haben, konnen Sie meinen Platz einnehmen.“

Der Funker sprang so heftig auf, da? er bei der geringen Schwerkraft fast mit dem Kopf gegen die Decke geflogen ware.

„Ja, helfen Sie mir ein wenig, Doc. Es wird ja nicht so schwer sein, einen selbstgebastelten Windmesser zu bedienen.“

„Soll das vielleicht eine Beleidigung sein?“ fragte eine tiefe Stimme im Hintergrund. Zaino wurde rot.

„Nein, naturlich nicht, Luigi. So habe ich es wirklich nicht gemeint. Ich wollte nur damit sagen, da? ich das Ding schon richtig behandeln werde.“

„Hoffentlich“, murmelte Aiello.

Schlo?berg war aufgestanden.

„Kommen Sie mit, Arnie. Wir mussen die Raumanzuge anlegen, denn die Gerate stehen drau?en.“

Er trieb den Funker regelrecht vor sich her, bis sie so weit von Deck funf entfernt waren, da? man sie nicht mehr horen konnte.

Zaino sagte:

„Sie brauchen mich nicht zu sto?en, Doc. Sie haben ja recht, ich hatte Luigi nicht argern sollen.“

Der Astronom verlangsamte sein Tempo.

„Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen, aber schlie?lich sind wir alle noch ein paar Monate zusammen. Es darf keine Reibungsmomente geben. Und, ehrlich gesagt, noch etwas macht mir Sorge: die Madchen! Ich bin ja gerade kein Moralprediger, aber…“

„Die Madchen? Die sind doch nicht…“

„Aufpassen, sonst fallen Sie mir noch die Leiter runter. Harmon ist zum Beispiel zehn Jahre alter als Sie, aber deshalb ist sie immer noch ein Madchen. Und was entscheidend ist: sie wei? es.“

„Aber Dr. Burkett? Ich meine, sie ist…“

„Ja, sie auch! So, da ist Ihr Anzug. Hinein mit Ihnen! Schalten Sie ruhig das Mikrophon aus, denn in den nachsten zwei Stunden brauchen Sie nur zuzuhoren.“

Zaino gab keine Antwort. Er hatte das Gefuhl, da? es ohnehin besser war, wenn er jetzt den Mund hielt.

Sie uberpruften gegenseitig ihre Anzuge und stiegen dann in die Luftschleuse hinunter. Die Kammer lag auf gleicher Hohe mit den Energieanlagen und direkt unter den Gleitflachen und Reaktoren.

Eine Etage tiefer waren die Antriebsmaschinen des Schiffes. Die Au?enluke war gerade gro? genug, um eine Person im Schutzanzug durchzulassen. Selbst bei dem geringen Luftdruck, der in Raumschiffen ublich war, hatte eine gro?ere Luke nur Nachteile bedeutet. Sie fuhrte auf einen kleinen Balkon, von dem aus eine schmale Leiter zur Oberflache hinabreichte. Die beiden Manner blieben auf diesem Balkon stehen und betrachteten die Landschaft, die sich unter ihnen ausbreitete.

Sie hatte sich nicht verandert, seit einer der beiden Manner drau?en gewesen war, obwohl es durchaus moglich war, da? einige der vielen Vulkangipfel inzwischen eine andere Form erhalten hatten. Sie erhoben sich nordostlich in einigen Meilen Entfernung. Die tiefen Rillen in den Hangen sahen aus, als waren sie von rauschenden Wildwassern gegraben worden, aber in Wirklichkeit waren es staubtrockene Rillen, die standigen Veranderungen unterworfen waren. Immer wieder offneten sich neue Schlunde in der Oberflache des Merkur, um das flussige Innere herauszuschleudern.

Die Domspitzen, wie man die steilen, scharfen Felsen getauft hatte, die aus der Ebene vor den Vulkanen in den schwarzen Himmel stie?en, schienen so unbeweglich zu sein wie immer.

Die glatte Flache zwischen der ALBIREO und den Vulkanen war der bisher interessanteste Fund. Mardikian und Schlo?berg vertraten die Uberzeugung, da? es sich um die erkaltete Oberflache eines gewaltigen Lavasees handelte, der noch aus der Fruhgeschichte des Planeten stammte. Sie nahmen an, da? der gro?te Teil der Zwielichtzone fruher von geschmolzener Lava uberflutet gewesen war, die spater erkaltet und so glatt wurde, wie man es von der Erde her nicht kannte.

Wie lange diese Lava kalt blieb, konnten sie nicht ahnen, aber sie waren sicher, da? im Innern des Merkur in regelma?igen Zeitabstanden gewaltige Hitzeentwicklungen stattfanden, die Bodenverschiebungen verursachten. Die Hitze, so vermuteten sie weiter, entstand nicht durch blo?en Vulkanismus oder Radioaktivitat, sondern war nichts als Energie, die durch die Gezeiten entstand.

