Mann. »Damals war ich sicher, es ware Gelgeis. Doch es war Abend, und das Zimmer war dunkel. Ich mu? mich getauscht haben.«

Sigeric lehnte sich zuruck und rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Fassen wir einmal zusammen. Was haben wir festgestellt? Dieses Madchen, das eine oberflachliche Ahnlichkeit mit Gelgeis, der Frau des Abts, hat, wurde zu verschiedenen Zeiten in der Abtei gesehen. Abt Cild verlor mehr und mehr den Verstand und glaubte, er werde von einem Geist verfolgt. In seinem Wahn hat er das Madchen getotet?«

Aldhere rief frohlich dazwischen: »Aber da nun Cild tot ist und die Abtei diesen fremden Fursten bezahlen mu?, damit es nicht zum Krieg kommt, hat die Geschichte doch damit ein Ende. Was gibt es denn noch zu klaren?«

»Zum Beispiel die ublen Taten Higbalds«, antwortete Sigeric. »Wir haben gehort, da? er Gewalttaten und Blutvergie?en in diesem Land hervorrufen wollte.«

»Er war fur viele Morde verantwortlich, die man Abt Cild zur Last legte«, stimmte ihm Fidelma zu.

»Was?« Gadras Sohn fuhr auf. Er hatte gerade erst von seinem Vater erfahren, was sich wahrend seiner Abwesenheit zugetragen hatte. »Du willst doch wohl nicht sagen, da? es dieser Higbald und nicht Cild war, der meine Schwester Gelgeis ermordete?«

Fidelma schuttelte traurig den Kopf.

»Das behaupte ich nicht, Garb. Cild war fur mehrere Tode verantwortlich, wie etwa den von Bruder Pol und mancher anderer Bruder und sogar Schwestern, die der Regel Columbans folgten. Zuerst vermutete ich, Cild habe auch den Tod Bruder Botulfs auf dem Gewissen. Botulf wu?te von Gadras beabsichtigtem troscud. Er war der Verbindungsmann, nachdem Bruder Pol getotet worden war, und wu?te daher, wann Garb in die Abtei kommen wurde, kannte den Tag und die Stunde, wann er das troscud verkunden wurde. Deshalb hatte er die Botschaft an Bruder Eadulf nach Canterbury gesandt und ihn gebeten, noch vor diesem Zeitpunkt in der Abtei zu sein.«

»Er hatte gehofft, ich konnte ihn und die Abtei uber die Gesetze des troscud aufklaren«, fugte Eadulf unnotigerweise hinzu.

»Doch es war nicht die bevorstehende Verkundung des troscud und auch nicht Botulfs Verbindung zu Garb, die zu seinem Tod fuhrten«, fuhr Fidelma fort.

»Botulf hatte den Verdacht gefa?t, da? Higbald nicht das war, was er zu sein vorgab. An dem Abend, bevor wir in der Abtei eintrafen, entdeckte Botulf den Ort, an dem Higbald und seine Manner ihre Waffen versteckt hielten. Er wurde dabei von Higbald oder einem seiner Manner uberrascht und erschlagen, und seine Leiche wurde in den Hof vor der Kapelle geschafft.«

»Woher wei?t du das?« fragte Sigeric. »Hast du einen Zeugen dafur?«

»Nein«, erwiderte Fidelma. »Aber es gibt zwei Beweisstucke. Erstens fand Eadulf ein Schriftstuck von Botulfs eigener Hand.«

Sie winkte ihm, es vorzuzeigen.

Eadulf hielt das Papier hoch, das er in der Zelle seines Freundes gefunden hatte. Es war in einer Buchtasche verborgen gewesen.

»Ich bin sicher, Bruder Willibrod erinnert sich daran, da? ich die Buchtasche durchsuchte«, sagte er. »Und er wird auch die Handschrift Bruder Botulfs erkennen.«

»Mit seinen verschlusselten Aufzeichnungen verrat uns Botulf mehreres«, erklarte Fidelma. »In dem letzten Text, einem Zitat aus den Spruchen Salomos, berichtet er, da? Bretta’s Sohn wahnsinnig wird. Es war Cild, den er meinte. Uberdies deutet er an, da? er auf Eadulfs Ankunft wartet.«

Eadulf ubergab Sigeric die Papiere.

Sigeric las das Latein so flussig, da? Fidelma uberrascht war. Sie hatte nicht gedacht, da? ein Heide diese Sprache so gut beherrschte.

