Mackenzies Station, die mit Schilden und langen Speeren bewaffnet waren. Danach kam ich mit Alphonse und funf Eingeborenen; wir waren alle mit Gewehren ausgerustet. Den Schlu? bildete Mr. Mackenzie, gefolgt von den restlichen sechs Eingeborenen.

Der Viehkraal, in dem die Masai ihr Lager aufgeschlagen hatten, lag am Fu?e des Hugels, auf dem das Haus stand. Das waren nach grober Schatzung achthundert Yards. Die ersten funfhundert Yards davon legten wir moglichst gerauschlos, aber dennoch strammen Schrittes zuruck. Danach durften wir uns nur noch kriechend vorwartsbewegen. Lautlos wie ein Leopard, der seine Beute gewittert hat, schoben wir uns vorwarts. Wie gespenstische Schatten glitten wir von Busch zu Busch und von Stein zu Stein. Als ich auf diese Weise schon ein gutes Stuck vorangekommen war, drehte ich mich zufallig um und sah hinter mir den gefurchteten Alphonse mit leichenblassem Gesicht und zitternden Knien einherwanken. Sein Gewehr, dessen Hahn gespannt war, zielte genau auf meinen Rucken. Ich hielt an, brachte vorsichtig das Gewehr in >Sicherheit<, und dann gingen wir weiter. Alles ging wie am Schnurchen, bis plotzlich, etwa hundert Yards vor dem Kraal, seine Zahne mit hollischem Getose zu klappern begannen.

»Wenn Sie nicht sofort damit aufhoren, lege ich Sie um«, zischelte ich wutend. Der Gedanke, da? wir alle wegen eines zahneklappernden Kochs unser Leben verlieren konnten, war zuviel fur mich. Ich befurchtete, da? er uns noch mit seinem Larm verraten wurde, und wunschte mir aus tiefster Seele, da? wir ihn gar nicht mitgenommen hatten.

»Aber, Monsieur, isch kann nischts dagegen machen«, flusterte er zuruck, »es ist die Kalte.«

Da steckten wir nun schon in der Tinte. Glucklicherweise kam mir eine Idee: In der Tasche des Mantels, den ich anhatte, befand sich noch ein Fetzen von einem schmutzigen Lumpen, den ich vor einiger Zeit zum Gewehrreinigen benutzt hatte. »Stecken Sie sich den Lappen in den Mund!« flusterte ich und druckte ihm den Fetzen in die Hand. »Und wenn ich noch den geringsten Laut von Ihnen hore, dann sind Sie ein toter Mann!« Ich wu?te, da? ich damit das Geklappere erst einmal abgestellt hatte. Ich mu? ihn dabei so grimmig angeschaut haben, als sei das mein voller Ernst; denn er gehorchte mir auf der Stelle und kroch nun weiter, ohne einen Mucks von sich zu geben.

Wir schlichen uns lautlos an den Kraal an.

Schlie?lich hatten wir uns ihm bis auf eine Entfernung von funfzig Yards genahert. Zwischen dem Kraal und uns lag ein offener grasbewachsener Abhang. Ein einsamer Mimosenstrauch und ein paar Dornenbusche waren die einzigen Pflanzen, die Dek-kung bieten konnten. Wir befanden uns noch in dichtem Buschwerk und brauchten im Moment keine Entdeckung zu befurchten. Es wurde allmahlich hell. Die Sterne waren verbla?t, ein bleicher Glanz hatte sich im Osten erhoben und erleuchtete matt die Erde.

Wir konnten die Umrisse des Kraals deutlich erkennen, und auch die schwach gluhende Asche der langsam erloschenden Lagerfeuer der Masai war noch von unserer Stelle aus zu sehen. Wir machten halt und suchten die nahere Umgebung des Eingangs nach dem Wachtposten ab. Schnell hatten wir ihn entdeckt. Es war ein gro?er, schlanker Bursche, der mit lassigem Schritt vor dem dornenbewachsenen Eingang auf- und abschritt. Er entfernte sich dabei nicht mehr als vielleicht vier Yards von dem Eingang. Wir hatten insgeheim die Hoffnung gehegt, ihn bei einem Nickerchen zu uberraschen, aber es hatte nicht sollen sein. Er schien hellwach zu sein. Wenn es uns nicht gelang, diesen Mann zu toten, und zwar lautlos, dann waren wir verloren. Wir hockten da und beobachteten ihn. Nach kurzer Zeit drehte sich Umslopo-gaas, der ein paar Schritte vor mir kauerte, zu mir um und gab mir ein Zeichen. Im selben Moment lag er auch schon platt wie eine Schlange auf dem Boden, und als der Posten sich gerade einmal umwandte, glitt er gerauschlos durch das Gras nach vorn.

