alles wegen dieses furchterlichen Klimas. So kaltes Wetter habe ich noch nirgends erlebt.«

»Das kommt daher, weil das Land so niedrig liegt«, erklarte ihr Eadulf. »Nichts schutzt uns vor dem eisigen Nordwind von der See her. Keine Berge halten ihn auf.«

»Und das fuhrt nun dazu, da? ich erkaltet bin.«

Eadulf hatte an der gro?en irischen Hochschule von Tuaim Brecain Medizin studiert und kramte schon in einer seiner Taschen.

»Solange wir ein Feuer haben und folglich Wasser hei? machen konnen, ist nicht alles verloren.« Er lachelte zuversichtlich. »Ich bereite dir einen Aufgu? von Holunderbluten und Gei?blatt und ruhre etwas Honig hinein, den ich bei mir habe. Bald bist du wieder gesund.«

Wahrend Eadulf die Medizin mischte, berichtete er ihr von seiner Begegnung mit Abt Cild. Fidelma horte aufmerksam zu und stellte ein paar Fragen, um einige Punkte zu klaren.

»Er scheint ganz so zu sein, wie Bruder Willibrod ihn beschrieben hat«, meinte sie am Ende seiner Erzahlung.

»Er bringt Schande uber den Glauben.«

»Er bringt Schande nur uber sich selbst«, antwortete Fidelma. »Ein Mann von so schabiger Arroganz zieht allein sich selbst Verachtung zu, nicht dem Glauben. Hoffen wir, da? ich morgen fruh so weit gesund bin, da? wir abreisen konnen. Heute abend bleibe ich hier im Zimmer. Es tut mir leid, da? ich am Begrabnis deines Freundes nicht teilnehmen kann, Eadulf.«

Eadulf zuckte die Achseln. Er ersparte es sich, ihr mitzuteilen, da? man sie sowieso nicht in die Kapelle gelassen hatte.

»Du kannst Botulf nicht mehr helfen. Jetzt ist es wichtiger, da? du wieder gesund wirst. Ich habe genug von diesem Aufgu? hergestellt, damit du die ganze Nacht davon trinken kannst. Nimm nur kleine Schluk-ke. Denk daran.« Mit einem zerstreuten Lacheln wandte er sich zur Tur.

»Ich werd’s mir merken«, rief ihm Fidelma nach. »Und sei vorsichtig mit deinen Fragen, Eadulf. Die Bruder in diesem Hause sind anscheinend leicht zu verprellen.«

Als Eadulf das Gastehaus verlie?, begann in der Ferne eine Glocke zum Angelus zu lauten. Er schritt rascher aus, den dunklen, mit Steinplatten belegten Gang entlang, und versuchte sich an den Weg zur Kapelle zu erinnern. Es war eisig kalt, und durch die Bogen, die sich zum Hof hin offneten, sah er, da? der Schnee noch immer schrag vom schwarzen Nachthimmel fiel. Durch mehrere uberdachte Gange ge-langte er zu einem kleineren Hof, den ein Kreuzgang umgab. An Eadulfs Seite hing am Ende eine Sturmlaterne, die eine Tur beleuchtete. Eine ahnliche Laterne erblickte er uber einer Tur auf der anderen Seite. Im offenen Hof lag der Schnee sehr dicht. Er merkte, da? dies der kleine Hof hinter der Kapelle war, wo man den Leichnam von Bruder Botulf gefunden hatte. Er hielt inne. Eine der Turen mu?te in die Krypta fuhren.

Er stand an einem der Pfeiler und uberlegte, wie er am besten zur anderen Seite der Kapelle, wo die Hauptturen waren, gelangen konnte, als er auf der gegenuberliegenden Seite des Hofes im Schatten des Kreuzganges eine Bewegung bemerkte. Eine schlanke Gestalt in einem langen Mantel trat aus einer dunklen Nische und schritt rasch und leise den Gang entlang. Erstaunt sah er zu. In diese Umgebung schien die Gestalt nicht zu passen. Sie blieb an der Tur mit der Laterne kurz stehen und blickte sich forschend um, ob sie nicht beobachtet wurde. Eadulfs Augen weiteten sich.

Das schwache Licht lie? ihn das Gesicht einer jungen Frau erkennen. Selbst uber den Hof hinweg empfing Eadulf den Eindruck von zarter Schonheit, blassem Teint - zu blassem? - und blondem Haar. Die Gestalt war nicht wie eine Nonne gekleidet, sondern trug ein feines rotes Kleid und Schmuck aus Silber und glitzernden Edelsteinen.

Dann verschwand sie schnell und lautlos in der Tur.

