verandert hat. Die Abtei zum Beispiel befolgt nun meine Regel,
»Es ist geandert, was geandert werden mu?te?« machte Eadulf aus dem lateinischen Spruch eine Frage. »Also wurde das Mitleid aus diesem Hause verbannt?«
Der Abt uberging den Einwurf. »Fur heute nacht werde ich Christi Gro?zugigkeit walten lassen. Aber morgen nach der Fruhmesse werdet ihr, diese Frau und du, die Abtei verlassen. Inzwischen darf sie sich nicht aus dem Zimmer entfernen, das man ihr zugewiesen hat. Du, Bruder Eadulf, darfst dem Gottesdienst in unserer Kapelle beiwohnen.«
Eadulf schluckte emport. »Ich mu? dagegen protestieren, da? ...«
»Der Frau wird nicht erlaubt, langer zu bleiben und gegen meine Regel zu versto?en. Jetzt mochte ich wissen, was dich herfuhrt. Hast du eine Botschaft von Erzbischof Theodor fur mich?«
Zahneknirschend bemuhte sich Eadulf, seinen Zorn zu beherrschen.
»Nicht fur dich. Nein«, erwiderte er mit boshafter Kurze.
Die unbeweglichen Zuge des Abts veranderten sich nicht. Doch seine Stimme hob sich erneut.
»Wozu bist du dann hergekommen? Du hast meinen
»Ich habe ihn nichts glauben gemacht. Ich habe ihm nur gesagt, wer ich bin. Ich kam, um meinen Freund, Bruder Botulf, zu besuchen.«
Zum erstenmal weiteten sich die Augen des Abts etwas. »Und weiter nichts?«
»Sollte noch weiter etwas sein?«
Ein kurzes Schweigen trat ein. Eadulf bemerkte, da? an der Schlafe des Abts eine winzige Ader zuckte. Er fragte sich, wie es um die Nerven des Mannes stunde.
»Soll das hei?en, da? du eine Botschaft aus Canterbury fur meinen Verwalter hattest? Bist du aus dem Grunde hergekommen?«
»Mehr habe ich dir nicht zu sagen«, erwiderte Eadulf, der sich uber das Verhor argerte.
»Man hat mir berichtet, da? du den Leichnam Bruder Botulfs gesehen hast. Wenn das alles ist, dann hast du deinen Zweck erreicht und kannst morgen abreisen.«
»Meinen Zweck erreicht?« Einen Moment war Eadulf sprachlos. Nur langsam gewann er seine Beherrschung zuruck. Dieser Mann war wirklich unertraglich. Seine Stimme nahm nun eine eisige Harte an. »Mein Zweck ist es jetzt, festzustellen, wer meinen Freund ermordet hat, und dafur zu sorgen, da? der Schuldige vor Gericht kommt.«
Abt Cild senkte langsam die Augenlider und hob sie wieder. Das erinnerte Eadulf an einen Falken, der die Augen verhullt, bevor er zusto?t. Ein feines Lacheln schien um die schmalen Lippen zu spielen. Eadulf verglich es mit Mondlicht, das auf einem Grabstein glanzt. Die Stimme des Abts verriet kein Gefuhl, nur eine versteckte Drohung lag in ihr. Eadulf erschauerte leicht, und seine Nackenhaare prickelten einen Moment.
»Ich kann dir sagen, da? der Geachtete Aldhere, der im Moor lebt, der Schuldige ist. Morgen mittag werde ich einige unserer Bruder sammeln, ins Moorland reiten und ihn jagen wie einen wilden Hund, der er ja auch ist. Wenn wir ihn fangen, hangen wir ihn. Damit ist dein Zweck erfullt, und du wirst die Abtei verlassen, wie ich es angeordnet habe. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedruckt, Eadulf von Seaxmund’s Ham?« Abt Cild erhob sich lassig mit einer einzigen gleitenden Bewegung, die Eadulf an eine Schlange erinnerte, die sich nach einem Sonnenbad aufrollt.
»Wird dieser Aldhere vor Gericht gestellt?« wagte er noch zu fragen und bemuhte sich, die Furcht zu unterdrucken, die der Abt anscheinend muhelos in ihm wachrief.
»Vor Gericht? Wozu das? Aldhere ist ein Morder. Fur solche Leute braucht man kein Gericht.«
»Was war sein Motiv, und welche Beweise gibt es?« forschte Eadulf, der sich nicht abweisen lassen wollte.
