gegen ihn. Das mu?te doch seinen Ehrgeiz zugeln?«

»Sebbi ist kein Krieger. Er ist zu fromm und mu? sich darauf verlassen, da? andere seine Schlachten schlagen. Im Augenblick hat er es schwer, sich gegen seinen heidnischen Vetter zu behaupten.«

»Ist denn kein christlicher Nachbar bereit, zugunsten von Sebbi einzugreifen?«

»Ob Christen oder Heiden, Konige lassen sich immer nur von ihrem eigenen Interesse leiten. Was kann Sebbi fur sie tun? Wenn gar nichts, weshalb sollten sie ihn dann unterstutzen?«

»Besteht also keine Aussicht, Sigehere Einhalt zu gebieten?«

Aldhere schuttelte den Kopf. »Kaum, es sei denn, man besiegte ihn in einer Schlacht. Aber Sigehere hat viele machtige Freunde, die sich bereitwillig auf seine Seite stellen. Aus Grunden praktischer Politik erkennt er sogar Wulfhere von Mercia als seinen Lehnsherrn an, und Wulfhere wiederum wurde gern die Gelegenheit nutzen, in unser Land der Ost-Angeln einzufallen, wenn wir ein Heer gegen Sigehere entsenden.«

Eadulf zogerte einen Moment und sagte dann: »Du sprichst nicht mit der selbstsuchtigen Haltung eines Raubers, Aldhere. Du sagst auch, Botulf sei dein Freund gewesen. Erzahl mir, wie das kam und was du von seinem Tode wei?t.«

Aldhere setzte seinen Becher Met ab, reckte die Arme und verschrankte sie dann behaglich uber seinem Bauch. Nachdenklich schlo? er die Augen.

»Botulf war der einzige unter deinen Glaubensbrudern, der mich nicht verurteilte, als ich geachtet wurde. Das war vor uber einem Jahr.«

»Erklar mir erst, wie du Botulf kennengelernt hast. Wie kam eure Freundschaft zustande?«

»Du erinnerst dich sicher, da? Wulfhere vor acht Jahren seinem Vater Penda als Konig von Mercia nachfolgte und seitdem versucht, die Oberherrschaft Mercias uber alle Konige der Angeln und Sachsen wiederherzustellen?«

Eadulf nickte. In seiner Kindheit hatten Mutter den Namen Penda, Sohn des Pybba, benutzt, um ihre Kinder zu schrecken und sie zum Gehorsam zu bringen. Von seinem Konigreich Mercia aus war Penda gegen seine Nachbarn marschiert und hatte sogar Oswald von Northumbria, den machtigsten aller angelsachsischen Konige, getotet. Damals war Eadulf sechs oder sieben Jahre alt. Fast uberall hatte man ge-jubelt, als Oswalds Sohn Oswy, der nach dem Tode seines Vaters Konig von Northumbria geworden war, Penda in der Schlacht von Winwaed Field besiegte und totete. Damit war das machtige Reich Mercia zusammengebrochen. Penda war als Scheusal verrufen, weil er den christlichen Glauben abgelehnt und den alten Gottern wie Wotan und Thunor angehangen hatte. Doch nur drei Jahre nach seinem Tode hatte sein Sohn Wulfhere das Konigreich wiederhergestellt und begonnen, seine Vorherrschaft neu aufzubauen.

Eadulf uberlegte.

»Was hat das alles mit dir zu tun?« fragte er den Anfuhrer der Geachteten.

»Ich war Than von Bretta’s Ham, ein Kriegsherr im Sudvolk.«

Eadulf stellte uberrascht fest, da? er den Mann richtig eingeschatzt hatte. Eadulf wu?te nur, da? Bretta’s Ham im Sudwesten des Konigreichs lag. Er wartete geduldig ab, bis Aldhere fortfuhr.

»Vor etwa einem Jahr sandte Wulfhere seinen Bruder Aethelred gegen die Westgrenze unseres Landes.

Ealdwulf, unser Konig, ernannte seinen Vetter Egric zum Befehlshaber seines Heeres. Es gab nur ein kurzes, aber heftiges Gefecht, denn die Mercier fielen wie die Furien der Holle uber uns her. Ich erhielt den Befehl uber den rechten Flugel. Es war keine gute Stellung, denn Egric hatte uns am Fu?e eines Berges postiert, fast au?er Sicht des Hauptteils. Als der Angriff begann, lie? mir Egric ausrichten, wir sollten stehenbleiben, bis wir gerufen wurden. Ich gehorchte. Dann horten wir, Egrics Stellung sei vom Feind genommen und er selbst todlich verwundet worden.«

Aldhere schwieg einen Moment und seufzte tief. »Als ich das erfuhr, fuhrte ich meine Manner um den Berg herum und fiel den Merciern in den Rucken. Wie gesagt, es war ein kurzer, aber heftiger Kampf, und dann waren die Mercier plotzlich in vollem Ruckzug.«

Eadulf sagte nichts, als Aldhere wieder innehielt.

