»Das wu?te er.«
»Sonst wurde nichts weiter besprochen?«
»Er erwahnte, da? ein Freund von ihm in Canterbury sei, der sich in den Gesetzen unserer beiden Volker auskenne. Er wollte diesen Freund in die Abtei holen.«
Eadulfs Schultern erschlafften. »Das bin ich. Ich erhielt eine Botschaft von ihm, in der er mich bat, vor jenem Zeitpunkt in der Abtei zu sein. Schwester Fidelma und ich kamen auch rechtzeitig an, aber da war Botulf schon erschlagen worden.«
»Hat Botulf dir noch andere Einzelheiten uber den Tod Gelgeis’ mitgeteilt?« fragte Fidelma.
Bruder Laisre schuttelte den Kopf.
»Was mich beunruhigt«, meinte Eadulf sinnend, »und ich sage das in aller Offenheit, ist der Mangel einer gesetzlichen Grundlage fur eine Anklage gegen Cild. Verdacht liefert noch keine Tatsachen.«
Garb drehte sich zornig zu Eadulf um.
»Willst du Cild verteidigen?«
»Denk daran, ich war der Freund, den Botulf herbeiholte. Ich suche das, was wir alle suchen sollten, und das ist die Wahrheit. Soviel ich feststellen kann, haben wir nur einen Verdacht. Wir vermuten, da? Lady Gelgeis eines unnaturlichen Todes gestorben ist. Wir vermuten, da? ihr Ehemann Cild diesen Tod herbeigefuhrt hat. Aber bisher habe ich keine Beweise gesehen, nur Geruchte gehort. Der
Bruder Laisre starrte Eadulf entgeistert an.
»Cilds Ruf eilt ihm voraus. Er ist bose. Er ist verantwortlich dafur, da? viele umgebracht wurden .«
»Sein Ruf macht einen Menschen noch nicht schuldig. Und die Tatsache, da? man wei?, er hat andere Menschen im Namen seiner Religion toten lassen, spricht ihn noch nicht schuldig am Tod von Gelgeis.«
Fidelma sah den Zorn in ihren Gesichtern und schaltete sich rasch ein.
»So schmerzlich es fur euch auch sein mag, die ihr an Cilds Schuld glaubt, so hat mein Gefahrte doch recht. Ein Glaube ist noch kein Beweis vor dem Gesetz.«
»Cilds Ruf ist ganz schwarz. Gilt denn der alte Spruch nicht mehr, da? jede Farbe Schwarz annimmt, Schwarz aber keine Farbe annimmt?«
»Mit anderen Worten, der Kuh mit den langsten Hornern wirft man immer vor, da? sie sto?t?« meinte Eadulf spottisch.
»Wirklich«, seufzte Fidelma, »ihr verfolgt einen bitteren Weg der Rache.«
»Manchmal,
»Ware es nicht besser, genauer zu wissen, was mit deiner Schwester geschehen ist, bevor ihr diesen Weg beschreitet?« mahnte Fidelma. »So wie wir auch herausfinden mussen, was mit Botulf geschah?«
»Wir wissen, wessen Hand sowohl Gelgeis als auch Botulf den Tod brachte«, erwiderte Garb fest.
Fidelma blickte Eadulf an und schuttelte warnend den Kopf. Es war zwecklos, weiter von Beweisen zu sprechen mit Leuten, die auf Rache erpicht waren.
»Bruder Botulf war ein freundlicher und hochherziger Mensch«, sagte Bruder Laisre. »An ihm hatten wir einen guten Verbundeten gehabt. Ich hatte schon erfahren, da? Botulf in der Abtei war, weil Konig Ealdwulf das zur Strafe fur ihn verfugt hatte, und da? zwischen ihm und Cild kein gutes Verhaltnis bestand. Ich vertraute Botulf. Ich furchte, da? seine Verbindung mit uns zu seinem Tode gefuhrt hat.«
»Der Abt mu? das herausgefunden und ihn umgebracht haben, so wie er andere umgebracht hat«, fugte Garb hinzu. »Das Bose geht mit ihm und ist in ihm, und dafur mu? er bu?en.«
»Gut gesprochen, mein Sohn«, sagte eine unbekannte Stimme, ruhig und fest. »Aber es mu? im Rahmen des Gesetzes getan werden.«
Alle wandten sich zur Tur.
