Wuffa, dem Sohn Wehhas, uberliefert ist.«
Eadulf uberlief es kalt. Als
»Abgewandelt durch die Anwendung des neuen Glaubens?« fragte er hoffnungsvoll.
Abt Cild schuttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Grund, weshalb das Gesetz der Wuffingas abgewandelt werden sollte. Die Strafe fur das Beschworen von Damonen und Geistern ist klar ... Die schuldige Frau wird mit dem Gesicht nach unten in eine Grube gelegt und begraben - lebendig!«
Kapitel 9
Als Eadulf vom Abt kam, begegnete ihm der flachs -blonde Bruder Higbald, der Apotheker der Abtei. Higbald begru?te ihn besorgt, aber freundlich mit derselben frohlichen und humorvollen Miene wie am Vormittag. Dieser Humor schien seine naturliche Haltung zu sein und erinnerte Eadulf an Aldheres spottische Einstellung zum Leben.
»Also hast du schon gehort, Bruder Eadulf, da? eine Massenhysterie uber unsere arme Gemeinschaft hereingebrochen ist?«
Eadulf blieb uberrascht stehen. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was der Apotheker damit meinte. Plotzlich leuchteten seine Augen auf.
»Dann glaubst du auch nicht an diese Geistererscheinung?«
Bruder Higbald schuttelte den Kopf. Sein Lacheln wurde eher noch breiter.
»Ich kann mir nicht vorstellen, da? ein Geist oder ein Phantom durch unsere dunklen Gange schwebt. Ich glaube, der junge Redwald bildete sich etwas ein. Ich mu? dich allerdings darauf hinweisen, da? du es warst, der als erster das Bild einer Frau beschrieb, die nach Aussage des armen Bruder Willibrod eine auffallende Ahnlichkeit mit der toten Frau des Abts besa?. Vielleicht hat Redwald dich davon erzahlen horen und sich dann mit bluhender Phantasie etwas ausgemalt, was er im Schatten erblickt haben will. Weiter nichts.«
Eadulf hielt nachdenkend den Kopf schief.
»Das ware moglich. Aber ich habe selbst mit Redwald gesprochen, und seine Furcht ist echt.«
»Das kann schon sein. Man bringt es fertig, sich selbst davon zu uberzeugen, da? man etwas gesehen hat, obgleich man es nicht gesehen hat. Ein junger Mensch ist leicht zu beeindrucken.«
Eadulf lachelte duster. »Nehmen wir an, es ware so. Trafe dieselbe Erklarung auf meine Beobachtung der Frau zu?«
Bruder Higbald kicherte. »Ich kenne dich nicht so gut, Bruder, deshalb kann ich dir diese Frage nicht beantworten. Ich wei? nur - wie ich dir heute morgen schon sagte -, da? wir eine kleine Gemeinschaft sind und ich es wissen mu?te, wenn sich eine Frau hier aufhielte.«
»Aber wurdest du es auch wissen, wenn es ein Schatten ware, ein Bild aus der Anderen Welt?« erkundigte sich Eadulf.
Bruder Higbald schuttelte entschieden den Kopf. »Du glaubst nicht an solche Sachen, mein Freund, und ich auch nicht.«
»Unglucklicherweise glauben aber dein Abt und viele deiner Bruder daran.«
»Ich wei?, das ist ein Problem. Ich bin ubrigens gerade auf dem Weg zu Schwester Fidelma, um zu sehen, wie es ihr geht. Darf ich dich begleiten?«
»Sie hat hohes Fieber«, sagte Eadulf, wahrend sie den Gang entlangschritten.
Bruder Higbald schien das nicht zu beunruhigen.
»Das ist meistens so bei solchen Fieberanfallen. Das Fieber stellt sich ein und mu? auf naturlichem Wege wieder fallen, wenn wir auch etwas mit Arzneien nachhelfen konnen. Gewohnlich uberschreitet das Fieber seinen Hohepunkt in den fruhen Morgenstunden. Wir konnen nichts weiter tun als abwarten.« Higbald schwieg und sah Eadulf an. »Wohin bist du denn heute vormittag verschwunden?«
»Ich ritt hinter Abt Cild und seinem Trupp her«, antwortete Eadulf. »Ich habe sie nicht erreicht, aber dafur stie? ich auf den Bruder des Abts.«
Bruder Higbald verhielt den Schritt und starrte Eadulf an.
