lassen uns in Ruhe; konzentrieren wir uns lieber auf die Rettung der Kinder. Von jetzt ab lasse ich die Finger aus diesem diplomatischen Pokerspiel.“
„Hoffentlich! Was halten Sie von dem Vorschlag, einen zweiten Bathyskaphen zu bauen?“
„Ich bin kein Ingenieur“, sagte Raeker, „aber ich kann mir trotzdem vorstellen, wie lange der Bau eines zweiten dauern wurde. Ich bin Biologe, und meiner Uberzeugung nach waren beide Kinder langst tot, bevor der Bathyskaph einsatzbereit gemacht werden konnte. Wenn Rich und der Drommianer es damit versuchen wollen, werde ich sie nicht davon abhalten; der Versuch kann nicht schaden, und vielleicht wird die Maschine sogar schneller fertig. Aber ich bin trotzdem der Meinung, da? wir unseren bisherigen Plan weiterhin verfolgen mussen.“
„Hat der Drommianer recht gehabt?“
„Sie meinen, da? wir Nick und seine Gruppe einsetzen wollen, damit sie die Reparatur vornehmen?
Ja. Der Gedanke ist keineswegs so lacherlich, wie Aminadabarlee behauptet hat. Ich habe Nick und die anderen sechzehn Jahre lang ausgebildet; sie sind genauso intelligent wie Menschen und konnen bestimmt ein paar Drahte splei?en.“
Der Wachoffizier runzelte zweifelnd die Stirn.
„Wenn sie nur die
„Sie stellen einen Leim aus Tierschuppen her — ich habe ihnen das Verfahren erklart. Naturlich mussen wir erst feststellen, ob er genugend isoliert, aber deswegen mache ich mir noch keine Sorgen.“
„Obwohl Sie annehmen mussen, da? ein Teil der Korperflussigkeit dieser Eingeborenen aus Schwefelsaure besteht?“
„Keine
„Leider nicht. Die Chancen, da? die beiden nicht mehr als vierzig Kilometer voneinander entfernt sind, stehen etwa funfzig zu funfzig. Au?erdem konnen wir mit neunzigprozentiger Sicherheit behaupten, da? sie nicht weiter als hundert Kilometer entfernt sein durften. Mehr kann ich nicht versprechen, denn unsere Messungen sind zu ungenau, weil die Ortungsmoglichkeiten sehr beschrankt sind.“
„Das ist eben nicht zu andern. Ich mu? mir die Umgebung von Easy beschreiben lassen und sie mit Nicks Karten vergleichen. Wenigstens brauchen wir die Eingeborenen nicht bis an den Bathyskaphen zu fuhren; die Scheinwerfer sind kilometerweit sichtbar.“ Der Offizier nickte, und die beiden Manner starrten schweigend auf den Bildschirm. Falls Easy weiterhin Wache hielt, wie sie versprochen hatte, war sie jedenfalls nicht in dem Kontrollraum. Von Zeit zu Zeit horten die Manner leise Gerausche; vermutlich trieb das Schiff weiter in einer Stromung, aber bisher hatten sich noch keine Veranderungen ergeben, die das Madchen erwahnenswert gefunden hatte.
Raeker doste schlie?lich in seinem Sessel ein. Der Offizier blieb wach, erhielt aber nur die kurze Benachrichtigung, da? Easy jetzt schlief, wahrend Aminadorneldo die Beobachtung ubernahm. Auch er schien nichts Bemerkenswertes zu sehen; der Lautsprecher blieb stumm, nachdem das Madchen sich abgemeldet hatte.
Der Bathyskaph trieb weiter. Gelegentlich blieb er fur Sekunden oder sogar Minuten unbeweglich; aber die Reise fuhrte stets wieder weiter, denn die Stromung ri? ihn uber die Hindernisse hinweg. Easy wachte wieder auf und bereitete eine reichlich fade Mahlzeit zu — so druckte sie sich wenigstens aus.
Aminadorneldo war hoflich genug, alles auf die Synthetiknahrung zu schieben; schlie?lich kann man aus Aminosauren, Fetten und Traubenzucker nicht allzuviel machen, selbst wenn man Vitaminpulver zugibt.
Die lange Nacht auf Tenebra war noch nicht voruber; Raeker nahm wieder seinen Dienst in dem Kontrollraum auf und fuhrte Nick und Fagin bis an eine Stelle, die seiner Meinung nach in der Nahe der Gruppe lag. Eine Nacht auf einem Planeten, dessen Rotationsgeschwindigkeit fast hundert Stunden fur eine Drehung um die eigene Achse erfordert, kann ziemlich langweilig sein. Allerdings brauchte sie es nicht zu sein, uberlegte Raeker, als er sich an die Nacht erinnerte, in der Swift das Dorf uberfallen hatte.