»So Gott will, wird mein Freund bald hier sein.« Sigeric runzelte die Stirn. »Das bezieht sich auf Eadulf?«

Eadulf nickte. Sigeric fuhr fort: »Steht nicht geschrieben, da? Gnade die Stutze der Gerechtigkeit ist? So ist es nicht bei dem Mann aus Mercia. Wir werden vernichtet vom Volk . « Sigeric stockte. »Wie hangt das mit unserem Fall zusammen?«

»Eadulf und ich standen auch vor einem Ratsel, weil die Aufzeichnung verschlusselt ist«, antwortete Fidelma. »Wir dachten, es hie?e >Volk aus dem Moorlands Das konnten doch nur Aldheres Geachtete sein? Aber das meinte Botulf nicht. Wir hatten ihn falsch verstanden. Er schrieb: >Wir werden vernichtet von dem Volk aus der Mark.< Aus dem Grenzland - und wer ist das?«

Sigeric hob die Augenbrauen.

»Nicht Moor, sondern Mark, und das bedeutet Mercia«, sagte er langsam.

»Allerdings«, erwiderte Fidelma lachelnd. »Was schreibt er, Eadulf?«

»Es steht geschrieben, da? Gnade die Stutze der Gerechtigkeit ist, aber nicht bei Higbald, einem Mann aus Mercia.«

»Davor hatte Botulf angedeutet, da? der au?ere Anschein nicht den Tatsachen entsprach, da? Higbald ebensowenig ein Monch war wie Aldhere ein Heiliger.«

»Wenn Higbald gefangen wird, dann wird er danach genau befragt werden«, sagte Sigeric. »Aber du erwahntest noch weitere Beweise?«

Fidelma nickte.

»Ich sagte, da? Botulf in der unterirdischen Kammer erschlagen wurde, in der Higbald und seine Manner ihre Waffen aufbewahrten. Es gibt eine Spur von Blutflecken, die von dort zur Krypta fuhrt. Dort entdeckten Eadulf und ich auch Botulfs Tasche. Sie war von seinem Gurtel abgerissen worden, als er getotet wurde oder als man seine Leiche dorthin brachte, wo sie spater gefunden wurde.«

»Also ist Higbalds Verschworung aufgedeckt, aber sie hat nichts mit dem Streit zwischen Abt Cild und seinem Bruder Aldhere zu tun?« fragte Sigeric.

»Nur insofern, als er sie gegeneinander ausspielen konnte«, bestatigte Fidelma.

Gadra hatte sich erhoben und verriet seine Ungeduld.

»All das beruhrt mich nicht. Noch einmal fordere ich die Leute dieser Abtei auf, mich fur den Mord an meiner Tochter zu entschadigen - getotet durch die Hand ihres Abts. Ohne diese Genugtuung beginnt das troscud zur vorgesehenen Zeit, und fur alles, was daraus entsteht, ist jeder der hier Anwesenden verantwortlich.«

Er wandte sich zur Tur. Garb und seine Gefolgsleute schickten sich an, mit ihm fortzugehen.

»Warte, Gadra von Maigh Eo!« rief Fidelma.

Ihr scharfer Befehlston veranla?te den alten Fursten, sich mit finsterer Miene umzudrehen.

»Ich wollte dies vermeiden, Gadra, aber deine Hartnackigkeit zwingt mich, so zu handeln.«

Fidelmas Worte fesselten die Aufmerksamkeit der Iren. Erwartungsvoll drehten sie sich zu ihr um.

»Du hattest recht, Gadra, als du sagtest, deine Tochter Gelgeis habe einen Fehler begangen, als sie Maigh Eo mit Cild verlie?. Sie sah diesen Fehler bald selbst ein, und wie du sagtest, schrieb sie es dir auch. Sie war jung, lebte in einem fremden Land, und ihr Ehemann behandelte sie schlecht. Das alles wu?test du.«

»Ich bin froh, da? du darin meinem Wort glaubst, Fidelma«, erwiderte Gadra ernst, doch sichtlich ohne eine Ahnung, worauf Fidelma hinauswollte.

»Es hie?, Gelgeis sei in Hob’s Mire umgekommen, wo Cild sich jetzt selbst das Leben genommen hat. Cild war wahrscheinlich von Kindheit an geistig gestort. Das, so sagte ich, konnen wir auf das Wort seines Bruders Aldhere hin annehmen.«

Der Geachtete lachelte mit schmalem Mund und deutete eine spottische Verbeugung in ihre Richtung an.

»Wie ich ebenfalls schon sagte, wurde eine Frau in der Abtei beobachtet. Sie ahnelte Gelgeis. Ihre Erscheinung verfolgte Abt Cild. Dann gab es das Schlachtopfer einer schwarzen Katze auf dem Hochaltar, das ihn auch an ein Ereignis in seiner irren Jugend erinnerte. Dieser Geist verfolgte ihn, bis er ihn vollig in den Wahnsinn trieb, mit dem Ergebnis, da? er Lioba totete und sich dann das Leben nahm.«

»Wir haben gehort, da? Lioba in der Abtei umging«, bestatigte Sigeric. »Also bestand dieser Geist aus Fleisch und Blut?«

»Allerdings. Das angebliche Gespenst haben mehrere Zeugen gesehen, auch ich. Als ich gestern vormittag

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