auf die Manner vom Langschiff hinabsandten. Einer von ihnen griff in die Zugel des Maultiers, ein untersetzter Mann mit einer wirren gelben Mahne und einem Grinsen, das schwarze Zahne blo?legte.
Eadulf sah, wie die Manner unten zu ihrem Langschiff rannten und ihre Verwundeten mit sich trugen oder schleppten. Andere schoben in wilder Hast das Schiff ins Wasser. Um ihn herum wurden noch mehr Pfeile abgeschossen, doch sie trafen keine menschlichen Ziele mehr, wenn sich auch ein paar davon in die Planken des Schiffs bohrten. Die fliehenden sachsischen Krieger kletterten an Bord des auf den Wellen schaukelnden Schiffs, andere zogen rasch unter Rufen und Fluchen an den Leinen und Tauen, bis das gro?e Segel den von Land wehenden Wind einfing.
Nun jagte das Schiff schnell davon, umrundete die Halbinsel und kam au?er Sicht.
Ein hochgewachsener Krieger, anscheinend der Anfuhrer der Schar, die den Angriff auf die Sachsen unternommen hatte, steckte sein Schwert ein und betrachtete Eadulf mit leichter Belustigung. Er war eher drahtig als muskulos, und eine tiefe Narbe lief uber eine Wange. Seine dunklen Augen gluhten und funkelten von innerem Feuer. Die Narbe verzog seine schmalen Lippen zu einem standigen spottischen Lacheln. Sein Gesicht kam Eadulf irgendwie bekannt vor, doch war er sich sicher, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Seine gebraunte Haut zeugte von einem Leben im Freien. Er war dunkel gekleidet, in schwarz gefarbte Wollsachen. Nur seine Lederjacke war mit glanzenden runden Metallplatten besetzt, die als Korperpanzer dienten. Er trug einen runden Schild und einen einfachen konischen Helm ohne Zier.
»Wen haben wir denn hier? Einen von Cilds ubler Brut, wie es aussieht?«
Eadulf runzelte argerlich die Stirn.
»Was soll das hei?en?« fragte er. »Erhebst du die Hand gegen einen Monch?«
Der Krieger lachte und wies mit einem Kopfnicken auf seine Gefahrten.
»Ich hatte gedacht, da? ein Mann von solch edler Bildung wie du zu der Schlu?folgerung gelangt ware, da? wir gerade dein heiliges Leben vor den OstSachsen gerettet haben. Sehr dankbar scheinst du nicht dafur zu sein.«
»Warum sollten die Ost-Sachsen mir das Leben nehmen?« wollte Eadulf wissen und versuchte, auf den scherzhaften Ton des anderen einzugehen, was ihm freilich nicht gelang. »Und warum solltest du es retten wollen?«
Der hochgewachsene Mann kniff die Augen zusammen und musterte Eadulf genauer. Das Lacheln blieb auf seinem Gesicht.
»Wie hei?t du, Bruder? Ich kann mich nicht erinnern, dich schon mal in Cilds verfaulendem Steinhaufen gesehen zu haben. Bist du neu in dieser Gegend?«
Der Mann sprach mit einer lockeren Vertraulichkeit, die Eadulf reizte.
»Ich bin erst vor kurzem aus Canterbury hierhergekommen, und davor war ich uber ein Jahr im Ausland. Aber ich bin ...«
»Das ist Eadulf von Seaxmund’s Ham!«
Einer aus der Schar unterbrach ihn mit diesem Ruf und trat naher heran.
Der hochgewachsene Mann drehte sich zu ihm um, und Eadulf tat es ihm gleich und versuchte zu erraten, wer der schabig gekleidete Bursche war.
»Du kennst ihn, Wiglaf?«
Der kleine, stammige Kerl mit braunem Haar nickte eifrig.
»Er war der
Mit gespieltem Ernst wandte sich der Anfuhrer wieder an Eadulf.
»Stimmt das? Du hast den armen Wiglaf bestraft?«
Eadulf verzog das Gesicht.
