Hal Clement

Unternehmen Merkur

(Hot Planet)

GALAXY 2

HEYNE-BUCH NR. 3044

Genehmigte Taschenbuchausgabe

im Wilhelm Heyne Verlag,

Munchen

Auswahl und Ubersetzung von Walter Ernsting

Printed in Germany 1965

1

Immer noch pfiff der Wind durch die Verstrebungen der Landebeine und Steuerflachen. Es war der gleiche Wind, der die Landung der ALBIREO fast vereitelt und in eine Katastrophe verwandelt hatte.

Schlo?berg kummerte sich nicht um das Heulen des Windes, als er zum funften Deck hinunterstieg. Die standigen Erdsto?e machten ihm schon eher zu schaffen, und er hatte unter diesen Umstanden lieber auf die Benutzung der Treppen und Leitern verzichtet. Aber er war neugierig, wenn auch nicht gerade voller Hoffnung.

„Etwas Interessantes auf den Registrierbandern, Joe?“

Mardikian, der Geophysiker, zuckte mit den Schultern.

„Was erwarten Sie schon hier? Auf einem Planeten, wo auf einer Flache von funfzig Quadratmeilen alle funf Minuten ein Erdbeben stattfindet. Wie Sie wissen, hatten wir uns ein ganzes Programm vorgenommen, aber schon unmittelbar nach der Landung wurde klar, da? wir es niemals wurden durchfuhren konnen.

Allein die kleinen und naturlichen Beben haben fast alle unsere Bander aufgebraucht. Gewi?, zu Hause werden sie etwas damit anfangen konnen, weil ihnen andere Mittel als uns zur Verfugung stehen, aber ich bezweifle, da? sie schlau daraus werden.“

Schlo?berg nickte. Die Belehrung war unnotig gewesen. Sein eigenes astronomisches Programm war in Mitleidenschaft gezogen worden, weil die Geophysiker die ganzen Bander fur sich beanspruchten.

„Ich hatte nur gehofft, wir wurden etwas mehr herausfinden.

Jeder von uns hat seine eigenen Theorien hinsichtlich der Atmosphare, die in den vergangenen Jahrzehnten auf Merkur entstanden ist, aber wahrscheinlich werden erst unsere Kinder wissen, ob wir uns irrten oder nicht. Gleicht unser Universum nicht dem Schachspiel? Es gibt nur wenige und relativ einfache Regeln, aber eine Unzahl moglicher Kombinationen.“

„Wir werden schon eine Antwort finden. Um ehrlich zu sein, ich hatte schon ein paar. Was machen ubrigens die anderen Programme?“

„Laufen so. Ich bin fast fertig mit meinem. Einige Instrumente sind noch auf die Sonne gerichtet. Alle Daten habe ich soweit auf Band.“

„Ausgezeichnet. Und was ist mit Ihnen, Tom?“

Der Biologe grinste.

„Zweihundertsechzehn verschiedene Arten von Fels und Staub.

Ich habe allein zwof Kristallstrukturen entdeckt, die vegetabile Formen besitzen. Trotzdem behaupte ich: Merkur birgt kein Leben, oder nichts, was wir darunter verstehen.“

Mardikian nickte mitfuhlend.

„Camille?“

„Ob ich heute oder morgen mit meiner Arbeit aufhore, spielt keine gro?e Rolle. Ich schaffe es so oder so nicht. Aufzeichnungen habe ich genug, ich frage mich nur, wieviel Gewicht an Proben ich mitnehmen darf.“

„Eileen?“

„Ich schlie?e mich Cams Meinung an, nur konnte ich noch Bander gebrauchen. Meine sind voll.“

„Ich bin der Ubeltater. Die letzten Rollen sind im Seismographen. In siebzehn Stunden sind auch sie voll. Kurz vorher werden die Traktoren mit ihrer letzten Rundfahrt beginnen und in etwa einer Woche zuruck sein. Ich denke, Will, das ist genugend Zeit zum Ausrechnen, was wir auf dem Ruckflug an Proben mitnehmen konnen.“

Der Captain der ALBIREO nickte.

