„Jedenfalls trocknet das Zeug nicht aus“, fuhr Nancy fort, „und wenn Fagin uns finden will, braucht er sich nur an das Ufer zu halten. Vielleicht kann er sich sogar darin bewegen, damit die Hohlenbewohner seine Spur verlieren.“ Die anderen nickten beifallig, und Nick au?erte sich ebenfalls zustimmend.

„Einverstanden“, sagte er. „Wenn niemand einen besseren Vorschlag machen kann, ziehen wir uns an das Meer zuruck. Uber die beste Stelle mussen wir uns einigen, wenn wir erst einmal dort sind; die Karten sind bereits zwei Jahre alt, und ich glaube nicht, da? sie noch zuverlassig genug sind.

Wir mussen uns aber auch uberlegen, wie wir dorthin marschieren konnen, was wir mitnehmen wollen und was zuruckbleiben mu?. Naturlich laden wir den Karren voll, aber ich mochte wetten, da? wir auf Gelande sto?en, in dem wir ihn nicht mehr bewegen konnen. Jedenfalls mussen wir uns damit abfinden, da? viel zuruckbleibt.

Dann bleibt noch das Problem, wie wir uns mit Fagin in Verbindung setzen. Daruber konnen wir uns Sorgen machen, wenn wir unser Ziel erreicht haben; vorher sind solche Uberlegungen zwecklos.

Ich hoffe, da? wir schon morgen fruh aufbrechen konnen; deshalb mussen wir uns in der Zwischenzeit mit dem zweiten Problem beschaftigen. Wenn jemand eine gute Idee hat, kann er jederzeit damit zu mir kommen.“ Die Gruppe ging auseinander, als jeder die Aufgabe in Angriff nahm, der er sich gewachsen fuhlte.

Jim und Nancy, die sich wieder vollig erholt hatten, huteten die Herde. Seitdem sie ihre Arbeit aufgenommen hatten, war kein Tier mehr verlorengegangen. Dorothy stand neben dem Karren und versuchte alles aufzuladen, was die anderen heranschleppten.

Trotz aller Muhe konnte sie nicht alles unterbringen und mu?te die anderen muhsam davon uberzeugen, da? nicht jeder alles mitnehmen konnte, was er fur wertvoll hielt.

Der Streit daruber dauerte noch an, als die Gruppe abmarschierte. Nick begann eine gewisse Sympathie fur Swift zu empfinden; er hatte entdeckt, da? jede Gruppe einen Fuhrer brauchte, und da? dieser Fuhrer sich nicht immer nach den Wunschen der anderen richten konnte. Nick hatte selbst einige Befehle erteilen mussen und befurchtete jetzt, da? seine Freunde ihn bereits mit Swift verglichen.

Der Karren war vollig uberladen, so da? alle — bis auf die beiden Viehtreiber — daran ziehen und schieben mu?ten. Wenn ein Raubtier auftauchte, lie? die Gruppe den Karren stehen und griff zu den Waffen.

Allerdings war das kaum notwendig, denn die meisten Tiere waren vorsichtig genug, um einer so gro?en Gruppe auszuweichen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel bildeten die Schweber, die ohnehin mehr Pflanzen als Tiere waren. Ihr Angriff war nicht uberma?ig gefahrlich, wenn man einen Speer zur Verfugung hatte, der langer als die Fangarme war, mit denen sie ihre Opfer zu umschlingen versuchten.

Nicks Pessimismus erwies sich als voreilig, denn sie legten den ganzen Weg bis zum Meer mit dem Karren zuruck. Am Nachmittag des zweiten Tages erreichten sie ihr Ziel, nachdem sie zuvor an immer gro?eren Teichen vorubergezogen waren, die mit einer oligen Flussigkeit gefullt waren.

Selbstverstandlich hatten sie solche Teiche bereits fruher gesehen; in ihrem eigenen Tal entstanden welche gegen Abend — Locher, in denen nach Sonnenaufgang Wasser stand, die aber gegen Mittag nur Schwefelsaurepfutzen waren. Diese Teiche hier waren jedoch gro?er und schienen sehr viel tiefer zu sein.

Auch der Boden unter ihren Fu?en hatte sich verandert; der Pflanzenwuchs war so reichlich wie uberall, aber unterhalb der Stengel lagen Quarzkristalle.

Das Vieh kam weiterhin gut voran, aber die Fu?e seiner Besitzer waren wesentlich empfindlicher, so da? das Marschtempo sich verringerte.

Die Suche nach einem geeigneten Aufenthaltsort dauerte deshalb weniger lange und wurde vielleicht weniger sorgfaltig als sonst vorgenommen. Die Gruppe einigte sich rasch auf eine Halbinsel, die aus einem Hugelrucken bestand, der etwa funfzehn Meter uber die Wasseroberflache emporragte. Nick war nicht der einzige, der dabei auch an die guten Verteidigungsmoglichkeiten dachte, die eine Halbinsel bot.

