Boden des Lagerhauses sinken. Sie war jetzt in Sicherheit und hatte viele Stunden Zeit, um nach den Dokumenten zu suchen, mit denen sie die Verstrickung Elagabals in den Giftanschlag auf Ptolemaios nachweisen konnte.
Eine Weile lag sie einfach still und sah den ziehenden Wolken zu. Ein breiter Streifen silbernen Lichtes fiel durch das gro?e Giebelfenster. Mit einem stummen Gebet dankte sie
Der Hafen war ruhig. Hier und dort konnte man einzelne Gestalten auf den Docks beobachten, doch niemand schien sich um das Lagerhaus zu kummern. Erleichtert wandte Samu sich ab und stieg die Treppe hinab, die vom Dachboden zur Lagerhalle fuhrte.
Dort unten im fensterlosen Speicher war es so dunkel, da? Samu sich mit ausgestreckten Armen vorwarts tasten mu?te.
Sie wu?te, da? es am hinteren Ende des Lagers eine schmale Pforte gab, die zu dem Gewolbebau fuhrte, in dem Elagabal sein Archiv untergebracht hatte und in dem tagsuber seine Schreiber arbeiteten. Vorsichtig tastete sie sich durch die Dunkelheit.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Samus Finger endlich uber die rissige Holztur glitten, die den Anbau vom Lager trennte. Sie fand den holzernen Sperriegel und schob ihn zuruck. Der Geruch von feuchtem Lehm und kaltem Rauch schlugen ihr entgegen, als sie uber die Schwelle trat. Von der Feuerstelle, die in einer der Wandnischen des hohen Gewolbes lag, ging ein schwaches Glimmen aus. Samu wu?te, da? Elagabals Schreiber jeweils am Ende des Tages die neuen Tontafelchen, die sie angefertigt hatten, unter die Glut der schwelenden Feuerstelle schoben, um sie bis zum nachsten Morgen zu brennen und haltbar zu machen.
Im schwachen, rotlichen Licht konnte Samu die Umrisse einer Ollampe auf einem der Tische nahe der Feuerstelle erkennen. Sie nahm die Lampe, blies die Glut uber den Tontafeln an und entzundete daran dann den Docht. Mit der Lampe in der Hand machte sie sich daran, das Archiv zu untersuchen.
Es gab vier Tische, auf denen sich Dokumente aus Papyrus und Pergament stapelten. Die wichtigsten Daten davon wurden ubernommen und auf Tontafeln ubertragen.
Ziellos begann die Priesterin zwischen den Dokumenten herumzusuchen. Das einzige System, das sie entdecken konnte, bestand darin, da? die Schriftstucke nach Sprachen sortiert worden waren und jeweils nur Unterlagen derselben Sprachgruppe auf einem Tisch lagen. So gab es Listen in Latein, Griechisch, Aramaisch und noch einer weiteren Sprache, deren Schriftzeichen die Priesterin nicht kannte. Die Informationen uber die Fracht des Schiffes, das nach Ephesos gesegelt war, wurde sie am wahrscheinlichsten unter den aramaischen Dokumenten finden, uberlegte Samu, denn dies war die am weitesten verbreitete Sprache in Tyros und an der syrischen Kuste. Moglicherweise waren sie aber auch in Griechisch abgefa?t. So machte sie sich daran, im gelben Licht der Ollampe Dokumente uber Hafengebuhren, Preislisten fur Handelswaren und Berichte der Schiffskapitane uber den jeweiligen Verlauf der Reisen und etwaige Zwischenfalle zu studieren.
Die Priesterin hatte sich gerade erfolglos durch die aramaischen Texte durchgearbeitet und auch schon die Halfte der griechischen Schriftstucke eingesehen, als ein Gerausch am gro?en Tor des Lagerhauses sie aufhorchen lie?. Wer mochte das mitten in der Nacht sein? Angstlich blickte sie sich nach einem Versteck um. Im hinteren Bereich des Gewolbes turmten sich Stoffballen und gro?e Sacke, in denen wohl Gewurze gelagert wurden. Einen anderen Unterschlupf gab es hier nicht.
Quietschend offnete sich das Tor der Lagerhalle. Hastig blies Samu die Ollampe aus und stellte sie auf einen der Tische.
Dann hastete sie zu den Sacken hinuber, um sich dort zu verstecken. Das Licht von Fackeln erschien im Lagerhaus.
Durch die offene Tur des Gewolbeanbaus konnte die Priesterin erkennen, wie eine ganze Gruppe von Mannern hereinkam. Sie folgten dem langen Gang zwischen den Vorratsamphoren und kamen geradewegs auf den Gewolbebau zu. Erschrocken schlich Samu noch ein wenig weiter zwischen den Sacken zuruck.
An der Spitze der Manner erkannte sie jetzt Elagabal und Hophra. Der Agypter naherte sich ihr fast bis auf Armesweite und zerrte einige der schweren Sacke zur Seite, um dann auf einen eisernen Ring am Boden zu weisen. »Hier ist es, Manner. Hebt die Platte an.«
Zwei kraftige Gestalten traten vor, schoben eine kurze Holzstange durch den Eisenring und offneten eine verborgene Falltur.