„Ich denke schon. An und fur sich war das von Anfang an kein gro?es Problem, da wir nichts entdeckten, was die Muhe lohnend machte. In einer Stunde kann ich Ihnen genauere Angaben mitteilen, aber soviel kann ich Ihnen schon jetzt sagen: Die drei mussen sich etwa anderthalb Tonnen an Gewicht teilen.“ Er sah auf den Datumskalender. „In dreihundertzehn Stunden ist die beste Zeit fur den Start. Wir konnen auch vorher starten und in eine Kreisbahn gehen. Es liegt bei Ihnen.“

„Wenn ich nur wu?te“, sagte Camille Burkett, „ob es uberall so trostlos aussieht wie hier. Der ganze Planet kann doch nicht so sein!“

Willard Rowson lachelte.

„Wir haben Merkur zehn Tage lang umkreist, ehe wir hier landeten. Sie hatten alle genug Gelegenheit, sich einen Platz auszusuchen. Sie wollten diesen. Hatten Sie wenigstens funf Tonnen einer Materie gefunden, die wir fur die Reaktoren gebrauchen konnten, so wurde ich Sie an einen anderen Ort bringen, wenn Sie es wunschten. Kommen Sie mir also blo? nicht und sagen, ich hatte schuld.“

„Da sa?en wir also hier herum, bis die Fahrzeuge zuruckkommen?“ Zaino, der Funkspezialist, schuttelte sich. „Noch so ein paar von den Erdbeben, und ich verliere meine Zahne. Was fur ein glorreiches Abenteuer!“

Kein Wunder, wenn Zaino keine Lust mehr hatte. Seit der Landung des Schiffes war er so gut wie arbeitslos geworden. Er langweilte sich. Rowson sah ein, da? er darauf antworten mu?te.

„Wenn Sie Abenteuer erleben wollten, durften Sie nicht Raumfahrer werden. Die gibt es nur in Geschichten oder Romanen.

Wenn jemand wirklich ein Abenteuer erlebte, berichtet er nur selten davon. Wenn Dr. Marini nicht im letzten Augenblick Merkurungeheuer entdeckt, die das Schiff angreifen oder unsere Traktoren aufschneiden, werden Sie bestimmt auf Abenteuer verzichten mussen.“

Zaino schnitt eine Grimasse.

„Hort sich komisch an, wenn ein Raumfahrer so spricht, Captain. Aber, um ehrlich zu sein, ich meinte auch kein richtiges Abenteuer. Ich wollte nur sagen, da? ich gern etwas anderes zu tun hatte, als immer nur zu wetten, ob das nachste Beben in einer oder erst in funf Minuten beginnt. Bisher ist nicht einmal eins von den Helmradios kaputtgegangen, das ich hatte reparieren konnen. Wie ware es denn, wenn ich wenigstens die letzte Erkundungsfahrt der Traktoren mitmachen konnte?“

„Von mir aus, gern“, erwiderte Rowson. „Der Leiter der Operation ist jedoch Dr. Mardikian. Als Fahrer sind Spurr, Trackman, Hardegon und Aiello unentbehrlich; ohne sie ware die Fahrt wirklich ein Abenteuer, und zwar ein ziemlich gefahrliches.

Soweit ich mich entsinne, stehen weiter Dr. Harmon, Dr.

Schlo?berg, Dr. Marini und Dr. Mardikian auf der Liste der Teilnehmer. Sie mu?ten also fur einen einspringen. Mal sehen, wer bereit ist, im Schiff zu bleiben.“

Der Funker sah sich hoffnungsvoll nach allen Seiten um, aber er begegnete nur ablehnenden Blicken. Lediglich der Astronom schien plotzlich unschlussig geworden zu sein. Zaino beobachtete ihn gespannt.

„Vielleicht ware es moglich, da? ich zuruckbliebe“, sagte Schlo?berg endlich. „Ich wollte auf dieser Fahrt nur die Windstarken, die Gastemperaturen, die Zusammensetzungen und die Drucke feststellen. Als wir starteten, habe ich auch nicht gedacht, da? ich hier auf Merkur mehr ein Meteorologe als Astronom sein wurde. Hargedon und Aiello haben mir geholfen, eine entsprechende Ausrustung zu basteln. Jetzt geht’s zur Nachtseite, dort ware vielleicht eine Gelegenheit. Also, Zaino, wenn Sie bis zu Beginn der Expedition genugend Kenntnisse gesammelt

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