Sie trieben das Vieh in die entsprechende Richtung, zerrten den Karren hinuber und begannen sofort mit der Suche nach Holz. Bei Einbruch der Dunkelheit hatten sie bereits einen ziemlich gro?en Sto? gesammelt und konnten sich zufrieden ausruhen. Nachdem sie die Feuer angezundet und eines der Tiere zum Abendessen verzehrt hatten, lie?en sie sich zur Nachtruhe nieder. Erst als die ersten Tropfen fielen, uberlegten sie, wie hoch der Wasserspiegel nachts steigen mochte.

5

Aminadabarlee starrte den Bildschirm schweigend an. Raeker empfand ein gewisses Mitgefuhl, obwohl der andere gerade unbeherrschte Drohungen ausgesto?en hatte. Er uberlegte sich, da? er unter diesen Umstanden vermutlich nicht viel anders reagiert hatte. Solange allerdings noch Hoffnung bestand, war Mitleid fehl am Platz; jetzt mu?te er vor allem handeln.

„Wellenbach! Wie lautet das Kodesignal fur den Bathyskaphen?“ erkundigte er sich hastig.

Der Nachrichtenoffizier kam heran und griff nach der Wahlscheibe. „Ich stelle die Verbindung fur Sie her, Doktor.“

Raeker stie? seine Hand beiseite. „Augenblick. Wie sieht der Apparat am anderen Ende aus? Ein ganz normaler Handapparat — oder ist er in das Instrumentenbrett eingebaut?“

„Ganz normal. Warum fragen Sie danach?“

„Weil namlich sonst passieren konnte, da? die Kinder die Luftschleuse offnen oder etwas anderes anstellen, wahrend sie das Rufzeichen zu beantworten versuchen. Wenn der Apparat sich nicht von den sonst ublichen unterscheidet, kann das Madchen den Anruf gefahrlos beantworten.“

„Richtig. Sie mu?te ohne weiteres dazu in der Lage sein; ich habe selbst gesehen, da? sie mit diesen Apparaten umgehen kann.“

„Gut, stellen Sie die Verbindung her.“ Raeker versuchte gelassen zu erscheinen, wahrend der Offizier die Wahlscheibe drehte. Vorlaufig stand noch nicht einmal fest, was uberhaupt geschehen war; irgend etwas hatte die Verbindung zwischen der Pinasse und dem Bathyskaphen zerstort, aber das mu?te sich nicht unbedingt auf den Bathyskaphen ausgewirkt haben. Sonst waren die Kinder vermutlich bereits tot — obwohl die Moglichkeit bestand, da? sie Raumanzuge trugen. Noch blieb eine schwache Hoffnung.

Aminadabarlee hinter ihm glich einer riesigen Statue aus grauem Metall. Raeker wagte nicht daran zu denken, was geschehen wurde, wenn schlechte Nachrichten diese Statue in Bewegung setzten; seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich vollig auf das Schicksal der beiden Kinder. Als der Schirm endlich nach einigen Sekunden aufleuchtete, sah er mit Erleichterung, da? seine schlimmsten Befurchtungen ungerechtfertigt gewesen waren.

Ein menschliches Gesicht wurde sichtbar; schmal, sehr bla? und mit einer Mahne aus roten Haaren. Ein Gesicht, auf dem muhsam beherrschte Angst zu erkennen war — aber ein lebendes Gesicht. Das war wichtiger als alles andere.

Im gleichen Augenblick sturzte eine Gestalt in die Nachrichtenzentrale und blieb schweratmend hinter dem bewegungslosen Drommianer stehen.

„Easy! Ist bei dir alles in Ordnung?“ Raeker brauchte sich nicht erst umzudrehen, um festzustellen, da? Councillor Rich hinter ihm stand. Seine Gegenwart schien einen beruhigenden Einflu? auf das Madchen zu haben, denn es versuchte sogar zu lacheln.

„Ja, Dad. Vorher hatte ich ziemliche Angst, aber jetzt furchte ich mich gar nicht mehr. Holst du mich bald?“

Einen Augenblick lang entstand eine gewisse Verwirrung, als Rich, Raeker und der Drommianer gleichzeitig sprechen wollten; dann setzte Aminadabarlees physische Uberlegenheit sich durch, und er streckte seinen schlanken Kopf in die Nahe des Bildschirms.

„Wo ist der andere — mein Sohn?“ fragte er.

Easy antwortete sofort. „Er ist hier; ihm fehlt nichts.“

„Ich will mit ihm sprechen.“ Das Madchen verlie? seinen Platz; die Manner an Bord der Vindemiatrix horten ihre Stimme, konnten aber nicht verstehen, was sie sagte. Als sie wieder auf dem Bildschirm erschien, war ihr Haar in Unordnung, und auf der linken Backe zeichnete sich eine blutende Kratzwunde ab.

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