Er hielt inne, und nach einem Augenblick des Schweigens erhoben wir uns. Wir mu?ten nun mit aller Sorgfalt unsere Vorbereitungen treffen. Es war jetzt - wie Umslopogaas treffend bemerkte - an der Zeit, mit dem >Schwatzen< aufzuhoren und zu handeln. Die Manner, die die einzelnen Gruppen bilden sollten, wurden sorgfaltig ausgesucht und mit noch gro?erer Sorgfalt und Akribie auf ihre Aufgaben vorbereitet. Sie erhielten prazise Instruktionen, was sie in welchem Moment zu tun hatten. Nach langer Uberlegung kamen wir zu der Uberzeugung, da? die zehn Manner, die von Good angefuhrt werden sollten, und die die Aufgabe hatten, das Lager zu sturmen, nicht mit Feuerwaffen ausgerustet werden sollten; das hei?t, mit Ausnahme von Good, der sowohl einen Revolver als auch ein kurzes Schwert hatte - das Masaischwert, das ich aus dem Korper des armen Kerls, der in dem Kanu ermordet worden war, herausgezogen hatte. Wir befurchteten namlich, da?, wenn sie Feuerwaffen trugen und die Masai von drei Seiten zugleich unter Kreuzfeuer genommen wurden, auch ein paar von unseren eigenen Leuten getroffen werden konnten. Au?erdem schien es uns allen, da? die Aufgabe, die sie zu erfullen hatten, am besten mit dem kalten Stahl erledigt werden konnte - besonders trat naturlich Umslopogaas dafur ein, der, wie man sich leicht denken kann, ein leidenschaftlicher Verfechter des kalten Stahls war.
Wir verfugten uber vier Winchester-Repetierge-wehre sowie ein halbes Dutzend Martinis. Ich selbst nahm eines der Repetiergewehre - mein eigenes; eine ausgezeichnete Waffe fur diesen Zweck, wo es auf moglichst schnelles Feuern ankam. Anstelle des schwerfalligen Mechanismus, mit dem sie im allgemeinen ausgerustet sind, hatte es ordentliche Klappenvisiere. Mr. Mackenzie nahm ebenfalls eins, und die restlichen beiden gingen an zwei von seinen Mannern, die sie bedienen konnten und als gute Schutzen bekannt waren. Die Martinis und ein paar andere Gewehre aus dem Besitz von Mr. Mackenzie wurden zusammen mit einem ausreichenden Vorrat an Munition an die ubrigen Eingeborenen verteilt, die die beiden Gruppen bilden sollten, deren Aufgabe es war, das Feuer von beiden Seiten des Kraals auf die schlafenden Masai zu eroffnen. Zum Gluck waren mehr oder weniger alle ausreichend mit der Bedienung eines Gewehres vertraut.
Was Umslopogaas anbetrifft; er war - wie wir wissen - mit seiner Axt bewaffnet. Um es hier noch einmal in Erinnerung zu rufen: Er, Sir Henry und der starkste der Askari hatten die Aufgabe, den dornenbewehrten Eingang des Kraals gegen den voraussichtlichen Ansturm der Ausbrechenden zu verteidigen. Dazu waren naturlich Gewehre ungeeignet. Also machten Sir Henry und der Askari sich daran, sich auf die gleiche Weise wie der Zulu zu bewaffnen. Zufallig verfugte Mr. Mackenzie in seinem kleinen Lagerhaus uber eine Auswahl von Axteisen mit Hammerrucken aus bestem englischen Stahl. Sir Henry suchte sich eines davon aus; es wog etwa zweieinhalb Pfund und hatte eine sehr breite Schneide. Der Askari wahlte ein etwas kleineres. Nachdem Umslopogaas die beiden Axteisen mit einer zusatzlichen Schneide versehen hatte, befestigten wir sie an dreieinhalb Fu? lange Stiele, von denen Mr. Mackenzie glucklicherweise noch ein paar auf Vorrat hatte. Sie waren aus einem leichten, aber au?ergewohnlich harten, bruchsicheren Holz eines einheimischen Baumes. Es ahnelt dem Holz der englischen Esche, ist jedoch elastischer. Nachdem wir zwei passende Stiele mit gro?er Sorgfalt ausgewahlt hatten und ihre Enden mit Kerben versehen hatten, um ein Abgleiten der Hand zu verhindern, steckten wir die Axteisen so fest wie eben moglich auf das andere Ende der Stiele und tauchten die Waffen eine halbe Stunde lang in einen Eimer Wasser, damit das Holz aufquoll und sich so stark in dem Steckloch des Eisens ausdehnte, da? hochstens das Verbrennen des Stieles das Eisen wieder freigegeben hatte. Nachdem Umslopogaas diese wichtige Prozedur eigenhandig durchgefuhrt hatte, begab ich mich in mein Zimmer und offnete eine kleine, metallbeschlagene Holzkiste, die ich seit unserer Abfahrt aus England noch nicht aufgemacht hatte. Sie enthielt - nun, was glaubt Ihr wohl? - nicht mehr und nicht weniger als vier Panzerhemden.