»Sein Motiv war Diebstahl, und der Beweis liegt darin, da? Aldhere gesehen wurde, wie er die Abtei verlie?, kurz nachdem man Botulfs Leichnam entdeckt hatte.«
»Wer sah Aldhere?«
Abt Cild stie? ein verargertes Zischen aus. »Du strapazierst meine Geduld etwas arg, Eadulf von Seax- mund’s Ham. Geh jetzt. Ich habe die Beisetzung vorzubereiten.«
Er entlie? ihn mit einer Handbewegung, und trotz seiner Proteste fand sich Eadulf vor der Tur des Abts wieder, so stark wirkte Cilds Personlichkeit.
Bruder Willibrod erwartete ihn.
»Ich denke, du wirst an der Beisetzungsfeier teilnehmen?« fragte er.
Eadulf nickte traurig.
»Ist euch klar, da? die Frau keinen Gottesdienst in der Abtei besuchen darf?« fugte der
Eadulf war noch voller Zorn uber das Gesprach mit Abt Cild und ging nicht auf die Frage ein.
»Welche Beweise liegen gegen diesen Aldhere vor?« wollte er wissen. »Er wurde in der Nahe der Abtei beobachtet, aber was bringt ihn mit dem Tod Botulfs in Verbindung?«
Bruder Willibrod mu?te sich erst auf den Wechsel des Themas einstellen, dann zuckte er die Achseln.
»Zweifelst du an Abts Cilds Wort, da? er gesehen wurde?«
»Bisher habe ich nichts gehort, was mich an Abts Cilds Wort glauben oder zweifeln lie?e. Ich habe keinen Zweifel daran, da? er Aldhere hangen lassen will. Doch bevor ein Mensch sein Leben verwirkt hat, ist es ublich, Beweise fur seine Vergehen zu verlangen. Der Abt erklart mir, sein Motiv sei Diebstahl gewesen, aber wie ich hore, wurde nichts gestohlen. Jemand soll gesehen haben, wie Aldhere die Abtei verlie?, doch niemand sagt mir, wer das war. Vielleicht Bruder Os-red? Der nach deinen Worten den Leichnam Botulfs gefunden hat?«
Bruder Willibrod lachelte duster. »Du warst zu lange im Ausland, Bruder. Du hast vergessen, da? wir hier unter Tieren leben. Du totest oder du wirst getotet. Wenn jemand das Land oder die Frau eines anderen begehrt und er ist stark, dann nimmt er sich, was er will. Der Schwache ist immer der Verlierer.«
»Der Glaube hat doch unsere heidnischen Sitten gebessert«, wandte Eadulf ein.
»Nur so weit, wie wir es erlaubt haben. Einigen ist es unmoglich, sich zu andern.
»Treib die Natur mit der Forke hinaus: Stets kehret sie wieder«, ubersetzte Eadulf, um zu beweisen, da? er verstanden hatte.
»Unser Glaube mag sich andern, aber nicht unsere Sitten.«
»Ihr sollt aber doch Christus nachfolgen.«
»Das konnen wir nur, wenn wir lange genug auf dieser Erde bleiben. Gesetzlose wie Aldhere wollen nicht, da? die Abtei uberlebt. Er ist ein tollwutiger Hund.«
»Also hat der Hund einen schlechten Ruf, und deshalb wird er gehangt? Seine Schuld oder Unschuld spielt dabei keine Rolle?«
»Wenn er dieser Tat nicht schuldig ist, dann irgendeiner anderen. Was gibt es da fur einen Unterschied?«
Eadulf war daran gelegen, da? der Morder seines Freundes gefunden und bestraft und da? gegen jeden Verdachtigen nach dem Gesetz verfahren wurde. Er gelobte sich, da? er, falls der Abt wirklich am nachsten Tag eine Verfolgerschar ins Moorland fuhrte, dabei ware, um dafur zu sorgen, da? der Gerechtigkeit Genuge getan wurde. Der Gerechtigkeit, nicht der blindwutigen Rache.
»Und mit solcher Logik gelangen wir ins Paradies?« entgegnete er scharf. »Komm,
Bruder Willibrod zogerte einen Moment, dann gab er nach.
»Bruder Wigstan war derjenige, der Aldhere sah. Er wird heute abend bei der Beerdigung sein. Findest du jetzt den Weg zum Gastehaus allein?«
Eadulf nickte, und Bruder Willibrod wandte sich abrupt um und eilte davon.
Als Eadulf zum Gastehaus zuruckkehrte, ging er sofort in Fidelmas Zimmer und fand sie mitten in einem Hustenanfall. Er brachte ihr Wasser, und sie schaute ihn aus geroteten Augen an.
»Was gabe ich fur ein gutes irisches Schwitzbad«, murmelte sie. »Eine rauhe Kehle, Niesen und Husten, und