und zum Eingang gelangt sind. Das ist mein Plan, Macumazahn; wenn du einen besseren hast, dann nenne ihn!«

Als er mit der Darlegung seines Plans fertig war, erklarte ich den anderen die Einzelheiten desselben, die sie nicht ganz verstanden hatten. Und einhellig und vorbehaltlos teilten sie meine Bewunderung fur diesen klugen, wohldurchdachten Plan, den der alte Zulu da ausgeheckt hatte. Auf seine Art war Umslopogaas sicherlich der vortrefflichste General, den ich je kennengelernt habe. Nach einer kurzen Debatte entschlossen wir uns, den Plan, so wie er stand, zu akzeptieren, da er unter diesen Umstanden das einzig Mogliche war und - angesichts der Tatsache, da? wir eigentlich auf verlorenem Posten standen - wenigstens ein Funkchen Hoffnung auf Erfolg in uns weckte. Eine Hoffnung, die uns in Anbetracht der gewaltigen Ubermacht und der Grausamkeit unserer Widersacher ohnehin nur theoretisch zu sein schien.

»Du alter Lowe«, sagte ich anerkennend zu Umslopogaas, »du verstehst es ebenso, zu bei?en, wie auf der Lauer zu liegen. Du wei?t genau, wann man zupacken und wann man warten mu?.«

»Ja, ja, Macumazahn«, gab er zur Antwort. »Seit drei?ig Jahren bin ich Krieger, und ich habe vieles erlebt. Es wird ein gro?er Kampf werden. Ich rieche Blut - ich sage dir, ich rieche Blut.«

6

Die Nacht vergeht

Wie man sich gewi? vorstellen kann, hatte die gesamte Bewohnerschaft der Missionsstation beim ersten Anzeichen des Auftauchens der Masai im Innern des Steinwalles Zuflucht gesucht. Nun standen sie alle - Manner, Frauen und zahllose Kinder - dicht zusammengedrangt in kleinen Gruppen beieinander, sprachen in ehrfurchtigem Ton von den grausamen Sitten und Brauchen der Masai und beklagten schon im voraus das schreckliche Los, das ihrer harrte, wenn es diesen blutrunstigen Wilden gelange, die Mauer zu uberwinden.

Unmittelbar nachdem wir uns auf den Plan, den Umslopogaas vorgeschlagen hatte, geeinigt hatten, schickte Mr. Mackenzie nach vier aufgeweckten Burschen zwischen zwolf und funfzehn Jahren und beauftragte sie, von verschiedenen Stellen aus das Lager der Masai zu beobachten und in regelma?igen Abstanden zu melden, was sich dort tat. Weitere Jungen, ja sogar Frauen, wurden langs der Mauer in bestimmten Abstanden postiert, um uns im Falle eines Uberraschungsangriffes fruhzeitig warnen zu konnen.

Nachdem diese Ma?nahmen in die Wege geleitet worden waren, trommelte unser Gastgeber die zwanzig Mann, die seine ganze Streitmacht darstellten, auf dem Innenhof zusammen und hielt eine ernste Ansprache. Es war in der Tat eine beeindruckende Szene - keiner der Anwesenden wird sie so leicht vergessen konnen. Direkt neben dem machtigen Stamm des Baumes stand der Missionar, den eckigen Korper mit einem Arm gegen den Stamm gelehnt; den anderen Arm hielt er ausgestreckt empor, wahrend er sprach. Er stand barhauptig da, und sein offenes, freundliches Gesicht spiegelte deutlich die Seelenqual wider, die er litt. Neben ihm auf einem Stuhl sa? seine arme Frau, das Gesicht in den Handen vergraben. Daneben stand Alphonse, uberaus kummervoll dreinblickend, und hinter ihm standen wir drei. Im Hintergrund war Umslopogaas riesige Gestalt zu sehen, wie ublich auf den Stiel seiner Axt gestutzt. Im Vordergrund, die Gesichter uns zugewandt, standen und hockten die wehrfahigen Manner - einige mit Gewehren in der Hand, andere mit Speeren und Schilden bewaffnet. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten sie jedem Wort, das uber die Lippen des Sprechers kam. Das wei?e Licht des Mondes, das durch die Aste des gro?en Baumes fiel, tauchte die Szene in einen fremdartigen, wilden Glanz, und das melancholische Seufzen des Nachtwindes, der durch die Nadeln des Baumes uber uns strich, verstarkte nur das Gefuhl tiefer Traurigkeit, dessen die ohnehin tragische Situation auch so nicht entbehrte.

»Manner!« sprach Mr. Mackenzie, nachdem er alle Umstande des Falles klar und offen vor ihnen dargelegt und ihnen den Plan, der unsere letzte Hoffnung war, in allen Einzelheiten erklart hatte - »Manner! Seit vielen Jahren bin ich wie ein guter Freund zu euch! Ich habe euch Schutz und Obdach geboten, ich bin euch Lehrer und Beschutzer gewesen, ich habe euch und die euren vor Schaden bewahrt, und zusammen sind wir glucklich und wohlhabend geworden. Ihr selber habt verfolgen konnen, wie meine kleine Tochter - die Wasserrose, wie ihr sie nennt -aufwuchs, wie sie Jahr fur Jahr gro?er wurde: vom zarten Saugling zum frohlichen Kinde, und vom Kinde zum Madchen. Sie war die Spielgefahrtin eurer Kinder, und wenn ihr krank wart, so half sie euch gesundpflegen. Und darum habt ihr sie immer geliebt.«

