heilige Maedoc, der die Abtei gegrundet hat, war auch ein Schuler von Dewi Sant und hat hier studiert.«

Eadulf uberlief ein leichter Schauer. Er dachte daran, wie er erst kurzlich in der Abtei von Fearna beinahe sein Leben eingebu?t hatte.

»Nun«, fuhr Fidelma fort, »man hat Abt Tryffin daruber informiert, da? wir ein gewisses Ansehen genie?en, was das Losen von ratselhaften Kriminalfallen betrifft ...«

Eadulf fuhlte sich sehr geschmeichelt, von ihr so selbstverstandlich einbezogen zu werden. »Also glaubst du, da? er mit uns eine bestimmte Angelegenheit erortern mochte?« fragte er rasch.

»Ja, das denke ich.«

»Das kommt mir hochst eigenartig vor.«

»Bald werden wir mehr wissen. Es hat keinen Sinn, weitere Spekulationen anzustellen.« Sie ergriff seine Hande. »Es ist schon, da? du dich wieder erholt hast, Eadulf. Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.«

Kapitel 3

Der folgende Tag war strahlend schon und wolkenlos. Eadulf trat vorsichtig vor das Hospizgebaude und mu?te feststellen, da? er sich immer noch schwach auf den Beinen fuhlte und ihm ein wenig schwindlig war, ganz so, wie es Bruder Rhodri ihm warnend vorausgesagt hatte. Dennoch tat ihm die kalte frische Luft gut, und bald war auch der Schwindel verschwunden.

Der Hafen von Porth Clais lag in einer Flu?mundung an einer langen schmalen Bucht am Meer. Zu beiden Seiten des Flusses erhoben sich Berge. Ein paar kleine Fischerboote schaukelten sanft auf dem Wasser. Hier und da schmiegten sich einzelne Hauser in die mit Stechginster und Heidekraut uberzogenen Hugel.

Eadulf fielen die Vogel auf, fur die die schmale Bucht einen naturlichen Zufluchtsort bildete. Sie kreischten laut, stie?en hinab und schwangen sich wieder empor. Er nahm auch die Seerobben wahr, die im Wasser planschten. Es war einfach idyllisch hier. Er bemerkte, wie ein Robbenjunges auf das schlammige Ufer ihm gegenuber kroch. Da naherte sich dem Tier der dunkle Schatten eines Raubvogels. Nun erschollen Schreie, und der graue Kopf der kleinen Robbe wurde blutig, denn die Klauen des Vogels hatten sich in ihn gebohrt. Doch war es dem Raubvogel nicht gelungen, seine Beute davonzutragen. Die besorgte Robbenmutter tauchte aus den Wellen auf und lockte das Junge zu sich. Eadulf sah den rostbraunen Rauber, den er als Turmfalken ausmachte, hoch oben in den Luften, wie er zu einem zweiten Sturzflug ansetzte. Das Robbenjunge, ermutigt von den Rufen der Mutter, hatte es aber bereits ins Wasser geschafft. Das Leben war nie idyllisch, wie Eadulf diese Szene vor Augen fuhrte.

Er drehte sich um, ging den Weg entlang, bis er einen Baumstamm fand, auf den er sich niederlie?. Die Sonne, die zwar nicht die Kraft des Sommers besa?, schien dennoch warm und wohltuend. Ein, zwei Leute zogen an ihm vorbei und gru?ten ihn in ihrer Mundart. Er rief sich seine sparlichen Kenntnisse der britannischen Sprache wieder ins Gedachtnis und erwiderte ihren Gru?. Wahrend seines Studiums in Tu-am Brecain war er mit zwei Monchen aus dem Konigreich von Powys zusammengekommen. Eine Zeitlang hatte er sich bemuht, ihre Sprache zu erlernen. Er war sich der Feindschaft zwischen Britanniern und seinem eigenen Volk sehr bewu?t. Wenn Eadulf manchmal in aller Ruhe daruber nachsann, konnte er sehr wohl begreifen, wo die Wurzeln dieser Feindschaft lagen.

Zu seines Vaters Zeiten war das britannische Konigreich von Elmet zerschlagen worden. Man hatte Ceretic, den Herrscher des Reiches, ermordet, und die Bevolkerung war vom sachsischen Kriegsfursten Snot nach Westen getrieben worden. Snot hatte seine Siedlung oder sein ham am Westufer des Flusses errichtet, der die Grenze des winzigen Konigreiches bildete. Inzwischen war Snotingaham zu einer bluhenden angelsachsischen Stadt herangewachsen, doch einst hatten dort Britannier gelebt. Naturlich konnte Eadulf verstehen, warum die Britannier die Angelsachsen ha?ten. War es nicht auch so, da? die meisten Angelsachsen diesen Ha? erwiderten? Dadurch, da? die Angelsachsen das Christentum angenommen hatten, war die Kluft zu den Britanniern eher noch gro?er geworden.

Eadulf hatte von den Altvorderen gehort, wie sich vor uber sechzig Jahren der romische Benediktiner Augustinus, vom Papst aus Rom gesandt, mit vierzig Monchen aus Snotingaham im Konigreich Kent niedergelassen hatte, um die Christianisierung des Landes voranzutreiben. Er war dabei auf irische Missionare gesto?en, vor allem im Norden, die versuchten, den heidnischen Angelsachsen den christlichen Glauben naherzubringen - und das Lesen und Schreiben. In Canterbury kam er zu einer Kirche, die dem heiligen Martin von Tours geweiht war und die die Britannier errichtet hatten, ehe sie von den Juten vertrieben wurden. Die christliche Gattin des Konigs von Kent, die aus dem Frankenreich stammte, und ihr Kaplan feierten dort ihren Gottesdienst. Augustinus wu?te, da? die Britannier seit der romischen Eroberung Christen waren und forderte ein Treffen mit ihren Bischofen an der Grenze zwischen ihren restlichen Gebieten und dem Land der Angelsachsen.

