aber fur mich ist es das nicht.«

»Was meinst du damit?«

»Die Sachsen sind bei den Britanniern nicht gerade willkommen, auch wenn Bruder Rhodri sich von christlicher Nachstenliebe leiten la?t.«

»Haben die Britannier einen Grund, die Sachsen nicht zu mogen?« fragte Fidelma.

Eadulf blickte sie scharf an. Machte sie sich uber ihn lustig? Sie kannte die jungste Geschichte dieser beiden Inseln nur zu gut.

»Du wei?t, da? das seine Grunde hat, Fidelma. Und du kennst die irische Geschichte besser als jeder andere, dem ich begegnet bin. Du wirst dich auch erinnern, da? die Britannier hier einst alles beherrschten. Dann kamen vor zwei Jahrhunderten die Vorfahren meines Volkes aus Gegenden hinter dem ostlichen Meer, um das Land hier zu erobern und sich zu unterwerfen. Das waren die Juten, die Angeln und Sachsen, die man spater gemeinhin Angelsachsen nannte. Sie drangten die Britannier immer weiter nach Westen und Norden ab und eigneten sich ihre Gebiete an. Ich verstehe die Gefuhle der Vertriebenen. Mein Volk ist ein Kriegsvolk, das die christlichen Werte nur recht oberflachlich angenommen hat. Ich vermute, da? sich die Angelsachsen, auch wenn sie dem neuen Glauben folgen, noch immer vor Wotan furchten, dem alten Kriegsgott. Und nach wie vor sind sie davon uberzeugt, da? der einzige Weg zur Unsterblichkeit darin besteht, mit dem Schwert in der Hand zu sterben und Wotans Namen dabei auf den Lippen zu haben. Nur dieser Weg fuhrt nach Walhall, wo all die Unsterblichen leben.«

Fidelma war erstaunt uber die Leidenschaftlichkeit seiner Rede. »Das hort sich an, als wurdest du das auch glauben, Eadulf.«

Eadulf warf ihr einen finsteren Blick zu. »Ich war ein junger Mann, als mich Missionare aus Eireann zum Christentum hinfuhrten, Fidelma. Ich studierte erst in deinem Land, dann in Rom. Du wei?t, da? ich, bevor ich Christ wurde, nach dem Erbrecht Friedensrichter von Seaxmund’s Ham war. Man kann nicht so leicht die Traditionen vergessen, in denen man aufgewachsen ist. Wir alle erinnern uns noch daran, wie Konig Eadbald von Kent wieder zum Wotan-Kult zuruckkehrte. Es leben heute noch Leute, die personlich Zeuge wurden, wie die Ost- Sachsen alle christlichen Missionare umbrachten oder ins Exil jagten.«

»Das ist wahr«, stimmte ihm Fidelma zu. »Doch die meisten Konigreiche der Sachsen sind inzwischen zum christlichen Glauben ubergetreten.«

Eadulf schuttelte den Kopf.

»Es gibt immer noch eine Reihe von Konigreichen, in denen der christliche Glaube nur toleriert wird. Zum Beispiel Mercia, das ist nach wie vor nicht vollig christianisiert. Und obwohl mein Volk den neuen Glauben angenommen hat, kommt es immer wieder zu Kriegen mit den Britanniern. Solche Fehden hat es standig gegeben, seit wir mit dem Schwert unsere Konigreiche aufbauten. Christliche Britannier gegen christliche Sachsen. Es ist uns auch noch frisch im Gedachtnis, wie Athelfrith von den Sachsen den Bri-tannierkonig Selyf, Sohn von Cynan, besiegte. Nach jener Schlacht ging Athelfrith nach Bangor in die gro?e Abtei der Britannier, lie? dort Tausende christlicher Monche abschlachten und feierte so seinen Sieg. Konnen uns die Britannier dieses Blutbad verzeihen, Fidelma? Ich glaube nicht. Solange ich mich im Konigreich der Britannier befinde, werde ich mich unbehaglich fuhlen.«

Sie dachte uber seine Angste nach. »Fur die bosen Taten deines Volkes kann man dich nicht verantwortlich machen, Eadulf. Ich glaube, die Britannier sind nicht so engstirnig, da? sie allen Sachsen Schuld an Ereignissen geben, die fruhere Generationen zu verantworten haben. Die Britannier haben uber Jahrhunderte hinweg am christlichen Glauben festgehalten, auch zur Zeit der romischen Besetzung. Ohne einen gerechtfertigten Grund wurden sie niemandem Schaden zufugen. Das Massaker an den Monchen von Bangor fand im Konigreich von Gwynedd im Norden statt. Und wir halten uns im Konigreich von Dyfed auf, das im Suden liegt. Dyfed unterhalt enge Beziehungen zu fiireann. Und nun hat uns Abt Tryffin von Dewi Sant gebeten, morgen gemeinsam mit ihm zu speisen.«

Eadulf blickte sie uberrascht an. »Er hat uns beide zu sich gebeten?«

Fidelma lachelte. »Nun, die Einladung galt vor allem mir, doch man versicherte mir nachdrucklich, da? du mich begleiten sollst, wenn es dein Gesundheitszustand erlaubt. Ich habe das Gefuhl, da? irgend etwas den Abt beunruhigt. Er scheint eine gute Seele zu sein. Ich glaube, er mochte mich um Hilfe bitten, hat aber bei unserer Begegnung heute nachmittag nicht die rechte Gelegenheit dazu gefunden.«

Eadulf wirkte konsterniert. »Warum sollten dich die Britannier um Hilfe bitten?«

»Wie ich schon sagte, es gibt enge Beziehungen zwischen Dyfed und Eireann.«

»Als da waren?« bohrte Eadulf weiter.