»Das kann ich weder bejahen noch verneinen«, erklarte er ausweichend. »Ich erkenne ihn nicht wieder.«
Der Mann namens Wiglaf trat auf Eadulf zu und grinste ihn an.
»Damals hatte ich noch keinen Bart,
»War das Urteil gerecht, Wiglaf?« unterbrach ihn der Anfuhrer in humorvollem Ton.
Der braune Mann lachte. »Das war es. Ich hatte einer alten Witwe einen Topf Honig geklaut. Der
Eadulf gab es auf, sich an den einstigen Honigdieb zu erinnern. Er hatte in seiner Zeit als
»Jetzt kennst du mich, aber ich kenne dich nicht«, wandte er sich trotzig an den Anfuhrer. Dieser lachelte immer noch.
»Ich hei?e Aldhere, und dies sind einige meiner Manner.«
Eadulfs Augen wurden gro?er. Der hochgewachsene Krieger bemerkte seine Uberraschung und schmunzelte belustigt.
»An deiner Reaktion sehe ich, da? du schon von mir gehort hast, heiliger
»Allerdings«, gestand Eadulf, »und zwar von Abt Cild.«
Aldhere lachte schallend, als habe Eadulf etwas wirklich Komisches gesagt.
»Ich glaube kaum, da? du von diesem Sohn einer Teufelin irgend etwas Gutes uber mich vernommen hast. Bist du Mitglied von Cilds kleiner Brut von Schadlingen geworden?«
Eadulf schuttelte den Kopf. »Ich halte mich mit meiner . mit einer Gefahrtin fur ein paar Tage in Al-dreds Abtei auf, bevor wir nach Seaxmund’s Ham Weiterreisen. Ich war mehrere Jahre aus dieser Gegend fort.«
Der Anfuhrer der Geachteten blieb anscheinend gelassen und beinahe freundlich, wahrend er diese Auskunft uberdachte.
»Dann, heiliger
»Weshalb sagst du das?«
»Weil es ein ubler Ort ist, ein Ort, den man meiden sollte. Abt Cild ist ein boser Mensch.«
Plotzlich fielen Eadulf die Worte des »verruckten« Mul ein. Der hatte die Abtei auch einen Ort des Bosen genannt. Es wurde Zeit, da? er eine Erklarung dafur bekam.
»Ich hatte dich gern allein gesprochen, Aldhere.«
»Dann reite mit uns zu unserem Lager, und wir unterhalten uns unterwegs.«
Eadulf zogerte und entschied sich fur Aufrichtigkeit.
»Ist dir klar, da? Abt Cild und mehrere seiner Monche diese Gegend absuchen, um dich zu fangen und zu hangen?«
Aldhere zog eine Braue hoch, doch das Lacheln wich nicht von seinem Gesicht.
»Es freut mich, da? du uns warnst, heiliger
Eadulf wurde plotzlich klar, da? Aldhere zwanzig Mann bei sich hatte. Cild mu?te gewu?t haben, da? er ihnen nicht gewachsen war. Warum hatte er diese Tauschung inszeniert? Wen wollte er beeindrucken? Eadulf selbst? Die Gemeinschaft? Garb und seine irischen Krieger? Oder war das nur wieder eine von Cilds unberechenbaren Launen?
Inzwischen hatten alle die Pferde bestiegen, die ihnen von Mannern gebracht worden waren, die sie wohl im Wald verborgen gehalten hatten, wahrend der Angriff stattfand. Zwei von Aldheres Mannern ritten als Vorhut ein Stuck voraus, dann folgten Eadulf und Aldhere, die anderen blieben dahinter.
Aldhere ritt entspannt und sa? locker im Sattel aufgerichtet. Er war offensichtlich zu Pferde aufgewachsen.
»Also, was wolltest du mir erzahlen, was nur fur meine Ohren bestimmt ist?« fragte der Geachtete, sobald sie sich in Bewegung gesetzt hatten.
»Abt Cild glaubt, da? du Bruder Botulf getotet hast.«
Ein ironisches Schnaufen verriet Eadulf, da? Aldhe-re nicht viel davon hielt, was Abt Cild glaubte. Doch