»So war es und so ist es«, sagte eine tiefe Stimme. »Und wir werden unser Leben einsetzen, sie zu retten!«

»Ich danke euch von ganzem Herzen - ich danke euch. Ich bin von der tiefen Gewi?heit erfullt, da? ihr in dieser Stunde der Bedrangnis, da ihr Leben an einem seidenen Faden hangt, den wilde und grausame Menschen - die furwahr >nicht wissen, was sie tun< -abschneiden wollen, da? ihr in dieser Stunde hochster Not alles, was in euren Kraften steht, tun werdet, um sie zu retten, und um mich und ihre Mutter vor dem gebrochenen Herzen zu bewahren. Denkt auch an eure eigenen Frauen und Kinder. Wenn sie stirbt, wird nach ihrem Tode ein Angriff auf uns hier erfolgen, und im gunstigsten Falle konnen wir unsere eigene Haut retten; aber eure Hauser und Garten werden zerstort werden, und ihr werdet all eure Habe und euer Vieh verlieren. Ich bin, wie ihr wi?t, ein Mann des Friedens. Niemals in all diesen vielen Jahren habe ich meine Hand gegen einen Menschen erhoben, um sein Blut zu vergie?en. Doch nun sage ich euch: kampft! Im Namen des Herrn, der uns hie?, unser Leben und unser Haus zu verteidigen, sage ich euch, kampft! Schwort mir«, rief er mit doppelter Leidenschaft in der Stimme, »schwort mir, da? ihr bis zum letzten Mann, bis zum letzten Blutstropfen Seite an Seite mit mir und diesen tapferen wei?en Mannern euer Letztes geben werdet, um meine Tochter vor einem grausamen Tode zu bewahren!«

»Sprich nicht weiter, mein Vater«, sagte wieder die tiefe Stimme, die einem der Altesten der Missionsstation gehorte, einem kraftigen, entschlossenen Mann; »wir schworen es. Wer diesen Eid bricht, soll wie ein raudiger Hund sterben, und seine Knochen sollen den Schakalen zum Fra? vorgeworfen werden! Es ist ein gewaltiges Wagnis, mein Vater, mit so wenigen so viele anzugreifen, aber wir werden es tun, auch wenn wir dabei untergehen. Wir schworen es!«

»Ja, wir schworen es«, stimmten die anderen ein.

»Ja, wir schworen es«, sagte ich.

»Es ist gut«, sagte Mr. Mackenzie. »Ihr seid brave Manner, auf die man in der Not bauen kann, und die sich nicht wie ein Schilfrohr dem Winde beugen. Und nun, liebe Freunde, la?t uns gemeinsam - Schwarze wie Wei?e - niederknien und in Demut zu Seinem machtigen Thron aufschauen. Lasset uns beten, da? Er, in dessen Hand unser aller Leben liegt, der Herr ist uber Leben und Tod, uns armen Sundern gnadig sei, da? er uns stark mache, auf da? wir in der Schlacht, die uns im ersten Lichte des Morgens bevorsteht, mit seiner Hilfe obsiegen.«

Mit diesen Worten fiel er auf die Knie, und wir alle folgten seinem Beispiel, bis auf Umslopogaas, der noch immer im Hintergrund stand, grimmig auf seine Axt gelehnt. Der wilde alte Zulu hatte keine Gotter, und es gab nichts, was er verehrte, es sei denn, seine Streitaxt Inkosi-kaas.

»O Gott aller Gotter«, begann der Geistliche, und seine tiefe Stimme, die vor Bewegung zitterte, hallte durch die Stille und brach sich trotz der Zweige an dem grunen Dach des Baumes, das sich hoch uber uns wolbte; »Beschutzer der Elenden und Geknechteten, Zuflucht der Bedrohten, Bewahrer der Hilflosen, erhore unser Flehen! Allmachtiger Vater, zu dir kommen wir in Bescheidenheit und Demut. Erhore unser Gebet! Ein einziges Kind gabst du uns - ein unschuldiges Kind, erzogen im Glauben an Dich -, und nun schwebt uber ihm der drohende Schatten des Todesschwertes, und es ist in der Hand wilder Menschen, in der Erwartung eines furchtbaren Todes. Stehe ihm bei, o Gott, und gib ihm in dieser Stunde deinen Trost. Errette es, o himmlischer Vater! O du Gott der Schlacht, in dessen Hande das Schicksal aller Menschen liegt, sei mit uns in der Stunde des Haders. Wenn wir in den Schatten des Todes treten, mache uns stark. Lasse deinen gottlichen Atem in die Reihen unseres Feindes fahren, auf da? er in alle Winde verstreut werde. Verwandle seinen Stolz in Nichts und seine Kraft in Wasser. Gib uns deinen Schutz und fuhre uns sicher durch die Schlacht. Wirf uber uns den Schild deiner unendlichen Macht. Vergi? uns nicht in der Stunde unserer hochsten Not. Hilf uns zu verhindern, da? der Grausame unsere Kinder vor die Felsen schmettert. Erhore unser Flehen! Und fur die von uns, die jetzt noch stark und gesund vor dir auf der Erde knien und vielleicht bei Sonnenaufgang schon vor deinem Thron stehen, erhore unser Gebet! Mache sie rein, o Herr! Befreie sie von ihren Sunden gegen das Blut des Lammes! Und wenn ihr Geist sie verla?t, so empfange ihn im Himmel der Gerechten! Schreite voran, o Herr, schreite voran, wenn wir uns in die Schlacht sturzen, so wie du es beim Volke Israel getan hast. O Gott des Kampfes, erhore unser Flehen!«

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