zweifellos feucht und muffig, aber trotzdem noch lange nicht schlecht oder gar unertraglich. Die einzige Erklarung, die ich mir denken kann, ist die, da? das Wasser des Sees genugend Luft enthielt, um die Atmosphare in dem Tunnel vor der volligen Stagnation zu bewahren, und da? der Flu? diesen Sauerstoff wahrend seines langen Weges abgab.

Etwa kurz nach Anbruch der vierten Stunde, die ich im Heck des Kanus verbrachte, bemerkte ich, da? sich deutlich die Temperatur geandert hatte: Es wurde warmer. Zuerst machte ich mir keine weiteren Gedanken daruber, aber als es, nachdem eine weitere halbe Stunde vergangen war, immer hei?er wurde, sprach ich Sir Henry darauf an und fragte ihn, ob er es ebenfalls bemerkte, oder ob ich es mir vielleicht blo? einbildete.

»Habe es auch bemerkt!« antwortete er. »Und wie! Ich komme mir vor wie in einem turkischen Bad.«

Im selben Augenblick erwachten keuchend die anderen und zogen ihre Kleider aus. Umslopogaas war hier naturlich im Vorteil; denn abgesehen vielleicht von seinem Moocha trug er sowieso nichts, was man als Kleider hatte bezeichnen konnen.

Es wurde standig hei?er, und nach kurzer Zeit war die Temperatur derart angestiegen, da? wir kaum noch atmen konnten. Der Schwei? rann uns aus allen Poren. Nach einer weiteren halben Stunde war es kaum noch auszuhalten, obwohl wir inzwischen alle vollig nackt waren. Wir kamen uns vor wie im Vorzimmer der Holle. Ich hielt meine Hand ins Wasser und zog sie mit einem Aufschrei blitzschnell wieder heraus; es war fast am Kochen. Wir schauten auf das kleine Thermometer, das wir bei uns hatten - die Quecksilbersaule stand bei 123°! Auf der Wasseroberflache stand eine dichte Dampfwolke. Alphonse stohnte, wir waren schon im Fegefeuer; das waren wir auch in der Tat, jedoch nicht in dem Sinne, wie er es meinte. Sir Henry vermutete, da? wir dicht an dem Herd eines unterirdischen Vulkans vorbeifuhren, und ich bin nicht abgeneigt, besonders in Anbetracht dessen, was sich kurz darauf ereignen sollte, ihm recht zu geben. Was wir von diesem Zeitpunkt an erdulden mu?ten, ubersteigt wirklich meine Beschreibungsfahigkeit. Von nun an schwitzten wir nicht mehr, denn aller Schwei? war uns regelrecht aus dem Korper herausgetrieben worden. Wir lagen vollig ermattet auf dem Boden des Bootes, das wir einfach physisch nicht mehr zu dirigieren in der Lage waren, und fuhlten uns wie gluhende Kohlen. Ich stelle mir vor, da? wir genau dasselbe Gefuhl hatten wie die armen Fische, die auf dem trockenen Land eingehen - namlich, einen qualvollen Erstickungstod zu sterben. Auf der Haut begannen sich Blasen zu bilden, und das Blut pochte in unseren Schlafen wie der Kolben einer Dampfmaschine.

So trieben wir eine Weile dahin. Plotzlich machte der Flu? eine Biegung, und ich horte, wie Sir Henry im Bug mit heiserer, entsetzter Stimme aufschrie. Ich fuhr hoch, und vor mir sah ich eine wunderbare und zugleich schreckliche Erscheinung. In einer Entfernung von ungefahr einer halben Meile, ein wenig links von der Mitte des Stroms - der, wie wir nun deutlich sehen konnten, an dieser Stelle etwa neunzig Fu? breit war -, erhob sich uber der Wasseroberflache eine gewaltige, saulenformige Stichflamme von fast wei?em Licht. Sie scho? etwa funfzig Fu? hoch in die Luft, und an der Stelle, wo sie das Dach des Tunnels erreichte, zerspruhte sie in zahlreiche kleinere Flammen, die bogenformig wie die Blatter einer voll erbluhten Rose wieder herunterfielen. Das Ding hatte einen Durchmesser von bestimmt vierzig Fu?. Diese schreckliche Flamme ahnelte in der Tat nichts so sehr wie einer riesigen Flammenblume, die aus dem schwarzen Wasser wuchs. Unten war der gerade Stengel, mehr als einen Fu? dick, und daruber erhob sich die furchtbare Blute. Sie war von solch schrecklicher und furchteinflo?ender Schonheit, da? wohl niemand sie beschreiben konnte. Ich kann es sicher nicht. Obwohl wir jetzt noch etwa funfhundert Yards von ihr entfernt waren, war dennoch, trotz des Dampfes, die ganze Hohle in glei?endes Licht getaucht, das heller war als das Tageslicht. Wir sahen, da? sich hier das Dach etwa vierzig Fu? uber uns wolbte. Der Fels war von dem Wasser vollig glatt gewaschen. Er war pechschwarz, und an manchen Stellen waren lange, glanzende Linien von Erz zu erkennen, die wie dicke Adern durch den Stein liefen. Was fur ein Metall es war, kann ich jedoch nicht sagen.

Und weiter sausten wir auf diese Feuersaule zu, die heftiger gluhte als jeder Hochofen, der je von Menschenhand angezundet wurde.