Auf einer fruheren Reise, die wir drei in einen anderen Teil Afrikas gemacht hatten, verdankten wir einmal unser Leben Panzerhemden, die die Eingeborenen hergestellt hatten. Und da ich mich daran noch erinnern konnte, hatte ich, bevor wir uns auf unsere jetzige abenteuerliche Expedition begeben hatten, angeregt, da? wir uns wieder passende Hemden aus Eisengewebe anfertigen lassen sollten. Das war gar nicht so einfach, denn die Kunst des Herstellens von Rustungen ist derweil ausgestorben. Aber wenn man den Handwerkern in Birmingham nur lange genug auf die Nerven fallt und auch anstandig bezahlt, dann sind sie auch fahig, aus Stahl so ziemlich alles zu machen. Schlie?lich befanden wir uns jedenfalls in dem Besitz der herrlichsten Panzerhemden aus Stahl, die man sich vorstellen kann. Es waren Meisterstucke handwerklichen Konnens. Das Gewebe war zusammengesetzt aus Tausenden und Abertausenden winziger, aber fester Ringe aus bestem Stahl. Diese Hemden (eigentlich waren es eine Art Jerseys mit stahlernen Armeln) waren mit luftdurchlassigem Waschleder gefuttert; sie hatten nicht den typisch metallischen Glanz von Stahl, sondern die braunliche Farbe eines Gewehrlaufes. Meines wog genau sieben Pfund; es schmiegte sich so sanft an den Korper an, da? ich das Gefuhl hatte, es tagelang wie eine zweite Haut tragen zu konnen, ohne mich daran wundzuscheuern. Sir Henry besa? gleich zwei; ein normales -namlich einen Jersey mit herunterhangenden Klappen, die auch der oberen Partie der Oberschenkel noch einen gewissen Schutz boten - und dazu ein zweites, das er selbst entworfen hatte. Es war nach dem Muster der Kleider geschnitten, die man als Hemdhosen oder »Kombination« feilbietet, und wog zwolf Pfund. Diese kombinierte Hemdhose, deren Gesa?teil aus Waschleder bestand, schutzte zwar den gesamten Korper bis hinunter zu den Knien, aber es war doch ein wenig hinderlich, weil man es langs des Ruckens schnuren mu?te. Au?erdem beeintrachtigte es mit seinen zwolf Pfund Gewicht doch ziemlich die Bewegungsfreiheit. Zu diesen Hemden gehorten noch Kopfbedeckungen, die wie aus vier Einzelteilen bestehende braunwollene Reisekappen aussahen. Dazu hatten sie noch Ohrenklappen. Diese Kappen waren ebenfalls mit Stahlgewebe uberzogen, so da? sie einen ausgezeichneten Schutz fur den Kopf darstellten.