Die Umlaufbahn des Merkur war au?erst exzentrisch. Im Perihel wirkte die Anziehungskraft der Sonne enorm auf den Planeten ein und bewirkte eine Art „Flut“ der erstarrten Oberflache.

Im Aphel wurde die Anziehungskraft der Sonne geringer, und die Gravitation des Merkur versuchte, die ursprungliche Lage wiederherzustellen. Die sichtbaren Veranderungen waren nicht gro?, aber die mitwirkenden Energien konnten kaum abgeschatzt werden. Sie verwandelten sich nicht vollstandig in Bewegung, sondern mehr in Hitze. Folglich mu?te die Temperatur unter der Oberflache unglaublich ansteigen — wenn die „Flut“ kam.

Fruher oder spater, so schlossen die Wissenschaftler, mu?te diese Gezeitenhitze derart ansteigen, da? sogar die in gro?er Tiefe liegenden Gesteinsschichten schmolzen und zu Lava wurden.

Diese Verflussigung wiederum wurde bewirken, da? die Oberflache dem Zug der Sonnengravitation leichter nachgab; die Temperaturen konnten noch schneller ansteigen. Ein Gurtel von Magma mu?te sich so unter der Zwielichtzone bilden, denn dort wirkte die Gravitation am starksten, weil ihr der gro?te Widerstand entgegengebracht wurde. Der unterirdische Lavagurtel mu?te hier gegen die Oberflache vorsto?en und durchbrechen. Die Folge wurde sein, da? Merkur eines Tages eine Atmosphare erhielt.

Die Theorie hatte einiges fur sich. Der Astronom mu?te zugeben, da? man sie schon entwickelt hatte, bevor man uberhaupt wu?te, da? es auch auf dem Mond Vulkane gab. Sie rechtfertigte auch die besondere Aufmerksamkeit, mit der Schlo?berg und Zaino die Ebene betrachteten, bevor sie die Leiter hinunterkletterten. Und schlie?lich gab sie eine Erklarung ab fur die gelegentlichen Veranderungen der Oberflache und die standig wechselnden Risse und Spalten auf dem Spiegel der erkalteten Lava.

Niemand wu?te mit Sicherheit, wie stark die erkaltete Schicht wirklich war. Aber naturlich war es unsinnig, sich an Bord der ALBIREO sicherfuhlen zu wollen, denn wenn tatsachlich die Katastrophe einmal eintrat, war auch das Schiff verloren.

Die riesige Sonne schwebte dicht uber dem Horizont. Ihr Schein warf lange Schatten und lie? die vielen Spalten noch tiefer und schwarzer erscheinen.

Nein, es schien sich nichts verandert zu haben.

Vorsichtig stiegen sie an der Leiter zur Oberflache hinab und huteten sich vor der Beruhrung mit den scharfkantigen Felsen.

Selbst die besten Raumanzuge sind nicht gegen Lecks gefeit.

Langsam gingen die beiden Manner dann zu den Traktoren, die auf einem Fleck geparkt standen.

Ein Metalldach gab Schatten. Hier, in Sonnennahe, war Schatten kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Auch fur die Traktoren, wenn sie lange standen. Dazwischen lagerten Ausrustung und Gerate. Der Apparat, den Schlo?berg konstruiert hatte, lag neben dem letzten Traktor, immer noch im Schatten des Schutzdachs.

Vier Stunden spater hatte Zaino die Funktionen des Apparates begriffen. Es war am selben Fleck immer noch schattig. Hargedon war hinzugekommen und hatte geholfen, die Ausrustung in den Traktor zu verladen, den er fahren wurde. Es war Zaino nicht schwergefallen, den Erklarungen Schlo?bergs zu folgen. Beide waren fest uberzeugt, da? er den Astronomen gut vertreten wurde.

Als sie zur ALBIREO zuruckwanderten, konnte Schlo?berg nur hoffen, da? in den nachsten zwolf Stunden nichts geschah. Wenn die Expedition erst einmal unterwegs war, konnte nicht mehr viel passieren. Hargedon besa? genugend Autoritat, um sich Gehorsam zu verschaffen, falls sich das als notwendig erweisen sollte. Ware Zaino mit Aiello oder Harmon im selben Traktor gefahren…

Nun, das war ja nicht der Fall. Es war sinnlos, sich Komplikationen erst auszumalen.

Wenn, dann kamen sie von selbst.

2

In den nachsten Stunden passierte nichts, und sogar Zaino geno? noch immer die Sympathie seiner Gefahrten, als der erste Traktor sich in Marsch setzte. An Bord waren Eileen Harmon und Eric Trackman, der

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