„Das Vergnugen ist ganz auf meiner Seite. Wenn Sie einen Augenblick warten, kommt ein Mann, der Ihnen die Vindemiatrix zeigt — falls Sie nicht lieber hierbleiben und die Ereignisse auf Tenebra verfolgen wollen.“

„Danke, aber ich mochte lieber das Schiff besichtigen.“

Raeker nickte und druckte den Rufknopf, um eines der Besatzungsmitglieder in den Beobachtungsraum zu holen. Er fragte sich, was der Junge hier zu suchen hatte, war aber gleichzeitig froh daruber, da? er mehr Interesse fur das Schiff zeigte. Raeker konnte die beiden nicht auseinanderhalten und wu?te, da? es einen schlechten Eindruck machte, wenn er sie miteinander verwechselte.

Vater und Sohn waren vom menschlichen Gesichtspunkt aus Riesen; hatten sie sich auf die Hinterbeine erhoben — was eine unnaturliche Haltung gewesen ware —, hatten sie Raeker um einen guten Meter uberragt. Sie glichen zehnbeinigen Ottern, aber die Schwimmhaute zwischen den Fingern des oberen Beinpaares waren verkummert — das Ergebnis der normalen Evolution bei intelligenten Amphibien, die auf einem Planeten mit einer Schwerkraft lebten, die das Vierfache der irdischen betrug. Beide trugen einen kleinen Behalter auf dem Rucken, aus dem ein dunner Schlauch in den Mundwinkel fuhrte; sie waren an eine Atmosphare gewohnt, die drei?ig Prozent mehr Sauerstoff als die des Schiffes enthielt.

Im Augenblick lagen sie vollig entspannt auf dem Deck und hoben die Kopfe nur dann, wenn sie auf die Bildschirme sehen wollten. Als das Besatzungsmitglied erschien, richtete sich einer der Drommianer auf und folgte ihm hinaus. Raeker stellte fest, da? er auf allen funf Beinpaaren ging, obwohl dies an Bord der Vindemiatrix kaum notwendig erschien. Andererseits bewegten Menschen sich auf dem Mond auch auf zwei Beinen fort, obwohl man dort ebensogut auf einem hupfen konnte. Raeker dachte nicht weiter daruber nach und wandte sich an den anderen Drommianer; gleichzeitig behielt er jedoch die Bildschirme im Auge.

„Sie wollten mehr uber unsere Agenten dort unten horen“, begann er. „Eigentlich gibt es daruber nicht allzuviel zu erzahlen. Die gro?te Schwierigkeit lag darin, uberhaupt erst einmal auf die Oberflache des Planeten zu gelangen. Bei einer Temperatur von einhundertachtzig Grad Celsius und einem Druck von achthundert Atmospharen zersetzen sich alle Metalle.

Wir brauchten ziemlich lange, bis wir eine Maschine konstruiert hatten, die diesen Verhaltnissen entsprach. Schlie?lich gelang es doch; der Roboter ist jetzt bereits sechzehn Erdjahre dort unten. Falls Sie mehr uber die technischen Einzelheiten wissen mochten, mussen Sie sich allerdings an unsere Techniker wenden. Ich selbst bin Biologe und wei? daher nicht allzuviel davon.

Wir schickten die Maschine hinunter, lie?en sie ein Jahr lang verschiedene Untersuchungen ausfuhren und entdeckten schlie?lich die ersten intelligenten Lebewesen. Als wir sahen, da? sie Eier legten, verschafften wir uns einige davon. Unsere Agenten sind aus diesen Eiern ausgekrochen; wir haben sie von der ersten Minute an erzogen. Jetzt wollten wir sie fur unsere Zwecke einsetzen, aber dann kam diese dumme Sache dazwischen.“ Er wies auf den Bildschirm, wo Swift nachdenklich den Roboter zu betrachten schien; vielleicht hatte Nick bei seinem Uberredungsversuch Erfolg.

„Wenn Sie eine Maschine bauen konnen, die dort unten so lange funktioniert, mu?ten Sie doch auch eine konstruieren konnen, in der Sie selbst auf Tenebra landen“, warf der Drommianer ein.

Raeker nickte. „Sie haben vollig recht. Das macht alles noch schlimmer. Wir verfugen bereits uber eine Maschine dieser Art; innerhalb der nachsten Tage wollten wir die erste Landung in der Nahe des Dorfes versuchen.“

„Tatsachlich? Ich konnte mir vorstellen, da? die Konstruktion und der Bau lange Zeit erfordert haben.“

„Das haben sie auch. Das gro?te Problem ist dabei nicht etwa die Landung; der Roboter ist an seinem Fallschirm einwandfrei gelandet. Viel schwieriger ist der Start von Tenebra aus.“

„Weshalb? Die Schwerkraft ist doch nicht einmal so hoch wie auf meinem Heimatplaneten. Jedes Raketentriebwerk mu?te doch genugen.“

„Aber die Dinger funktionieren nicht. Das Triebwerk, dem achthundert Atmospharen Au?endruck nichts anhaben konnen, mu? erst noch erfunden werden. Triebwerke schmelzen einfach — sie explodieren nicht einmal, weil der Druck zu hoch ist.“

Der Drommianer nickte auf uberraschend menschliche Weise.