»Halt das Boot rechts, Quatermain - nach rechts!« schrie Sir Henry, und eine Sekunde spater kippte er bewu?tlos vornuber und sackte auf den Boden des Kanus. Alphonse war schon ohnmachtig. Good war der nachste. Sie lagen wie tot da. Nur Umslopogaas und ich waren noch bei Bewu?tsein. Das Feuer war nur noch funfzig Yards vor uns. Da sah ich, wie auch Umslopogaas' Kopf nach vorn sackte. Er war ebenfalls ohnmachtig geworden, und nun war ich allein. Ich konnte nicht mehr atmen; die gluhende Hitze hatte mich ausgetrocknet. Das Felsendach im Umkreis der Feuerrose war gluhend rot. Das Holz des Bootes begann zu qualmen. Ich sah, wie sich die Federn von einem der toten Schwane bogen und unter der Hitze zusammenschrumpften. Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich wu?te, wenn auch ich ohnmachtig wurde, dann wurden wir in einem Abstand von nur drei oder vier Yards an der Stichflamme vorbeitreiben und elend zugrunde gehen. Ich hielt das Paddel so, da? das Kanu so weit wie nur eben moglich an dem Feuer vorbeifahren mu?te, und hielt wild entschlossen aus.

Meine Augen traten so weit aus ihren Hohlen, da? ich glaubte, sie wurden jeden Moment herausspringen. Durch meine geschlossenen Lider sah ich das glei?ende Licht. Jetzt mu?ten wir auf gleicher Hohe sein! Um mich herum rohrte es, als hatten sich alle Feuer der Holle vereint, und das Wasser kochte mit brodelndem Zischen. Noch funf Sekunden! Dann waren wir vorbei. Das Rohren war jetzt hinter mir.

Ohnmachtig sackte auch ich zusammen. Das nachste, woran ich mich erinnern kann, war das Gefuhl eines kuhlen Lufthauchs auf meinem Gesicht. Es kostete mich erhebliche Anstrengungen, meine Augen zu offnen. Ich schaute auf. Weit, weit uber mir war Licht. Um mich herum jedoch herrschte tiefe Dunkelheit. Allmahlich erinnerte ich mich wieder an das, was geschehen war. Ich schaute mich um. Das Kanu trieb noch immer in der Stromung des Flusses. Auf seinem Boden lagen die nackten Leiber meiner Gefahrten. Sind sie tot? fragte ich mich. Bin ich allein an diesem grauenvollen Orte? - Ich wu?te es nicht. Dann merkte ich, da? ich einen brennenden Durst verspurte. Ich schob meine Hand uber den Rand des Bootes ins Wasser und zog sie augenblicklich mit einem Aufschrei wieder zuruck. Kein Wunder! Fast die ganze Haut war vom Handrucken weggebrannt. Das Wasser jedoch war einigerma?en kuhl, hochstens lauwarm, und ich schuttete es literweise in mich hinein und bespritzte mich von oben bis unten mit dem erquickenden Na?. Mein Korper schien die Flussigkeit aufzusaugen wie ein Ziegel den Regen nach einer langen Durre; da, wo mir die Haut verbrannt war, erzeugte jedoch die Beruhrung mit dem Wasser einen rasenden Schmerz.

Dann sah ich zu, was ich fur die anderen tun konnte. Ich kroch muhevoll zu ihnen hin und benetzte sie mit Wasser. Zu meiner gro?en Freude begannen sie sich zu bewegen - zuerst Umslopogaas, dann die anderen. Als nachstes tranken auch sie; sie saugten das Wasser gierig in sich auf wie ausgetrocknete Schwamme. Da wir nun zu frieren begannen, zogen wir, so gut es eben ging, unsere Kleider wieder an. Wahrend wir noch damit beschaftigt waren, deutete Good auf die Backbordseite des Kanus; die Au?enwand hatte unter der Einwirkung der Hitze Blasen geworfen, und stellenweise war das Holz regelrecht verkohlt. Ware es gebaut gewesen wie unsere europaischen Boote, dann hatten sich, wie Good erklarte, die Planken verzogen, und es ware mit Sicherheit soviel Wasser ins Innere gedrungen, da? wir untergegangen waren. Aber zu unserem Gluck war es aus dem weichen, biegsamen Holz eines einzigen gro?en Baumstammes geschnitzt worden, und seine Seiten waren drei und der Boden vier Zoll stark.

Uber den Ursprung der riesigen Stichflamme konnten wir naturlich nur Mutma?ungen anstellen; ich vermute, da? an der Stelle ein Ri? oder ein Loch im Flu?bett war, durch das sich Gas vulkanischen Ursprungs aus einer riesigen Blase in den Eingeweiden der Erde den Weg nach oben an die Luft bahnte. Wie es sich entzundet hatte, war naturlich unmoglich zu sagen - wahrscheinlich, so glaube ich jedenfalls, durch eine spontane Explosion giftiger Gase.

Sobald wir wieder halbwegs bekleidet waren und uns einigerma?en erholt hatten, machten wir uns daran, herauszufinden, wo wir uns jetzt befanden. Ich erwahnte bereits, da? ich weit uber uns Licht erblickt hatte. Beim naheren Hinsehen stellten wir fest, da? es Tageslicht war. Unser Flu?, der, wie Sir Henry sagte, buchstablich die Verwirklichung der phantastischen Vision eines Dichters darstellte[9], befand sich nun nicht mehr unter der Erde, sondern nahm seinen finsteren Verlauf nicht >durch Hohlen, gro?er noch, als sie des Menschen Aug' ermessen kann<, sondern zwischen zwei unheimlichen Felswanden, die wohl an die zweitausend Fu? hoch sein mu?ten. Sie waren in der Tat so hoch, da? da, wo wir waren - obwohl man oben einen Streifen des Himmels sehen konnte, tiefe Dusternis herrschte - keine tiefschwarze Nacht indessen, sondern eine Art Dunkelheit, wie sie in einem Raum herrscht, dessen Fensterladen man am hellichten Tage so dicht wie moglich schlie?t. Auf beiden Seiten stieg die gro?e, glatte Felswand kahl und abweisend fast senkrecht in steile

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