und er hoffte, Ealdwulf zu uberreden, die Achtung unserer Schar zu widerrufen. Aber das war schwierig fur ihn, denn er war ja in der Abtei eingesperrt. Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Botschaft von ihm, da? ich mich mit ihm in dem Waldchen bei der Abtei treffen sollte, wie ich dir schon sagte. Das war gestern beim Morgengrauen. Den Rest wei?t du bereits. Aber du kannst mir glauben, da? ich ihn nicht getotet habe.«

»Hast du eine Ahnung, weshalb sich Botulf mit dir treffen wollte?«

»Uberhaupt keine«, antwortete Aldhere. »Ich vermute allerdings ...« Er zogerte.

»Was vermutest du?« hakte Eadulf ein.

»Da? es etwas mit seinem Versuch zu tun hatte, den Konig zu uberreden, das Urteil uber mich und meine Leute zu uberdenken. Er hatte versprochen, sich um eine Verbindung zu Sigeric zu bemuhen, dem Oberhofmeister des Konigs, und ihm meinen Fall erneut vorzutragen.«

»Sigeric? Lebt der noch?«

»Ja, und er hangt beharrlich den alten Gottern an. Doch er ist hochgeachtet beim Konig und sogar bei den Bischofen wegen seiner Gesetzeskunde.«

Eadulf uberlegte einen Moment und kehrte zum Thema zuruck. Sackgassen mochte er nicht.

»Vor ein paar Tagen erhielt ich in Canterbury eine Botschaft, die mich zur Abtei bestellte. Botulf hatte anscheinend erfahren, da? ich inzwischen wieder dort war. Er bat mich dringend, vor der gestrigen Mitternacht in der Abtei zu sein. Ich sehe da keinen Zusammenhang.«

Aldhere zuckte die Achseln. »Ich auch nicht. Allerdings begann gestern das zwolftagige Julfest. Das ist das einzige, was ich mit dem Datum und der Stunde verbinde.«

»Ich kann mir kaum vorstellen, da? das in bezug auf Botulf etwas zu bedeuten hatte.« Eadulf rieb sich die Stirn mit den Fingerspitzen. »Eins ist mir noch unklar. Cild ist ein sehr kriegerischer Mensch fur einen christlichen Abt. Er war schnell bereit, dich zu beschuldigen und mit einer Schar schwerbewaffneter Monche auszureiten, um dich zu jagen. Ich hatte keinen Zweifel, da? er dich hangen wollte, wenn er dich bekame. Deshalb ritt ich hinterher, um dich zu finden - um eine Ungerechtigkeit zu verhindern.«

Aldhere lachte grimmig. »Dafur bin ich dir dankbar, heiliger gerefa. Du scheinst ein Mann von gleichem Schlage wie der arme Botulf zu sein.«

»Eins mochte ich noch wissen«, beharrte Eadulf. »Erzahl mir von deinem Verhaltnis zu Abt Cild. Aus welchem Grunde seid ihr so verfeindet? Ich glaube nicht, da? es nur daran liegt, da? der Konig dich geachtet hat.«

Aldhere schuttelte mit einem seltsamen Lacheln den Kopf. »Cild war fruher auch ein Krieger. Im Herzen ist er ein Kriegsherr geblieben. Er versteht genug von der Kriegfuhrung, um zu wissen, da? in dem Gefecht bei Bretta’s Ham der Fehler nicht bei mir lag.«

»Wie erklarst du dir dann seine heftige Abneigung gegen dich? Sie geht so weit, da? er die Gelegenheit nutzen wurde, dich zu hangen.«

Aldhere kniff die Lippen zusammen. »Das ist eine lange Geschichte.«

»Das hast du schon mehrmals gesagt. Davon wird sie auch nicht kurzer. Fangen wir lieber damit an. Was steht zwischen Cild und dir, das solche Feindschaft erzeugt?« Aldhere hob eine Schulter.

»Sie wurzelt in der Tatsache, da? Cild und ich denselben Vater und dieselbe Mutter haben.«

Einen Moment wollte Eadulf seinen Ohren nicht trauen. Schlie?lich sagte er: »Dann seid ihr also .?«

»Cild und ich sind Bruder«, bestatigte Aldhere.

Kapitel 7

In seiner momentanen Verwirrung begriff Eadulf nur eins. Jetzt wu?te er, warum ihm Aldheres Gesicht so bekannt vorgekommen war. Er schaute in das Ebenbild der Zuge Abt Cilds.