„Naturlich, das hatte ich nicht berucksichtigt.

Schon auf Ihrem Planeten arbeiten Triebwerke besser als auf meinem. Aber wie haben Sie das Problem gelost? Durch einen vollig neuartigen Reaktor?“

„Nicht etwa durch eine neue Erfindung; die Maschine ist schon seit Jahrhunderten bekannt und wurde auf der Erde zu Tiefseeforschungen benutzt — Bathyskaph ist der richtige Name dafur. Im Grunde genommen ist sie nichts anderes als ein lenkbares Luftschiff. Ich konnte Ihnen die Funktionsweise erklaren, aber vielleicht besichtigen Sie es…“

„Lehrer!“ Selbst Aminadabarlee erkannte Nicks Stimme. Raeker druckte auf den Sprechknopf des Mikrophons.

„Ja, Nick? Was sagte Swift?“

„Er ist nicht auf unseren Vorschlag eingegangen. Er will nichts mit uns, sondern nur mit dir zu tun haben.“

„Hast du ihm erklart, da? ich seine Sprache nicht kann?“

„Ja, aber er meint, da? du sie noch viel schneller als ich lernen mu?test, denn schlie?lich bist du unser Lehrer. Dann braucht er sich nicht auf Leute zu verlassen, denen er nicht trauen kann. Hoffentlich hat er recht. Er will uns im Dorf zurucklassen, aber du sollst ihn begleiten.“

„Am besten stimmst du zu; auf diese Weise habt ihr wenigstens nichts mehr von seinen Leuten zu befurchten. Vielleicht kann ich schon bald eine kleine Uberraschung fur Swift arrangieren. Du kannst ihm sagen, da? ich alles tun werde, was er von mir verlangt. Wahrscheinlich wird er mit seinen Leuten morgen fruh abmarschieren, aber wenn sie langer bleiben wollen, durft ihr sie nicht belastigen. Wenn sie verschwunden sind, bleibt ihr ruhig an Ort und Stelle und wartet, bis ich mich mit euch in Verbindung setze. Vielleicht hort ihr eine Woche lang nichts von mir, aber das ist nicht weiter schlimm.“

Nick erinnerte sich daran, da? Fagin sich auch nachts bewegen konnte, weil der Regen ihn nicht behinderte.

Er glaubte zu wissen, was der Lehrer vorhatte; es war nicht sein Fehler, da? er sich irrte. Das Wort Bathyskaph war in seiner Gegenwart noch nie gefallen.

„Lehrer“, wandte er deshalb sofort ein, „ware es nicht besser, wenn wir einen anderen Treffpunkt vereinbaren wurden? Swift kommt bestimmt sofort wieder hierher.“

„Daruber brauchst du dir keine Sorgen zu machen.

Ihr bleibt einfach in dem Dorf und kummert euch um nichts anderes. Ich setze mich wieder mit euch in Verbindung.“

„Wie du willst, Lehrer.“ Raeker lehnte sich in den Sessel zuruck und nickte langsam.

Der Drommianer mu?te langere Zeit auf der Erde verbracht haben, denn er deutete Raekers Haltung richtig. „Sie machen einen zufriedeneren Eindruck“, stellte er fest. „Haben Sie einen Ausweg gefunden?“

„Hoffentlich“, antwortete Raeker. „Ich hatte den Bathyskaphen ganz vergessen, bis ich ihn Ihnen gegenuber erwahnte; aber als ich endlich wieder daran dachte, wu?te ich, da? das Problem gelost war. Der Roboter kann eben nur auf seinen Ketten rollen, wobei er eine Spur hinterla?t, die verfolgt werden kann.

Aber der Bathyskaph fliegt sozusagen; er kann den Roboter nachts aufnehmen und mit ihm verschwinden. Dann kann Swift von mir aus hundert Jahre nach ihm suchen.“

„Hat Nick denn nicht doch recht? Was geschieht, wenn Swift und seine Leute wieder in dem Dorf erscheinen? Ich finde, da? sie Nicks Vorschlag hatten annehmen sollen.“

„Uns bleibt noch genugend Zeit, nachdem wir den Roboter in Sicherheit gebracht haben. Wenn Nick und die anderen das Dorf vorher verlassen, finden wir sie nicht so leicht wieder, selbst wenn wir einen Treffpunkt vereinbaren. Die Gegend ist nur ungenugend vermessen, und selbst die Teile, die in Karten verzeichnet sind, verandern sich standig.“

„Wirklich? Das klingt eigenartig.“

Вы читаете Botschafter von den Sternen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×