Nach Tagesanbruch schien eine Besserung in Sicht — aber jetzt war Raeker bereits wieder schlafrig. Nick erkannte die Gegend wieder, in der er sich im Augenblick mit Fagin befand, und behauptete zuversichtlich, da? sie innerhalb der nachsten beiden Stunden auf den Rest der Gruppe sto?en wurden. Raekers Ablosung meldete sich und mu?te genauestens eingewiesen werden. Aus der Nachrichtenzentrale kam die Mitteilung, da? der Bathyskaph sich nicht mehr bewegte.
„Richten Sie bitte Leutnant Wellenbach aus, da? er nach Moglichkeit hier einen Bildschirm installieren lassen mochte, der mit der Zentrale verbunden ist“, sagte Raeker zu der Ordonnanz, die die Nachricht gebracht hatte. „Ich hoffe, da? ich mich schon bald mit dem Bathyskaphen und meinen Schulern unterhalten mu?.“
„Selbstverstandlich, Sir“, antwortete die Ordonnanz. „Das la?t sich bestimmt ohne weiteres machen.“
„Ausgezeichnet. Ich gehe jetzt in die Zentrale, hore mir Easys Bericht an und komme wieder zuruck, wenn der Bildschirm installiert ist.“
„Sie sollten lieber schlafen, Doktor“, mahnte der Mann, der ihn abgelost hatte.
„Eigentlich schon, aber vorlaufig habe ich keine Zeit dazu. Sie machen auch nach meiner Ruckkehr Dienst und schreiten sofort ein, wenn ich irgendwelchen Blodsinn anstelle.“
„Wird gemacht.“ Der andere zuckte mit den Schultern. Raeker wu?te, da? er unvernunftig war, aber vorlaufig wurde er ohnehin nicht schlafen konnen. Er ging in die Nachrichtenzentrale.
Rich und Aminadabarlee waren ebenfalls dort. Der Diplomat hatte den Drommianer offenbar beruhigt, denn Raekers Erscheinen verursachte keinen neuen Wutanfall. Easy sprach, als der Biologe den Raum betrat.
„… Minuten, seit wir uns zuletzt bewegt haben.
Drau?en ist es nicht heller geworden, aber unterdessen mu? es Tag geworden sein, wenn ich richtig mitgerechnet habe. Wahrscheinlich hat die Stromung nachgelassen, weil das Wasser bereits verdampft.“
Sie machte eine Pause, und Raeker sprach sie an.
„Easy, haben Sie oder ›Mina‹ irgendwelche Tiere im Wasser beobachtet?“
„Nein, nur Pflanzen — oder was uns wie Pflanzen erschien.“
„Wie steht es jetzt damit?“
„Noch immer nichts.“
„Dann haben Sie meiner Auffassung nach das Meer noch nicht erreicht. Dort gibt es namlich Tiere, von denen Nick berichtet hat. Andererseits besteht die Moglichkeit, da? sie wegen der Scheinwerfer nicht zu nahe kommen. Konnen Sie die Lampen funf Minuten lang ausmachen und sie dann plotzlich wieder einschalten? Vielleicht ist dann etwas zu sehen.“
„Einverstanden, solange ich die Innenbeleuchtung nicht ausschalten mu?. Hier sind ohnehin keine Bullaugen, so da? der Lichtschein nicht nach au?en dringen kann. Ich mochte die Beleuchtung nicht gern ausschalten, weil ich dann in der Dunkelheit den falschen Schalter betatigen konnte.“
„Sie haben recht; daran hatte ich nie gedacht.“
„Ich habe in den vergangenen drei Wochen uber vieles nachgedacht.“
Einen Augenblick lang erkannten die Manner hinter der zuversichtlichen Maske, die Easy fur ›Mina‹ aufgesetzt hatte, die nervose, erschrockene Zwolfjahrige, deren Selbstbeherrschung bis an die Grenze des Moglichen beansprucht worden war. Rich bi? sich auf die Unterlippe und ballte die Fauste; die anderen Manner sahen nicht zu ihm hinuber. Aminadabarlee lie? keine Gefuhle erkennen; Raeker fragte sich, ob er uberhaupt welche empfand. Dann wandte das Madchen sich wieder in ihrer ublichen Art an den jungen Drommianer.
„Gehst du bitte an das Bullauge im Arbeitsraum,
›Mina‹? Wenn du dort bist, rufst du, damit ich die Scheinwerfer ausschalten kann.“
„Sofort, Easy.“ Sekunden spater meldete ›Mina‹ sich aus dem Nebenraum. Das Madchen betatigte nacheinander die Lichtschalter.
„Ist es drau?en jetzt dunkel?“
„Ja, Easy. Ich kann nichts erkennen.“
„Ich wei?, aber die Scheinwerfer mussen langere Zeit ausgeschaltet bleiben. Doktor Raeker, ist ›Minas‹ Vater bei Ihnen?“
„Ja, Mi? Rich.“ Aminadabarlee antwortete selbst.