Da kehrte Bruder Rhodri mit einem Tablett zuruck, auf dem sich zwei Schalen hei?e Bruhe und Brot befanden, und stellte es auf den Tisch neben dem Bett.

Eadulf warf einen schiefen Blick auf die Bruhe. »Ich konnte einen halben Braten verschlingen«, sagte er seufzend in ihrer gemeinsamen Sprache und schaute zu Fidelma.

Bruder Rhodri sah ihn vorwurfsvoll an. »Morgen kannst du vielleicht ein paar Scheiben kalten Braten und etwas Kase zu dir nehmen, angelsachsischer Bruder. Doch heute wurde ich dir empfehlen, deinen Gelusten noch nicht nachzugeben.«

Ein wenig beschamt verzog Eadulf das Gesicht, denn erst jetzt wurde ihm bewu?t, wie gut der Bri-tannier die Sprache von Eireann beherrschte. Vielleicht hatte er in seinen Au?erungen vorsichtiger sein sollen.

»Ich bin dir dankbar, sowohl fur die Pflege als auch fur deinen Rat, Bruder Rhodri.«

Der Monch lachelte, das tat er wohl meistens. »Nie hat Gott gesagt, da? ein Mund ohne Speise sein soll«, bemerkte er, als er den Raum verlie?. »Also denk daran, da? ein Rat nie Vorschrift ist.«

»Worin bestehen denn nun diese Verbindungen?« nahm Eadulf die Unterhaltung mit Fidelma wieder auf.

»Den alten Schriften nach stie? vor zweihundert Jahren der Stammesfurst der Deisi, Aonghus vom Schrecklichen Speer, in einem Wutausbruch Gro?konig Cormac Mac Art ein Auge aus. Weil das eher ungewollt und versehentlich geschah, fiel die Strafe nicht so hart aus, wie sie hatte sein konnen. Sie bestand darin, da? Aonghus und seine ganze Sippe ihre fruchtbaren Landereien im Konigreich von Midhe fur immer verlassen mu?ten. Ein Teil des Stammes siedelte sich im Konigreich meines Bruders an.«

Eadulf nickte. Er erinnerte sich, da? ein Stamm, den man die Deisi nannte, im Suden von Muman ansassig war. »Und die anderen?«

»Andere Teile des Stammes fuhren ubers Meer. Einer wurde von Eochaid angefuhrt, welcher seine Leute in diesem Gebiet siedeln lie?, das war damals das Land der Demetae. Eochaid wurde hier der Herrscher, und es hei?t sogar, da? ihm das mit friedlichen Mitteln gelang und nicht durch Krieg. Seit dieser Zeit haben hier zehn weitere Konige aus seiner Linie geherrscht, und viele Adlige der Gegend stammen von den Deisi ab. Deshalb kann sich so mancher in diesem Konigreich immer noch in der Sprache von Eireann unterhalten, und deshalb studieren auch eine Menge Geistliche hier.«

Eadulf hatte davon bisher nichts gewu?t. Er dachte eine Weile uber die alte Geschichte nach und kam dann wieder auf ihr Thema zuruck.

»Wenn Abt Tryffin dich um Hilfe bitten will, warum hat er es deiner Meinung nach nicht bei deinem Besuch heute nachmittag getan?«

»Ich wei? es nicht. Er war sehr herzlich und au?erst besorgt darum, da? man dir die beste Pflege angedeihen la?t. Er erkundigte sich nach unserer Reise und fragte mich, ob es dir gut genug ginge, um mich morgen nachmittag zu ihm zu begleiten.«

»Warum braucht er deine Hilfe? Woher wei? er eigentlich, wer du bist? Ich schatze, ihm ist bekannt, da? du eine dalaigh bist?«

»Da hast du gut aufgepa?t, Eadulf«, bemerkte Fidelmaein wenig von oben herab. »Er war genau im Bilde, wer ich bin, und wu?te, da? ich als dalaigh bei den Gerichten wirke. Die Britannier verfugen uber ein ahnliches Rechtssystem wie wir. Offensichtlich mu? er bald nach unserer Ankunft in Dyfed alles uber meine Person erfahren haben. Ich habe dir erzahlt, da? viele Geistliche aus meinem Land hier zum Studium an die Abtei von Muine kommen.«

»Muine?«

»Lateinisch hei?t die Halbinsel Menevia. In der hiesigen Sprache Moniu.«

»Oh, ja. Bruder Rhodri erwahnte den Namen bereits«, erwiderte Eadulf.

Fidelma lachelte schelmisch. »Du willst vielleicht nicht gern an Fearna erinnert werden, Eadulf, aber der

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