd. Als sie Bruder Rhodri bemerkte, der nun in der Tur stand, lie? sie schnell Eadulfs Hande los und ruckte von ihm ab. »Hat dir Bruder Rhodri erklart, wo du dich befindest und was geschehen ist?«

»Wie ich verstanden habe, hat unser Schiff Porth Clais angelaufen, um Schutz vor dem Sturm zu suchen.«

»An der Kuste von Dyfed«, fugte Fidelma hinzu. »Es war wirklich ein furchterliches Unwetter. Sobald wir den Hafen erreicht hatten, bestand ich darauf, dich in dieses Hospiz zu bringen, denn es war nicht sicher, ob du durch den Sturz nicht noch weitere Verletzungen davongetragen hattest.«

»Man hat sich anscheinend bestens um mich gekummert.« Eadulf lachelte. »Wir konnen sofort an Bord des Schiffes zuruckkehren und unsere Reise fortsetzen, wenn du es mochtest.«

Zu seiner Uberraschung schuttelte Fidelma den Kopf. »Unser Schiff ist heute morgen mit der Flut ausgelaufen. Der Kapitan wollte nach dem Sturm so schnell wie moglich weitersegeln. Die zerfetzten Segel hat er rasch austauschen lassen.«

»Was?« Eadulf hievte sich muhsam hoch und sa? nun steif im Bett. »Er hat uns hier im Stich gelassen? Wir haben ihn dafur bezahlt, da? er uns ins Konigreich Kent bringt. Willst du etwa sagen, da? er auf und davon ist und uns hier, fern von allem, zuruckgelassen hat?«

Fidelma spitzte vorwurfsvoll die Lippen. Ihre Augen wanderten zu Bruder Rhodri hinuber. Sie hatten sich in Fidelmas Muttersprache unterhalten, die Eadulf genausogut beherrschte wie seine eigene und vielleicht noch besser als Latein. Wollte sie ihn warnen?

»Wir sind hier nicht fern von allem. Das Konigreich von Dyfed unterhalt gute Beziehungen zu anderen Landern und Konigreichen. Und im ubrigen hat uns der Kapitan einen Teil unseres Reisegeldes zuruckgezahlt.«

Eadulf schaute nun auch zu Bruder Rhodri. Offenbar verstand er ihre Sprache ein wenig, denn er schien der Unterhaltung gefolgt zu sein.

»Ich wollte nur sagen, da? wir von Canterbury noch weit weg sind«, stellte Eadulf klar. »Es ist schon argerlich, da? der Kapitan nicht warten konnte.«

»Kommt Zeit, kommt Rat. Es wird sich schon ein Weg finden«, trostete ihn Fidelma.

Unwillig zuckte Eadulf mit den Schultern. »Wir haben nicht so viel Geld, als da? wir es uns leisten konnten, etwas unnutz auszugeben«, mahnte er sie. »Wir mussen ein neues Schiff finden, und die Reise nach Canterbury wird teurer als erwartet fur uns werden.«

Fidelma tat seine Worte mit einer Geste ab. »Wichtig ist, da? du dich ausruhst und wieder ganz zu Kraften kommst, Eadulf«, entgegnete sie mit Nachdruck. »Denk dran, die Gezeiten des Meeres kommen und gehen.« Sie wollte aufstehen.

»Bleib noch ein wenig sitzen«, drangte Eadulf sie. »Ich bin nicht mude.«

Fidelma schaute wieder zu Bruder Rhodri, der gerade eine Lampe anzundete, denn wahrend ihrer Unterhaltung war die Dammerung langsam hereingebrochen.

»Es ist Zeit fur die Abendmahlzeit«, sagte er. »Soll ich dir auf einem Tablett etwas bringen, Schwester?«

»Danke, Bruder. Das ware sehr freundlich.«

Der Monch wandte sich an Eadulf. »Du siehst aus, als konntest du noch ein wenig Bruhe vertragen, Bruder. Ich kummere mich darum.«

Als er fort war, lachelte Eadulf Fidelma schuchtern an. »Es tut mir leid, da? ich dich in diese Situation gebracht habe.«

»Warum? Es ist immer faszinierend, ein neues Land kennenzulernen, auch wenn man es gar nicht beabsichtigt hat.«

Auf einmal wirkte Eadulfs Gesicht duster. »Das Land der Britannier mag vielleicht fur dich faszinierend sein,

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