Weniger als eine Minute spater war sie wieder aufgetaucht und glitt mit gewohnter Grazie an Bord. Sie nahm ihr Paddel auf und begann es durchs Wasser zu ziehen.

„Bob, du mu?t dich auf die vordere Strebe hinauslehnen oder dich daraufsetzen. Ich kann nicht direkt auf den Strand zuhalten, und auch so laufen wir genau gegen den Wind. Ein Ausleger ist kein wirklicher Doppelrumpf und sehr leicht; der Wind konnte ihn aus dem Wasser heben. Dein Job ist, darauf zu achten, da? es nicht geschieht. Du machst deine Sache gut, Andre. Mach so weiter.“

Es war jetzt sehr viel schwerer. Auf ihrem Weg zum Riff hatten sie den Wind im Rucken gehabt; jetzt blies er ihnen entgegen und hielt sie auf. Maeta erkannte sofort, da? sie die Drift unterschatzt hatte und wich ein paar Grad westlich ab. Schlie?lich fand sie den Kurs, der sie zur North Beach bringen wurde, doch selbst Andre erkannte, da? sie eine sehr lange Zeit brauchen wurde, um die Insel zu erreichen. Maeta entschied anscheinend, da? es zu lange dauern wurde; wenige Minuten spater lenkte sie das Boot fast genau nach Westen, und sie fuhren von der Insel fort.

„Was hast du vor?“ rief Bob durch das Heulen des Windes.

„Wir schaffen es nicht nach Ell. Andre halt nicht mehr lange durch, und ich werde, auch nicht ewig weitermachen konnen. Ich mochte vor allem dem Riff ausweichen, und dies ist der kurzeste Weg. Du kannst jetzt wieder von der Strebe herunterko mmen.“

„Aber der Wind blast uns auf die offene See!“

„Ich wei?. Aber Insel Acht ist nur etwa funfunddrei?ig Meilen entfernt und der Wind weht direkt auf sie zu, soweit ich das erkennen kann. Wir sollten keine Schwierigkeiten haben, sie zu finden — ich habe einen Kompa? an Bord. Wir konnen sie schon aus gro?er Entfernung sehen; der Kultur-Tank, den sie dort aufgestellt haben, ist ungewohnlich hoch; falls wir also ein wenig vom Kurs abkommen sollten, haben wir reichlich Zeit fur Korrekturen. Das wichtigste ist jetzt, am Riff vorbeizukommen.“

„Und nicht abzusaufen.“

Maeta wies diese Bemerkung mit einem Zuruckwerfen des Kopfes von sich. Sie wu?te, da? sie sich um Wind und Wellen auf offener See keine Sorgen zu machen brauchte, so lange sie das Paddel halten konnte. Das Vertrauen in ihre Kompetenz wurde durch die Arroganz der Jugend vielleicht noch verstarkt, aber sie wu?te genau, was sie tat. Der Fehler, an diesem Tag uberhaupt auf See zu fahren, resultierte daraus, da? sie Faktoren, die nicht mit dem Wetter zusammenhingen, zu viel Gewicht beigemessen hatte, doch wurde sie keine Sekunde zogern, es wieder zu tun, so lange sie einigerma?en sicher sein konnte, die Nachricht zu ubermitteln.

„Wie ist es mit dem Riff bei Insel Acht?“ schrie Bob. „Ich bin noch nie dort gewesen.“

„Ich auch nicht“, war die Antwort, „aber Charlie hat mir gesagt, da? die Passage sich auf dieser Seite befindet und ziemlich breit ist — sogar Tanker benutzen sie; also gibt es da kein Problem. Paddele weiter. Andre, nur noch ein wenig langer; du machst das sehr gut.“

Sie hatte den Kurs etwas in nordlicher Richtung verandert, als sie sich ein Stuck von Ell entfernt hatten. Als sie sicher war, das Riff ein gutes Stuck seitlich von ihrem Kurs zu haben, drehte sie nach Nordwesten ab, so da? sie genau vor dem Wind lagen. Andre durfte jetzt mit dem Paddeln aufhoren, und sie selbst beschrankte sich mehr oder weniger darauf, das Boot auf Kurs zu halten. Sie passierten das Riff von Ell in einem sicheren Abstand von zwei- bis dreihundert Yards, doch Bob kamen die Brecher trotzdem ungemutlich nahe vor.

Dann lag die leere Weite der See vor ihnen. Maeta hatte die Geschwindigkeit des Bootes berechnet, indem sie die Zeit abschatzte, die es brauchte, um von einem markanten Punkt auf dem Riff zu einem anderen zu gelangen. Sie machten etwa sechs Knoten; die Windgeschwindigkeit war naturlich erheblich gro?er, doch bot das flache Auslegerboot ihm nicht genugend Angriffsflache, um den Widerstand des Wassers uberwinden zu konnen. Das bedeutete, da? sie an die sechs Stunden brauchen wurden, um Insel Acht zu erreichen.