Dort stand ein alterer Mann. Sein Gesicht ahnelte dem von Garb. Er war hochgewachsen, mit straffen Zugen trotz seines fortgeschrittenen Alters. Ein silberner Stirnreif auf seinem dichten wei?en Haar bezeugte seinen hohen Rang. Seine Augen waren von tiefem Blau. Sein Mund war schmal, doch fest. Die tiefen Linien, die sein Gesicht durchzogen, zeugten von Kummer und Leid. Er war furstlich gekleidet.
Man konnte in ihm muhelos den Fursten Gadra von Maigh Eo erkennen.
Alle erhoben sich respektvoll, als er hereinkam und am Tisch Platz nahm.
»Es sind Fremde unter uns, Bruder Laisre. Vielleicht bist du so gut und stellst mir deine Gaste vor?«
Bruder Laisre neigte den Kopf.
»Dies ist Bruder Eadulf, Abgesandter des Erzbischofs Theodor von Canterbury, und mit ihm reist Fidelma von Cashel.«
Die Miene des alten Fursten verriet, da? er diesen Namen kannte.
»Fidelma, die Schwester des Konigs Colgu von Cashel? Dein Ruf als
»Vater« - Garb rausperte sich unsicher -, »Schwester Fidelma ist bereits mit dem vertraut, was du unternehmen willst.«
Der Alte neigte den Kopf.
»Das ist gut. Ich mochte nicht in einem fremden Land sterben, ohne da? mein Name uberliefert und mein Schicksal bekannt wird, doch ich furchte, so wird es kommen. Ja, das furchte ich.«
Eadulf schuttelte langsam den Kopf. Er hatte gedacht, da? er dieses Volk im wesentlichen kannte und verstand. Aber in solchen Augenblicken wurde ihm klar, da? es einer ganz anderen Kultur angehorte. Der Begriff des
»Bist du wirklich zu diesem Weg entschlossen, Ga-dra?« fragte Fidelma leise. »Gibt es keine anderen Moglichkeiten, zur Wahrheit zu gelangen, als das
Gadra lachelte heiter. »Das Ritual begann, als meine Absicht verkundet wurde. Die Worte sind aus dem Mund meines Sohnes gekommen und konnen nicht dahin zuruckkehren.«
Garb nickte langsam. »Wenn mein Vater wahrend des
»Die Leute in diesem Land werden darin keine Gerechtigkeit sehen«, erklarte Eadulf.
»Aber die Leute in meinem Land«, erwiderte Garb gleichmutig.
»Ich mochte dennoch die Wahrheit auf eine andere Weise herausbekommen«, beharrte Eadulf.
Der alte Furst schaute ihn mit funkelnden Augen an.
»Daran kann dich niemand hindern. Du kannst auf deine Weise vorgehen, aber versuch nicht, mich daran zu hindern, meinen Weg zu gehen.«
Fidelma nickte ernst. »Niemand wird das tun, Ga-dra.« Sie warf Eadulf einen warnenden Blick zu und fuhr fort. »Was nun das Herausfinden der Wahrheit auf andere Weise angeht, so liegt die Schwierigkeit darin, da? alle Zeugen fur das tatsachliche Schicksal Gelgeis’ tot sind.«
»Mit Ausnahme eben des Mannes, der sie getotet hat. Moge ihr Schatten ihn bis ins Grab verfolgen«, grollte Garb.
Eadulf fuhr auf, seine Augen weiteten sich.
»Verfolgen?« rief er. »Wie kommst du darauf?«
Garb lachte auf.
»Erzahl mir nicht, da? dein Volk sich vor Geistern aus der anderen Welt furchtet. Wenn das so ist, dann moge es dem Abt auch so gehen. Mich soll’s freuen, wenn er aus Furcht vor den Schatten zweimal in jede Ecke seines Zimmers guckt oder in jeden dunklen Gang, den er passieren mu?.«
Fidelma schuttelte den Kopf so leicht, da? es au?er Eadulf niemand bemerkte. Sie stand auf und reckte sich mi?mutig.
»Ich furchte, ich mu? um eure Nachsicht bitten.« Sie lachelte die Versammelten an. »Ich hatte gern ein Bett