Der ahnungslose Masai begann, ein kleines Lied zu summen, und Umslopogaas benutzte die Gelegenheit, sich weiter vorwartszuschieben. Unbemerkt erreichte er den Schutz des Mimosenstrauches und verharrte einen Moment in ihm. Der Wachtposten ging noch immer auf und ab. Dann blieb er stehen, wandte sich um und schaute uber die Mauer in das Lager hinein. Sofort glitt die menschliche Schlange, die sich da an ihn heranpirschte, zehn weitere Yards vor und erreichte einen der distelartigen Busche genau in dem Augenblick, als der Elmoran sich wieder umdrehte. Sein Blick blieb ausgerechnet auf eben diesem Distelbusch haften, und irgendwie schien er den Eindruck zu haben, da? mit dem Busch etwas nicht stimmte. Er machte ein paar Schritte in Richtung des Busches - dann blieb er stehen. Er gahnte, buckte sich, hob einen kleinen Kieselstein auf und warf ihn auf den Busch. Er fiel Umslopogaas genau auf den Kopf. Glucklicherweise traf er nicht das stahlerne Hemd. In diesem Fall hatte das Klirren uns verraten. Nun erwies es sich auch als ein gro?er Segen, da? das Hemd gebraunt war und nicht aus hell glanzendem Stahl bestand. Sonst hatte der Wachtposten es sicherlich gesehen. Offensichtlich zufrieden daruber, da? alles in Ordnung war, verzichtete der Elmoran auf weitere Nachforschungen und begnugte sich damit, auf seinen Speer gestutzt dazustehen und untatig auf den Busch zu starren. Mindestens drei Minuten blieb er unbeweglich so stehen, offensichtlich in angenehme Tagtraumereien versunken, wahrend wir mit zum Zerrei?en gespannten Nerven auf der Erde kauerten und jeden Moment damit rechneten, da? wir entdeckt wurden, oder da? irgendein unvorhergesehener Zwischenfall alles zunichte machte. Ich konnte deutlich horen, wie Alphonses Zahne durch den oligen Lappen gedampft aufeinanderschlugen. Ich drehte mich zu ihm um und machte ein schrecklich drohendes Gesicht. Aber ich gebe zu, da? mein eigenes Herz denselben wilden Takt schlug wie die Kastagnetten des Franzosen. Der Schwei? rann mir in Stromen den Korper entlang, und die waschlederne Futterung meines Hemdes klebte mir unangenehm auf der Haut. Kurz, ich war in jenem bedauernswerten Zustand, den man gerne als >Mordsschi?< zu bezeichnen pflegt.

Endlich hatte die Qual ein Ende. Der Wachtposten blickte nach Westen. Er schien mit Befriedigung festzustellen, da? sich seine Dienstzeit dem Ende zuneigte - was ja in der Tat der Fall war, und zwar fur immer und ewig -, denn er rieb sich die Hande, und begann, wieder auf- und abzumarschieren, um sich aufzuwarmen.

In dem Augenblick, als er uns wieder den Rucken zuwandte, glitt die lange schwarze Schlange blitzschnell zu dem nachsten Dornenbusch, der nur noch ein paar Schritte von der Stelle entfernt war, an der der Masai sich jedesmal auf dem Absatz drehte.

Jetzt kam der Posten wieder zuruck und schlen-derte direkt an dem Busch vorbei. Er ahnte nicht im geringsten, was da hinter den Disteln kauerte. Hatte er auch nur einen einzigen Blick nach unten geworfen, ware ihm dieses Etwas schwerlich entgangen -aber er tat es nicht.

Als er vorbei war, richtete sich sein versteckter Feind auf und schlich mit ausgestrecktem Arm hinter ihm her.

Einen Sekundenbruchteil spater - der Elmoran wollte gerade kehrtmachen - machte der lange Zulu einen gewaltigen Satz, und im Licht des allmahlich dammernden Morgens konnten wir erkennen, wie sich seine langen, schlanken Finger um die Gurgel des Masai legten. Dann folgte ein wildes Zucken der beiden ineinander verschlungenen dunklen Leiber, und Sekunden spater sah ich, wie der Kopf des Masai sich nach hinten bog. Ein kurzes, scharfes Knacken, das sich anhorte wie das Brechen eines trockenen Zweiges, ertonte, und dann sackte der Korper des Masai zu Boden. Er zuckte noch ein paar Sekunden konvulsivisch hin und her und blieb dann regungslos liegen.

Umslopogaas hatte all seine Kraft zusammengenommen und dem Krieger mit einem einzigen Ruck das Genick gebrochen.

Er kniete noch eine Weile uber seinem Opfer und druckte dessen Hals zu, bis er sicher war, da? von ihm keine Gefahr mehr ausging. Dann erhob er sich und machte uns ein Zeichen, da? wir herauskommen konnten. Wir krochen langsam auf allen vieren vorwarts, wie eine Horde gro?er Affen. Als wir den Kraal erreichten, sahen wir, da? die Masai den Eingang, der ungefahr zehn Fu? breit war, noch zusatzlich blockiert hatten - zweifelsohne, um einem Angriff vorzubeugen, indem sie ihn mit den Asten von ein paar Mimosenstrauchern vollgestopft hatten. Um so besser fur uns, dachte ich. Je mehr Hindernisse den Eingang versperrten, desto schwerer wurde es den Masai fallen, durchzubrechen. Nun mu?ten wir uns trennen; Mackenzie und seine Gruppe schlichen, in den Schatten der Mauer geduckt, zur linken Seite des Kraals, wahrend Sir Henry und Umslopogaas sich an den Seiten des dornenbewehrten Eingangs aufstellten. Die beiden Speermanner und der Askari legten sich ein Stuck vor den Eingang. Ich selbst kroch mit meinen Mannern auf die rechte Seite des Kraals, der in der Lange etwa funfzig Schritt ma?.

Als ich etwa zwei Drittel der Strecke zuruckgelegt hatte, hielt ich an und postierte meine Manner in einem Abstand von vier Schritten langs der Mauer nebeneinander. Alphonse jedoch wollte ich nicht aus den Augen lassen

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