Es bestand keinerlei Gefahr, da? einer von ihnen einschlafen konnte. Das Boot schlingerte so stark, da? sie sich fast standig irgendwo festklammern mu?ten, und es wurde so viel Gischt von den Wellenkammen hereingeweht, da? sie immer wieder Wasser aus dem Boot schopfen mu?ten. Doch mit Ausnahme der ersten Minuten des Zweifels war es keine beangstigende Fahrt, nicht einmal fur den Jungen. Naturlich waren Wind und Gischt alles andere als angenehm; Maeta hatte Jeans und Hemd wieder angezogen, obwohl die Kleidung inzwischen vollig durchna?t war, und Andre, der nur Shorts trug, verga? seine Unabha ngigkeit und Gleichgultigkeit so weit, da? er sich an Bob drangte, um sich zu warmen. Der Jager uberlegte, ob er den Korper des Jungen nicht nach der Anwesenheit des nicht mit Sicherheit toten Kriminellen untersuchen sollte, lie? es dann jedoch, weil es ihm nicht sicher genug erschien. Wenn der Junge sich haufig bewegte, besonders aber, wenn er von Bob fortruckte, wahrend der Alien sich teilweise in dem einen und teilweise in dem anderen Korper befand, konnte das zu sehr unerfreulichen Resultaten fu hren. Der Detektiv konnte es sich naturlich leisten, ein paar haarfeine Fuhler zu verlieren, so wie es bei dem Raumschiff geschehen war, doch solche Tastorgane mochten nicht ausreichend sein, um den anderen Alien zu finden. Falls der tatsachlich dort sein sollte, wu?te er naturlich durch die rasche Heilung der Stichwunde im Herzen von der. Gegenwart des Jagers in Bobs Korper, und wurde sich verstecken, zu einer einzigen Masse zusammengeballt, oder zu mehreren kleineren, die in irgendeiner Korperhohle ruhten, anstatt den ganzen Organismus des Jungen zu durchziehen, wie es fur seine Beschutzerpflicht notwendig ware.

Der Jager teilte diese Uberlegungen seinem Gastgeber mit, und Bob gab ihm recht, da? eine direkte Untersuchung unklug war, solange der Junge nicht schlief. Doch Andre schlief nicht ein.

Gegen Mitte des Nachmittags kam der Tank von Insel Acht direkt voraus in Sicht. Es war ein experimentelles Modell, mehr als doppelt so hoch wie die normalen Tanks, die eine Hohe von zwolf bis funfzehn Fu? aufwiesen, und deshalb aus einer weit gro?eren Entfernung sichtbar. Unglucklicherweise hatte das Experiment keinen Erfolg gezeitigt; so war die Anlage nicht in Betrieb, und das kleine Atoll, auf dem sie stand, unbewohnt.

Eine halbe Stunde nach der ersten Sichtung konnten sie die Brandungswellen des Riffes ausmachen.

Anfangs erstreckten sie sich in etwa gleicher Lange nach beiden Seiten des Bugs, ohne jede Lucke.

Selbst Maeta wurde ein wenig nervos — in kurzer Zeit wurde es unmoglich werden, den gischtenden Brechern nach links oder rechts auszuweichen. Das Madchen anderte den Kurs ein wenig und sagte Andre, er solle wieder paddeln. Bob und der Jager, die nichts Konstruktives tun konnten, blickten mit wachsender Unruhe zu der langen Linie der Brecher hinuber, denen sie sich immer rascher zu nahern schienen. Ein gelegentlicher Blick in Maetas Gesicht beruhigte sie ein wenig, doch nicht ganz; ihr Ausdruck lie? sich genauso gut als Konzentration wie auch als Besorgnis deuten.

Die Passage mochte, wie Maetas Bruder es behauptet hatte, fur einen kleinen Tanker ausreichen, doch im Augenblick sah sie verdammt schmal aus.

Sie fuhrte gerade durch das Riff, wu?te das Madchen — man hatte sie fur die Tanker so ausgebaggert, wenn sie nicht von Natur gerade gewesen ware —, doch lag sie unglucklicherweise nicht genau in der Windrichtung. Sowie sie in ihr waren, wurden sie hart nach Steuerbord paddeln mussen, um nicht an den linken Rand der Passage und auf das Riff geweht zu werden. Um ihnen soviel Spielraum wie moglich zu geben, lenkte Maeta das Boot so nahe, wie sie es wagte, an die Brecher an der rechten Seite der Passage heran, als sie in sie hineinfuhren.

Das Riff war flach und gab ihnen keinerlei Windschutz. Es brach zwar die Wellen, doch das war mehr als nur unnutz. Anstatt harmlos unter dem Boot entlangzugleiten und es lediglich ein wenig zu heben, wurde das Wasser jetzt von den Korallenbanken himmelwarts geschleudert und vom Wind zu Gischt verweht. Als das Boot in die Passage einbog, wurden alle drei Menschen an Bord von der Gischt geblendet, und das Boot fullte sich rasch mit Wasser.

„Beide schopfen!“ schrie Maeta. „Um das Paddeln kummere ich mich allein.“

Maeta sah nicht, in welche Richtung sie fuhr, und die einzige Moglichkeit, einigerma?en Kurs zu halten, bestand darin, die Gischt von rechts gegen ihren Rucken klatschen zu lassen. Niemand, dem nur menschliche Sinne zur Verfugung standen, hatte es besser machen konnen.

Sie lie?en die schlimmste Gischtzone hinter sich und fanden sich fast auf der Korallenbank, die die linke Seite der Passage abgrenzte. Maeta versuchte verzweifelt, das Boot noch mehr nach rechts zu bringen, doch ihre Krafte reichten dazu nicht aus.

Sie hatte es trotzdem beinahe geschafft, doch nur ein oder zwei Yards vor der relativen Sicherheit der Lagune wurde das Boot auf eine harte Korallenbank geschleudert.

Der Rumpf uberstand den Schock vielleicht fur ein paar Sekunden, doch die drei menschlichen Insassen wurden nach vorn geschleudert. Bob sturzte auf Andre, Sekunden bevor Maeta auf sie beide geworfen

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