»Ihr wi?t, was ihr zu tun habt!« Elagabal zeigte auf die schmale Steintreppe, die unter der Felsplatte zum Vorschein gekommen war. Einer der Fackeltrager ging voran, dann folgten die anderen Manner. Es waren ausnahmslos junge, kraftig gebaute Kerle. Vermutlich Fischer und Hafenarbeiter, dachte Samu.
»Glaubst du, da? es richtig war, auf den Griechen zu horen?«
Elagabal spielte nervos mit den Fingern am Saum seiner
Hophra lachelte kalt. »Wer sagt, da? ich dem Griechen vertraue, Herr? Ich habe mir seine Fechtubungen gestern und heute angesehen. Er ist zweifellos ein brauchbarer Lehrer, der es versteht, Manner zu fuhren. Diese Qualitaten solltet Ihr Euch zunutze machen. Sein Rat, die Waffen schon jetzt an die Getreuen auszuteilen, war auch klug. Stellt Euch vor, es gabe einen Verrater und dieses Lager wurde von den Romern entdeckt. Wir hatten dann fast alle Schwerter auf einen Schlag verloren. Wenn wir die Manner hingegen jetzt schon bewaffnen, gibt es dieses Risiko nicht mehr, und sie konnen ihre Ubungen statt mit Holzstocken mit richtigen Schwertern absolvieren. Das ist gut fur ihre Moral. Sie fuhlen sich dann schon fast wie richtige Soldaten. Wenn der Aufstand gegluckt ist, sollten wir allerdings daruber nachdenken, uns des Griechen zu entledigen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir ihm wirklich trauen konnen,
Auf der Treppe erschienen jetzt Manner, die eingerollte Decken auf den Schultern trugen, die ganz so wie jene aussahen, auf die Samu einen kurzen Blick erhascht hatte, als man sie in der Sanfte am Vortag vom Hafen fortgebracht hatte. Das also war das Geheimnis des kretischen Schiffes gewesen! Es hatte au?er Amphoren voller Olivenol auch noch Waffen transportiert!
»Mir gehen immer wieder die Worte dieses Philippos durch den Kopf«, murmelte Elagabal. »Erinnerst du dich noch? Er hat behauptet, noch nie habe es eine Provinz geschafft, die Herrschaft der Romer wieder abzuschutteln. Glaubst du, es ist falsch, wenn wir uns gegen Marcus Antonius und Aulus Gabinius emporen? Fuhren wir damit am Ende nur unseren eigenen Untergang herbei?«
»Worte!« Hophra schnaubte verachtlich. »Es sind die Herzen der Manner und der kuhle Verstand ihres Anfuhrers, die uber den Erfolg einer Rebellion entscheiden. Unser Plan, Marcus Antonius in die Stadt zu locken, ist vollkommen. Er wird der Versuchung nicht widerstehen konnen. Wir konnen auch nicht mehr zuruck. Ich habe ihm heute abend einen Botenreiter mit unserer Einladung geschickt. Seine Kolonne ist nur noch drei Tagesmarsche entfernt. Wir mussen auf jeden Fall verhindern, da? er mit seinen Fu?soldaten gemeinsam in die Stadt einzieht. Zusammen mit seinen tausend Mann wurde die Garnison zu stark. Wir hatten dann keinerlei Aussicht auf Erfolg mehr. Schaffen wir es aber, ihn und seine Offiziere zu toten, dann ist die Wahrscheinlichkeit gro?, da? seine drei Kohorten nicht weiter auf Tyros marschieren, sondern sich mit den Legionen des Gabinius vereinigen. Damit hatten wir einige Wochen Zeit gewonnen, um die Verteidigung der Stadt vorzubereiten. Inzwischen werden sich auch unsere Verbundeten gegen die Romer erhoben haben. Ihr werdet sehen,
Samu traute ihren Ohren kaum, als sie den hinterhaltigen Planen Hophras lauschte. Sie mu?te so schnell wie moglich die Stadt verlassen und den Feldherren warnen. Und Philippos sollte sie auch warnen oder ... Die Priesterin zogerte. War es ein Zufall, da? der Grieche schon wieder in eine Verschworung verwickelt war? Sie dachte an die Ereignisse in Italien. Auch dort hatte er auf Seiten der Morder und Intriganten gestanden. Falls Philippos das Lager gewechselt hatte und sie ihm eine Warnung zukommen lie?, wurden die Verschworer vielleicht einen neuen Plan aushecken, um Marcus Antonius umzubringen. Und wenn der Arzt nur ein unschuldiges Opfer war . Nein, sie konnte es nicht riskieren, ihn zu warnen! Im Zweifelsfall wurde er sich schon selbst zu retten verstehen. Das einzige, was sie fur Philippos tun konnte, war, fur ihn zu beten.
»Und diese Priesterin? Ich bin voller Sorge daruber, da? sie geflohen ist. Glaubst du, da? sie unsere Plane erraten hat? Es war ein Fehler, sie zu unserem Gastmahl zu laden, nicht wahr?«
Hophra lachte leise. »Diese kleine Hure wird nicht weit kommen.« Seine Worte trafen Samu wie ein Schlag