Es mutet fast ein bi?chen lacherlich an, wenn man heutzutage von Kettenhemden als einem Schutz spricht - heute, wo nicht mehr Pfeile durch die Luft fliegen, sondern Kugeln, gegen die diese Hemden naturlich vollig machtlos sind. Aber da, wo man es mit Wilden zu tun hat, die mit Axten oder ahnlichen Waffen ausgerustet sind, stellen diese Hemden in der Tat einen trefflichen Schutz dar. Und wenn sie gut gearbeitet sind und gut passen, machen sie den Trager gegen primitive Waffen fast unverwundbar. Oft ist mir der Gedanke durch den Kopf gegangen, da?, wenn die englische Regierung wahrend der Kolonialkriege, besonders dem gegen die Zulus, doch nur auf die Idee gekommen ware, ihre Manner mit solchen Panzerhemden auszustatten, manch ein Mann heute noch leben konnte, der langst tot und vergessen ist.
Angesichts der Situation, in der wir steckten, begluckwunschten wir uns fur unsere weise Voraussicht, die Hemden mitgenommen zu haben, und fur das Gluck, das wir gehabt hatten, da? nicht auch sie von unseren schurkischen Tragern gestohlen worden waren, als sie uns mit fast allen unseren Ausrustungsgegenstanden davongelaufen waren. Da Curtis zwei besa? und sich nach reiflicher Uberlegung dazu entschlossen hatte, die Kombination anzuziehen - das zusatzliche Gewicht von drei oder vier Pfund war fur einen Mann von seiner Korperkraft keine wesentliche Beeintrachtigung, ganz abgesehen davon, da? der fast vollkommene Schutz, den die Kombination bot, fur einen Mann, der ohne jeglichen Schild kampfte, von enormer Wichtigkeit war -, machte ich den Vorschlag, da? er das andere Hemd Umslopogaas lieh, der ja auf ebenso gefahrlichem wie ruhmvollem Posten kampfen sollte. Curtis war sofort einverstanden, und er rief den Zulu zu sich. Umslopogaas brachte Curtis' Axt mit, die er inzwischen fertig hatte und die seiner kritischen Prufung standgehalten hatte. Als wir ihm das stahlerne Hemd zeigten und ihm eroffneten, da? er es tragen solle, stand er diesem Plan zuerst ablehnend gegenuber. Drei?ig Jahre lang habe er in seiner eigenen Haut gekampft, und nun wolle er nicht auf seine alten Tage noch in einer Haut aus Eisen kampfen. Daraufhin nahm ich einen schweren Speer, breitete das Hemd auf dem Boden aus und hieb den Speer mit aller Kraft darauf. Mit lautem Klirren federte die Waffe von dem Hemd zuruck, ohne auch nur einen Kratzer auf dem Gewebe aus gehartetem Stahl zu hinterlassen. Diese Demonstration schaffte es schon fast, ihn umzustimmen. Und als ich ihm dann noch eindringlich klarmachte, da? er in einer Situation, in der jeder Mann zehnfach zahlte, nicht einfach aufgrund altmodischer Vorurteile einen so hervorragenden Schutz fur Leib und Leben in den Wind schlagen durfte, und da? er au?erdem, wenn er ein solches Hemd trug, auf einen Schild verzichten und mit beiden Handen kampfen konnte, gab er schlie?lich nach und streifte sich die »Eisenhaut« uber. Und in der Tat - obwohl das Hemd ja fur Sir Henry angefertigt worden war, pa?te es dem riesigen Zulu wie eine zweite Haut. Die beiden Manner waren fast gleichgro?. Und obwohl Curtis den gro?eren Eindruck machte, bin ich fast geneigt zu sagen, da? der Unterschied eher der Einbildung zuzuschreiben ist als der Realitat. In Wirklichkeit, wurde ich sagen, war er vielleicht ein wenig stammiger, aber eigentlich nicht gro?er. Vielleicht hatte er etwas muskulosere Arme. Umslopogaas hatte vergleichsweise dunne Arme, diese aber hatten die Starke von Drahtseilen. Jedenfalls, wie sie nun beide so dastanden, die Axt in der Hand, in braune Kettenhemden gehullt, die wie eine zweite Haut ihre machtigen Oberkorper umschmiegten, dabei jeden Muskel und jede Kontur nachzeichneten, gaben sie in der Tat das Bild eines Paars ab, vor dem sich wohl selbst noch eine Gruppe von zehn starken Mannern gefurchtet hatte.
Es war nun fast ein Uhr morgens. Wie die Spaher berichteten, schickten sich die Masai allmahlich an,