bemerkt, da? mehrere der angelsachsischen Monche sich den Seitengang der Kapelle entlanggeschlichen hatten. Zu seiner Uberraschung hielten sie kurze Schwerter in den Handen. Sie hatten offensichtlich vor, den Eindringling zu entwaffnen oder ihn zu uberwaltigen. Cild gab einen kurzen Befehl. Sie blieben stehen, als sie sahen, da? die Pfeile zielsicher auf sie gerichtet waren.

Abt Cild winkte sie zuruck. »Geht wieder auf eure Platze, Bruder. Wir wollen friedlich mit diesem Wahnsinnigen verfahren.«

Der irische Krieger wandte sich wieder zu ihm um. »Wahnsinniger? Das mu?t gerade du sagen, Cild. Aber es ist klug, wenn du deinen Leuten befiehlst, sich zuruckzuhalten, denn ich habe nicht die Absicht, dem armen Botulf dort so fruh ins Grab zu folgen.«

Eadulf fuhr auf, als er den Namen seines Freundes aus dem Munde des Kriegers horte, der sich Garb nannte.

»Entehre seinen Namen nicht, indem du ihn aussprichst!« rief der Abt zum erstenmal mit Zorn in der Stimme.

»Botulf war ein guter Freund meiner Familie, Cild, wie du genau wei?t«, fuhr der Krieger ruhig fort. »In deinem Munde ist sein Name entehrt. Es kam dir sehr gelegen, da? er ausgerechnet an diesem Tag getotet wurde. Hast du vielleicht deinem Sundenregister eine weitere Schuld hinzugefugt?«

Abt Cild starrte ihn ausdruckslos an.

»Bruder Botulf wurde von einem Dieb getotet«, sagte er schlie?lich. »Von einem Geachteten, der in die Abtei eingebrochen war. Wir werden ihn bald fangen und unschadlich machen.«

»Von einem Dieb? Vielleicht. Trotzdem kam es dir gelegen.« In seinem Ton lag Ironie. »Bei der Tugend meiner Schwestern, ich sage trotzdem, es kam dir gelegen!«

»Was willst du, Garb?« Abt Cilds Augen wurden plotzlich unruhig. Die Veranderung seiner Miene entging Eadulf nicht.

»Ach, jetzt erkennst du mich ohne Schwierigkeit, wie?« Nun spottete der Krieger.

»Was willst du?«

»Ich komme von Gadra, meinem Vater. Von Gadra, der auch der Vater von Gelgeis war, der Ehefrau, die du versto?en und getotet hast.«

Ein Murmeln des Entsetzens lief durch die Kapelle. Eadulf blickte rasch von dem Anklager zum Abt. Dessen Gesicht war bleich und von scharfen Linien durchzogen. Die dunklen Augen gluhten wie Kohlen.

»Ich habe deine Schwester nicht getotet, Garb.«

»Ich war mir sicher, da? du das leugnen wurdest. Du hast kein Gefuhl fur Schande. Aber Schande wird uber dich kommen, Cild. Ich stehe hier als Abgesandter meines Vaters, des Fursten der Ebene der Eiben und Vaters deiner ermordeten Ehefrau. Es ist nicht das erste Mal, da? er dich des Mordes an ihr beschuldigt und dich auffordert, dich einem Schiedsgericht zu stellen. Du hast dich bisher geweigert. Weigerst du dich weiterhin?«

»Wenn ich es bisher nicht getan habe, dann tue ich es jetzt erst recht nicht, da du mich bedrohst. Geh zuruck in dein Land, Garb. Geh zuruck zu deinem Vater. Du und deine Leute sind nicht willkommen in den Konigreichen der Angelsachsen. Mit der Androhung von Gewalt kannst du mich nicht einschuchtern, denn wenn ich verletzt werde, wirst du diese Abtei nicht lebend verlassen.«

Garb lachte leise. »Du bist ein uberheblicher Narr, Cild! Ich bin lediglich hergekommen, um das rituelle apad zu vollziehen. Ich bedrohe dich nicht.«

»Das was ...?« Cild klang verwirrt.

»Ich verkunde dir, da? mein Vater Entschadigung fur den Mord an seiner Tochter von dir fordert. Er unternimmt das rituelle troscud, um dich zu zwingen, dich dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen. Nach unserem Gesetz bleiben dir neun Tage, deine Lage zu uberdenken, danach wird mein Vater mit dem troscud beginnen ... Er wird fasten, bis er stirbt oder bis du das Schiedsgericht akzeptierst.«

Abt Cilds scharfe Zuge verzogen sich rasch zu einer erleichterten Miene und dann zu einer hohnischen.

»Und wenn ich nun dieses Schiedsgericht nicht annehme und dein Vater blo? wegen seines irrtumlichen Glaubens an meine Schuld stirbt, was dann?«

»Wenn du zula?t, da? mein Vater stirbt, wahrend er um der Gerechtigkeit willen fastet, fallt die Schande auf dich. Nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der kunftigen. Jeder kann dich erschlagen, ohne Strafe befurchten zu mussen, denn dann verlierst du alle Rechte als Mensch.