Aldhere lachte uber seine Verbluffung. »Du siehst uberrascht aus, heiliger gerefa.«

Eadulf nahm seine Gedanken zusammen. »Ich bin entsetzt, da? Cild so wutend ist auf seinen eigenen Bruder - so sehr, da? er ihn umzubringen trachtet.«

Der Geachtete verzog das Gesicht. »Brudermord ist unserem Volk nicht fremd, mein Freund, vor allem nicht unter denen, die nach Macht streben.«

»Das mu?t du mir erklaren.«

»Das la?t sich leicht erklaren. Cild und ich sind beide die Sohne von Bretta. Cild ist der altere .«

»Aber du wurdest Than von Bretta’s Ham«, warf Eadulf ein.

»Eben. Unser Vater Bretta mochte meinen Bruder nicht. Als Kind bekam Cild oft Wutanfalle. Einmal ging er so weit, eine schwarze Katze, die unserer Mutter gehorte, auf dem Altar unserer Kapelle zu schlachten mit der Begrundung, er glaube an Wotan und nicht an Christus. Auch als Halbwuchsiger konnte er sein schreckliches Temperament nicht beherrschen. Er wurde Krieger und verlie? sich in seinen Kampfen und Siegen auf die Kraft seiner Streitaxt und nicht auf seinen Verstand. Er war ein Einzelganger, er konnte keine Truppen ordnen und keine Plane machen. Bretta war der Meinung, ihm fehlten die Eigenschaften, unser Volk mit Gerechtigkeit zu fuhren. Er enterbte ihn und verkundete, da? nach seinem Tode ich ihm als Than nachfolgen sollte.«

»Und Cild ha?te dich deswegen?«

»Naturlich. In unserer Jugendzeit war Cild davon ausgegangen, da? er Than wurde. Da wurde ich ihm vorgezogen, sein jungerer Bruder, vor dem er nun das Knie beugen mu?te. Er war wutend auf unseren Vater und auf mich. Das war nicht gleich zu spuren, denn Cild verkundete, er schlie?e sich den Brudern im Glauben an.«

»Kam das uberraschend?«

»Vollig uberraschend. Cild interessierte sich nur fur Kampfe, Trinkgelage, Frauen und Macht. Mein Vater hatte recht - Cild ware ein schlechter Than gewesen. Jedenfalls verlie? er Bretta’s Ham, und das nachste, was wir von ihm horten, war, da? er nach Connacht im Lande Eireann gegangen sei, um in den Dienst des Glaubens zu treten. Unser Vater starb, wahrend er fort war, er fiel im Kampf fur den Konig gegen die Streitkrafte des Konigs Wulfhere von Mercia. Darauf wurde ich Than. Das war vor drei Jahren.«

»Wann kehrte Cild zuruck?«

Aldhere rieb sich die Nase und uberlegte.

»Ich glaube, das war kurz vor der gro?en Ratsversammlung im Konigreich Northumbria .«

»Der Synode von Whitby?« fragte Eadulf.

»Richtig, der Ratsversammlung in Hildas Abtei.«

»Wann hast du erfahren, da? er zuruck war?«

»Als ich horte, da? er zum Abt ernannt worden war. Nachdem seine Frau gestorben war, vertrieb er die meisten Bruder aus Aldreds Abtei und erklarte sie zur geschlossenen Gemeinschaft.«

»Deinem Ton entnehme ich, da? du sein Vorgehen als unrechtma?ig ansiehst«, meinte Eadulf.

»Nein, heiliger gerefa, denn er hatte die Unterstutzung unseres Konigs Ealdwulf, der sich Oswy von Northumbria anschlo? mit seiner Erklarung, er werde kunftig der Regel Roms folgen und nicht der Regel Columbans.«

Eadulf erinnerte sich, da? der heilige Colmcille von den Angelsachsen Columban genannt wurde.

»Aber du vermutetest ... was?«

»Was ich vermutete? Ich glaube nicht, da? ein Fuchs sich in ein Lamm verwandeln kann.«

»Ebensowenig, wie dein Bruder seine Personlichkeit in die eines friedliebenden, von christlicher Nachstenliebe erfullten Menschen verwandeln konnte«, murmelte Eadulf.

Aldhere grinste breit, sagte aber nichts.

»Er mu? dich sehr hassen, wenn er dir den Tod wunscht«, bemerkte Eadulf. »Bist du ihm seit seiner Ruckkehr begegnet?«

»Nur einmal. Als ich horte, da? er Abt von Aldreds Abtei geworden war, suchte ich ihn auf.«

»Sonst kam es zu keinem Treffen?«

»Er machte sich allerdings auf, um meine Entehrung durch Konig Ealdwulf mitanzusehen.« Aldhere lachte. »Doch ich enttauschte ihn, weil ich nicht dazu erschien.«

»Hast du seine Frau kennengelernt?«

»Die hatte er nicht verdient«, meinte Aldhere ruhig. »Sie war ein sanftes junges Geschopf. Sie hie? Gelgeis.

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