»Als ich Egric aufsuchte, um zu sehen, wie es ihm ging, und ihm die gute Nachricht zu bringen, da? wir die Mercier geschlagen hatten, sah ich, wie sein Blut verstromte, fand ihn aber voller Groll und Vorwurfe. Statt die volle Verantwortung fur seine schlechte Aufstellung und die daraus folgende Niederlage und schlie?lich auch seinen Tod zu ubernehmen, beschimpfte er mich wutend, selbst als er schon die letzten Atemzuge tat. Er behauptete, ich ware ein Feigling, ich hatte mich versteckt gehalten, bis er besiegt war, und hatte nichts unternommen, um seine Flanke zu decken. In diesem Zorn starb er.«

Schweigen trat ein, bis Eadulf die erwartete Antwort gab.

»Aber es war doch seine eigene Schuld.«

»Er war ein Vetter des Konigs, und die Uberlebenden seiner Leibwache trugen seine letzten Worte Konig Ealdwulf zu. Ich wurde in den Palast des Konigs bestellt, um mich fur meine Feigheit zu verantworten. Das waren genau die Worte, mit denen ich vorgeladen wurde. Da wu?te ich, wenn ich hinginge, gabe es nur eine Losung: meine Hinrichtung.«

»Darum hast du beschlossen, der Vorladung des Konigs nicht zu folgen?«

»Das ist der Grund, weshalb ich noch am Leben bin.« Aldhere verzog das Gesicht.

»Der Konig hat dich geachtet?« Eadulf schnalzte mitfuhlend mit der Zunge. »Die Vorladung des Konigs zu mi?achten war aber falsch, meine ich.«

Aldhere schuttelte den Kopf. »Du glaubst, ich hatte hingehen und mich verteidigen sollen? Die Manner, die bei mir waren, beschlossen, sich dem Gericht des Konigs zu stellen, und Botulf ging mit ihnen.«

Eadulf fuhr auf. »Wieso Botulf?«

»Weil zu dieser Zeit Bruder Botulf nach Bretta’s Ham, wo ich herrschte, gekommen war, um das Wort des Glaubens zu predigen. Auf die Nachricht vom Angriff der Mercier hin erbot er sich, meine Kriegerschar zu begleiten, damit wir in der Stunde der Not nicht ohne geistlichen Beistand seien. Er blieb wahrend der Schlacht bei meinen Mannern, stand an meiner Seite, nur bewaffnet mit dem Kruzifix als dem Symbol seines Glaubens. Er wu?te, da? Egrics Beschuldigungen nicht stimmten. Er ging als mein Bevollmachtigter zu Konig Ealdwulf.«

Eadulf war es klar, da? Aldhere die Wahrheit sagte. Wer Botulf kannte, zweifelte nicht an der Geschichte. Eadulf wu?te, wie tapfer sein Freund war.

»Aber er erreichte nichts?«

»Er konnte Konig Ealdwulf nicht uberzeugen, der den Worten seines toten Vetters mehr glaubte als denen meiner Manner. Die drei Krieger, die ihn begleiteten, meine getreuen Unterbefehlshaber, wurden sofort zu Sklaven gemacht. Botulf schickte er in Aldreds Abtei zuruck, von wo er ursprunglich gekommen war, und wies Cild an, da? Botulf den Umkreis von einer Meile um die Abtei nicht uberschreiten durfe.«

Eadulf war entsetzt. »Aber das ist doch ungerecht! Das wu?te ich nicht.«

Aldhere lachelte spottisch. »Erzahl mir nichts von Gerechtigkeit, gerefa. Nur die Machtigen und Reichen konnen sich wirkliche Gerechtigkeit leisten.«

Eadulf dachte an das System, das er in den funf Konigreichen von Eireann kennengelernt hatte, und sein Volk tat ihm leid.

»Durch dieses Unrecht bist du also zum Geachteten geworden?«

»Sobald ich horte, was mit Botulf und meinen Mannern geschehen war, nahm ich alle, die mir treu blieben, samt ihren Frauen und Kindern mit und zog mich in den Schutz dieses Moorlands und der Walder zuruck. Durch einen glucklichen Zufall bekam ich wieder Verbindung mit Botulf, und er konnte mir sagen, wohin meine Manner als Sklaven gebracht worden waren. Spater machten wir einen Uberfall und befreiten sie, und so lebt unsere Schar seit einem Jahr, und manchmal sto?en noch neue Mitglieder zu uns, die sich auch als Opfer boswilliger Ungerechtigkeit betrachten.«

»Das ist eine seltsame Geschichte«, bemerkte Eadulf.

»Es ist eine Geschichte, wie sie heutzutage beim Sudvolk ofter vorkommt. Wir uberlassen zuviel Macht zu wenigen Menschen, die sie dann nach ihren Vorurteilen ausuben und nicht nach dem, was richtig und gerecht ist.«

»Erzahl mir mehr von Botulf und von dem, was du uber die Ereignisse wei?t, die zu seinem Tod fuhrten.«

Aldhere nickte. »Dazu wollte ich noch kommen. Aber wie gesagt, heiliger gerefa, das ist eine Geschichte mit einer langen Vorrede. Botulf war fur mich und meine Leute ein guter Freund geblieben,

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