Eadulf fragte sich, wer die junge Frau wohl war und was sie in einer Abtei tat, die angeblich Mannern vor- behalten war, die sich zu einem Leben des Glaubens im Zolibat verpflichtet hatten. Frauen hatten hier doch wohl keinen Zutritt?

Als Eadulf die Kapelle betrat, hatte der Abt bereits mit dem Gedenkgottesdienst fur die Seele Bruder Bo-tulfs begonnen. Er sprach schon den Segen, und Eadulf mu?te auf seine Fragen verzichten.

»Moge der Segen des Lichts dich begleiten, des au?eren Lichts und des inneren Lichts ...«

Mehr als drei?ig Bruder hatten sich in der Kapelle versammelt. Eadulf setzte sich auf eine Bank im Hintergrund; er wollte nicht auffallen.

Er blickte sich um. Die meisten Monche waren jung und anscheinend kraftig gebaut. Einige hatten harte Gesichter und schienen eher in einer Schlachtordnung am Platze, mehr an den Umgang mit Schwert und Schild gewohnt als an den mit Kruzifix und Weihwasser.

Auf die Gebete folgte ein Lied. Eadulf kannte es nicht und sang deshalb nicht mit.

Abt Cild ging nach vorn und setzte gerade zu einer Lobrede an, als die beiden gro?en holzernen Turen der Kapelle krachend aufflogen.

Wie alle Bruder fuhr Eadulf uberrascht herum.

Ein hochgewachsener Mann stand breitbeinig im Turrahmen mit einem blanken Schwert in der Hand und seinem Schild verteidigungsbereit am anderen Arm. Da? er ein Krieger war, war nicht zu verkennen, aber welcher Art von Krieger oder wer, das war nicht so leicht festzustellen. Er trug einen glanzenden Helm mit Kopf und Schwingen einer Gans als Helmzier. Der Schnabel der Gans war warnend geoffnet, der Hals flach gebogen, und die Schwingen waren an beiden Seiten des Helms nach hinten gelegt. Es war ein furchterregendes Bild. Eadulf erinnerte sich dunkel, da? bei manchen Volkern die Gans ein Symbol der Schlacht darstellte. Dies schien hier auch der Fall zu sein, denn das Visier des Helms war geschlossen, und nur die hellen Augen des Kriegers funkelten im Kerzenschein der Kapelle mit drohender Feindseligkeit.

Ein langer schwarzer Pelzmantel hullte ihn ein, doch darunter sah Eadulf einen Brustharnisch schimmern. Der Arm mit dem drauenden Schwert war muskulos. Lange Sekunden hindurch herrschte absolute Stille in der Kapelle. Dann sprach der Mann, und seine Stimme drohnte durch das ganze Gebaude. Sein Sachsisch klang schwerfallig und hatte einen fremden Akzent.

»Erkenne mich, Cild, Abt von Aldreds Abtei. Sieh mich an und erkenne mich.«

Kapitel 4

Einen Moment trat tiefes Schweigen in der Kapelle ein.

Abt Cild mu?te eine eiserne Selbstbeherrschung besitzen, denn die drohende Erscheinung des Kriegers schien ihn uberhaupt nicht zu beeindrucken. Seine Antwort gab er in hohnischem Ton.

»Ich erkenne keinen Menschen, der bewaffnet in Christi Haus kommt und sein Gesicht hinter einem Kriegshelm verbirgt.«

Der Krieger reagierte mit einem heftigen Hieb des Schwertes auf den Schild. Es klang wie ein Donnerschlag.

»Du gibst vor, meine Helmzier nicht zu kennen, du gibst vor, meine Stimme nicht zu kennen . Aber du wei?t genau, wer ich bin. Ich hei?e Garb und bin Ga-dras Sohn. Sag deinen Brudern, ob ich luge.«

Abt Cild zogerte.

»Wenn du es sagst, wirst du es wohl sein«, erwiderte er knapp.

»Ich bin Garb von der Ebene der Eiben.«

»Und selbst wenn du es bist«, entgegnete der Abt uneingeschuchtert, »mit der Art deines Eindringens hier begehst du Kirchenschandung. Leg dein Schwert nieder.«

Der irische Krieger, als solchen hatte ihn Eadulf an seinem Akzent wie an seinem Namen erkannt, lachte hart auf.

»Mein Leben ist mir zu lieb, als da? ich an diesem Ort meine Waffe niederlegen wurde. Ich behalte mein Schwert.«

»Dann sag uns, was du willst, und verschwinde.«

»Ich will .« Der Mann unterbrach sich und wandte sich rasch zur Seite. »Cild, sag deinen Brudern, sie sind tote Manner, wenn sie noch naher kommen!«

Zwei Manner mit gespanntem Bogen erschienen plotzlich neben dem irischen Krieger. Eadulf hatte ebenfalls

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