Ich habe dir auch noch folgendes zu sagen. Nach unserem Gesetz bist du ein airchinnech, ein Vorgesetzter von Monchen, und von diesem apad an ist es dir untersagt, das Vaterunser oder das Glaubensbekenntnis zu sprechen oder die Messe zu besuchen.« Der Krieger wandte sich um und flusterte einem seiner Begleiter etwas zu, der daraufhin den Bogen senkte, den Pfeil in den Kocher schob und zum Altar der Kapelle eilte. Unter seinem Mantel holte er einen aus Weidenzweigen geflochtenen Kranz hervor und warf ihn vor dem Altar auf den Boden.

Ein besorgtes Murmeln erhob sich unter den Brudern, wahrend der Mann an die Seite Garbs zurucklief und wieder seine Haltung mit gespanntem Bogen einnahm.

»Siehst du diesen Weidenkranz?« rief Garb. »Er ist das Symbol der moralischen Verpflichtung, die dir auferlegt ist, so lange keine deiner priesterlichen Funktionen auszuuben, bis du meinem Vater Gerechtigkeit widerfahren la?t. Wenn du dich nicht daran haltst, dann soll deine Seele verdammt sein.«

»Das ist doch lacherlich«, hohnte Cild. »Eure Gesetze gelten hier nicht. Dies ist nicht ein Konigreich von Eireann, sondern das Konigreich der OstAngeln.«

»Du hast meine Schwester im Hause meines Vaters auf der Ebene der Eiben geheiratet. Eure Eide habt ihr nach dem Gesetz der Fenechus vor einem Brehon geschworen. Dieses selbe Gesetz macht dich jetzt fur ihren Tod verantwortlich. Du hast neun Tage, bis das troscud beginnt. Damit habe ich meine Aufgabe erfullt.«

Mit diesen Worten trat der Krieger rasch zuruck. Seine Begleiter schlugen die Turflugel zu. Die am nachsten stehenden Bruder sturmten zur Tur, doch die war nun von au?en verriegelt.

Eadulf hatte seinen Platz nicht verlassen. Garb hatte diese Auseinandersetzung offensichtlich gut geplant und seinen Ruckzug vermutlich ebenso. Eadulf nahm an, da? der Krieger und seine Begleiter sicher entkommen wurden, ehe die wutenden Monche aus der Kapelle ausbrechen konnten. Er blickte zu Abt Cild hinuber, der noch an dem Lesepult stand, wo er unterbrochen worden war. Bruder Willibrod war neben ihn getreten.

»Wie sind sie in die Abtei gelangt?« wollte Abt Cild wissen. »Die Turen waren doch geschlossen und verriegelt, oder nicht?«

»Das werde ich feststellen«, antwortete Bruder Wil-librod und rieb sich fast die Hande vor Verlegenheit. »Aber was sollen wir tun?«

»Tun?« Abt Cild starrte auf den Weidenkranz vor dem Altar. »Erstens, nimm das und wirf es ins Feuer. Zweitens, kummere dich um die Beisetzung Bruder Botulfs. Drittens, sorge dafur, da? die Bruder, die morgen mit mir auf die Suche nach Aldhere und seinen Geachteten gehen, hinreichend bewaffnet sind. Ich habe den Verdacht, da? wir diese irischen Banditen bei ihm finden werden.«

Eadulf erhob sich und ging zu ihm hinuber. »Banditen? Fur mich horte es sich nicht so an, als ob Garb ein Bandit ware. Ich habe einige Zeit in seinem Land verbracht, und was er sagte, war ein vom Gesetz vorgeschriebenes Ritual, wenn ich auch nicht alles davon verstanden habe.«

Abt Cild schaute ihn wutend an. »Das geht dich nichts an, Bruder Eadulf. Ich rate dir, dich da nicht einzumischen.« Dann blickte er zu den Monchen hinuber, die immer noch gegen die Tur der Kapelle trommelten. »Hort auf mit dem Unsinn!« brullte er.

Wie erschrockene Kinder drehten sie sich um und standen mit hangenden Kopfen vor dem Abt.

Cild wandte sich an Bruder Willibrod. »Lauf mit einem der Bruder durch den unterirdischen Gang unter der Kapelle und mach die Tur auf. Ich schatze, die Halunken sind schon lange fort. Es ging ihnen nur darum, uns aufzuhalten, wahrend sie fluchteten.«

Es schien eine ganze Weile zu dauern, bis die Tur der Kapelle geoffnet wurde, obgleich es in Wirklichkeit wohl nur zehn Minuten waren.

»Wo ist Bruder Willibrod?« fragte der Abt und schritt zur Tur. Eadulf bemerkte, da? es nicht mehr schneite und auch der Wind, obwohl noch fuhlbar, schwacher wehte.

»Er wollte nachsehen, wie sie in die Abtei gelangen konnten«, sagte der Bruder, der die Tur aufgemacht hatte, und trat vor dem Abt zuruck.

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