Durch die vielfaltigen Berichte uber Augustinus war Eadulf klargeworden, da? ihm die alte romische Arroganz der Eroberer eigen gewesen war. Fur Augustinus waren die Britannier Barbaren, eine Haltung, die auch die Befehlshaber der romischen Legionen geteilt hatten. Augustinus hatte Deniol, den Bischof von Bangor, gefragt, warum die Geistlichen der Britannier ihrer Pflicht gegenuber dem neuen Glauben nicht nachgekommen waren und die Angelsachsen zum Christentum bekehrt hatten. Deniol hatte sarkastisch entgegnet, da? es schwierig sei, einem Menschen Liebe und Vergebung zu predigen, dem man gerade die Frau und die Kinder abgeschlachtet hatte. Augustinus war hochnasig genug, damit zu drohen, da? er, falls man seine und die Autoritat Roms nicht anerkannte, die Waffen der Angelsachsen segnen wurde und die Britannier Vergeltung spuren wurden. Tatsachlich kam ebenjener Bischof Deniol wenige Jahre spater bei dem Massaker in Bangor zu Tode.

Eadulf schreckte aus seinen Betrachtungen hoch, als ein hochgewachsener Britannier in Monchskutte an ihm vorbeilief und ihn lachelnd mit Worten begru?te, die er nicht verstand. Ganz selbstverstandlich erwiderte Eadulf sein Lacheln und gru?te ihn in der Sprache der Britannier, so gut es ging. Eadulf wollte niemandes Feind sein, doch ihm fiel auf einmal ein Sprichwort seines Volkes ein, nach dem es auch dann keine Sicherheit gabe, wenn man sich seinen Feind zum Freund gemacht hatte. Aber gewi? war das Sprichwort falsch. Viel eher sollte man sich an die Lehren des Christentums erinnern. Was hatte Jakobus geschrieben? »Woher kommt Streit und Krieg unter euch? Kommt es nicht daher: aus euren Lusten, die da streiten in euren Gliedern? Ihr seid begierig und erlanget es damit nicht; ihr mordet und neidet und gewinnet damit nichts; ihr streitet und kampfet.« War das der Hauptgrund fur die Kriege und das Blutvergie?en der letzten zweihundert Jahre, seit die Sachsen in Britannien Fu? gefa?t hatten? Was hatte Christus gesagt? »Ein neues Gebot gebe ich euch, da? ihr euch untereinander liebet.« Nun, wenn es nach Eadulf ginge, so wurde er dieses Gebot auch einhalten. Doch damit konnte er sich nicht beruhigen; seine Furcht davor, in einem fremden Land zu sein, von Leuten umgeben, die ihm nicht trauten, schwand dadurch nicht.

Einige Stunden spater kehrte Fidelma zu ihm zuruck und fragte ihn, ob er sich kraftig genug fuhle, um sie zur Abtei Dewi Sant zu begleiten. Ihm hatte die Zeit an der frischen Luft gutgetan, und so sagte er ja.

Die gro?e Abtei, die Dewi Sant geweiht war, lag weniger als anderthalb Meilen nordostlich von dem kleinen Hafen. Mit gemachlichen Schritten verlie?en sie Porth Clais und liefen am farnbewachsenen Flu?ufer entlang. Fidelma erklarte, da? dieser Flu? Alun genannt wurde, war sie doch schon am Vortag hier entlanggegangen. Uber diesen Weg wurden auch Fuhren von Gold transportiert, das aus Irland stammte und per Schiff bis nach Porth Clais gelangte. Dann brachte man das Gold in die Abtei, wo die Goldschmiede es zu sakralen Objekten verarbeiteten. Weiter flu?aufwarts fuhrte der Pfad durch eine Moorlandschaft, doch Fidelma bewegte sich mit unbeschwerter Leichtigkeit durch das sumpfige Gelande. Der Tag war noch nicht weit fortgeschritten, und obwohl sich nun ein leichter Wind erhoben hatte, war es nicht zu kalt fur den Herbst. Es war eine recht angenehme Wanderung.

Schon nach kurzer Zeit kam die gro?e Anlage der Abtei in Sicht. Eadulf mu?te zugeben, da? die vielen unterschiedlichen Bauten ziemlich beeindruckend waren. Nur in Rom hatte er bisher etwas Ahnliches gesehen. Die Gebaude waren aus grauem Granit und einheimischem Holz errichtet.

Am Tor wurden sie von einem der Monche empfangen. Es schien, als hatte er ihre Ankunft erwartet, denn er fuhrte sie ohne Zogern direkt zu den Raumen von Abt Tryffin.

Der Abt erhob sich aus seinem Stuhl und ging auf sie zu, um sie aufs herzlichste in Fidelmas Muttersprache zu begru?en. Offensichtlich beherrschte er die Sprache genauso gut wie Bruder Rhodri. Seine Tonsur war in der Art des heiligen Johannes gehalten; jener Haarschnitt war von den Kirchen Britanniens und Ei-reanns ubernommen

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