»Du hast Aldhere getroffen und mit ihm gesprochen?«
Eadulf nickte. »Ein interessanter Mann. Er ist nicht ganz so, wie ihn der Abt beschreibt. Da gibt es an- scheinend ein paar unterschwellige Tendenzen. Wenn es nach mir ginge, wurde ich die Sache vom Oberhofmeister des Konigs untersuchen lassen.«
Bruder Higbald ging weiter und Eadulf mit ihm.
»Ich versuche, Bruderzwist zu vermeiden. Ist dir bekannt, wohin Abt Cilds Anklage gegen Schwester Fidelma fuhren kann?«
Eadulf nickte grimmig.
»Darf ich dir einen Rat geben?« fragte Bruder Hig-bald.
Eadulf warf ihm einen forschenden Blick zu. »Einen Rat?«
»Sobald das Fieber deiner Gefahrtin nachla?t, wurde ich an eurer Stelle die Abtei verlassen.«
Eadulf seufzte resigniert. »Ich glaube, genau das hast du mir heute fruh schon geraten.«
»Es ist der beste Rat, den ich dir bieten kann«, antwortete Bruder Higbald. »Ich werde dir einen Weg zeigen, auf dem ihr unbemerkt aus der Abtei gelangen konnt; den meisten der Bruder ist er nicht bekannt. Habt ihr Gluck, konnt ihr Abt Cilds Zorn mit Leichtigkeit entgehen. Ich fur mein Teil mochte nicht unschuldiges Blut an meinen Handen haben.«
Eadulf sah ihn uberrascht an.
»Wenn du solche Vorbehalte gegen deinen Abt hast, warum bleibst du dann hier, Bruder Higbald?«
Der Apotheker lachte trocken.
»Wir alle haben unsere Grunde, weshalb wir unser Leben gerade an einem bestimmten Ort verbringen. Ich habe mich fur diesen hier entschieden.
Meine Grunde haben mit dieser Sache nichts zu tun.«
Eadulf kam plotzlich ein Gedanke.
»Hast du mir nicht heute morgen erzahlt, da? Bruder Botulf den Tod von Lady Gelgeis hatte bezeugen konnen? Ich habe gehort, sie sei eines Abends allein zur Abtei zuruckgekehrt und in ein Moorloch, Hob’s Mire, geraten und darin verschwunden. Niemand habe die Leiche gesehen. Woher wei?t du dann, da? Botulf ihren Tod bezeugen konnte?«
Bruder Higbald schwieg wieder, schlie?lich wandte er sich stirnrunzelnd zu Eadulf um.
»Ich habe nie gehort, da? sie allein gewesen sei, als sie ums Leben kam«, erwiderte er zogernd. »Ich meine sogar, Bruder Botulf hat mir die Geschichte selbst erzahlt.«
»Berichte mir, was Botulf genau gesagt hat. Kannst du dich daran erinnern?«
Bruder Higbald uberlegte einen Moment.
»Das war vor mehreren Monaten. Irgendwie, ich wei? nicht mehr, wodurch, kamen wir auf die Frau des Abts zu sprechen. Bruder Botulf sagte ... Ach, er habe die Lady im Stich gelassen. Er sei schuld an ihrem Tod. Irgendwas in der Art. Doch, jetzt fallt es mir ein! Botulf sagte, er habe darin versagt, Gelgeis vor dem Unheil zu schutzen, das ihr hier begegnet sei. Da? ihr Gesicht im Tode ihn verfolge. Dann . Das war alles. Er brach das Gesprach plotzlich ab.«
Eadulf schwieg und dachte uber das Gehorte nach.
Er fand nichts Greifbares darin, aber viel Stoff fur Vermutungen. Er seufzte leise.
Sie erreichten das Gastezimmer, vor dem der stammige Bruder noch immer Wache stand.
Bruder Higbald begru?te ihn spottisch.
»Wie geht’s deiner Gefangenen, Bruder Beornwulf? Hat sie versucht zu entkommen und dich mit den Kraften des Bosen zu uberwaltigen?«
Der stumme Bruder Beornwulf trat von einem Fu? auf den anderen und sah den scherzenden Apotheker finster an.
»Ich wei?, ich wei?«, sagte Bruder Higbald besanftigend und tatschelte ihm den Arm. »Du tust nur, was man dir befohlen hat. Der Abt hat dir befohlen, hier zu stehen, deshalb stehst du hier, bis er dir sagt, du kannst gehen.«
