Hohen, da? einem schwindelte, wenn man mit dem Auge ihre gewaltige Gro?e ermessen wollte. Das kleine Stuckchen Himmel, das das Ende der Walle markierte, lag wie ein dunner blauer Faden auf ihrer schwindelerregenden Schwarze, deren erdruckende Wucht von keinem Baum und keiner Ranke gemildert wurde. Hie und da jedoch zogen sich geisterhaft anmutende Faden langer, grauer Flechten uber das Gestein, die reglos an dem Felsen hingen wie lange wei?e Barthaare am Kinn eines toten Greises. Es kam uns so vor, als sanken nur der Bodensatz oder die schwereren Teile des Lichtes zu diesem Ort des Grauens herab; kein heller, beschwingter Sonnenstrahl konnte so tief in die Spalte hineinfallen: er erlosch weit, weit uber unseren Kopfen.
An einer Stelle des Flusses befand sich eine kleine Einbuchtung, wo runde Felsbrocken ein Ufer bildeten. Das standig uber sie hinwegflie?ende Wasser hatte sie so geformt. Die Stelle sah so aus, als ware sie mit Tausenden von versteinerten Kanonenkugeln ubersat. Bei Hochwasser existierte hier wahrscheinlich uberhaupt kein Ufer, und zwischen dem Flu? und den Felswanden war keinerlei Ubergang. Jetzt jedoch befand sich hier eine Flache von vielleicht sieben oder acht Yards Breite. Wir beschlossen, an diesem Ufer zu landen, um uns nach all dem, was wir durchgemacht hatten, ein wenig auszuruhen und die Glieder ein bi?chen zu strecken. Es war zwar eine schauderhafte Stelle, aber wenigstens konnten wir uns eine Weile von den Schrecken des Flusses erholen und unsere Sachen wieder ordentlich in dem Kanu zurechtlegen und verstauen. Wir suchten uns also einen Fleck aus, der uns einigerma?en gunstig erschien, und unter einigen Muhen gelang es uns schlie?lich, das Kanu an Land zu bringen und hinauszuklettern auf die wenig zum Ruhen einladenden kugelrunden Kiesel.
»Potztausend!« rief Good aus, der als erster an Land ging. »Was fur ein gra?licher Ort! Da kriegt man ja wirklich Anwandlungen!« Und dann lachte er.
Sofort wiederholte eine donnernde Stimme seine Worte und gab sie hundertfach verstarkt wieder: »...
»Oh, mon Dieu!« schrie Alphonse mit gellender Stimme. Das Getose hatte ihn so erschreckt, da? er auf der Stelle das bi?chen Selbstbeherrschung, uber das er verfugte, verloren hatte.
»Ah«, sagte Umslopogaas ruhig, »ich spure deutlich, da? hier Teufel wohnen. Nun, der Ort sieht auch so aus.«
Ich versuchte ihm zu erklaren, da? die einzige Ursache des ganzen Getoses in einem hochst bemerkenswerten und interessanten Echo lag, aber das wollte er mir nicht glauben.
»Ah«, antwortete er. »Ich wei?, was ein Echo ist, wenn ich eins hore. Es gab eines, das lebte gegenuber von meinem Kraal in Zululand, und die Intombis (Madchen) sprachen immer mit ihm. Aber wenn dieses hier ein ausgewachsenes Echo ist, dann kann meins zu Hause nur ein kleines Baby gewesen sein. Nein, nein - da oben wohnen Teufel. Aber ich kummere mich nicht sehr um sie«, fugte er hinzu und nahm eine Prise Schnupftabak. »Sie konnen nachmachen, was man sagt, aber sie scheinen keine eigenen Worte sprechen zu konnen, und sie wagen nicht, ihre Gesichter zu zeigen.« Dann verstummte er und zeigte offensichtlich kein weiteres Interesse an jenen verachtenswerten Feinden.
Nach diesem schauerlichen Erlebnis hielten wir es fur angebracht, uns nur noch im Flusterton zu unterhalten - denn es war einfach unertraglich, jedes Wort, das man au?erte, zwischen den Felswanden hin- und herfliegen zu horen wie einen Tennisball.
Aber selbst unser Gefluster lief an den Felsen entlang und schwoll zu einem geheimnisvollen Gemurmel an, bis es dann schlie?lich mit einem langgezogenen Seufzen verebbte. Echos sind ergotzliche und romantische Erscheinungen, aber wir hatten wahrlich genug davon in jenem gruseligen Schlund.
Nachdem wir uns ein wenig auf den runden Steinen ausgeruht hatten, wuschen wir uns und behandelten unsere Verbrennungen, so gut es ging. Da wir nur noch wenig Ol hatten, das wir aber dringend fur die Lampe brauchten, konnten wir davon nichts abzweigen, also hauteten wir einen der Schwane und benutzten das Fett seiner Brust, das sich als ausgezeichneter Ersatz erwies. Danach packten wir das Kanu neu und lie?en uns endlich nieder, um etwas zu essen zu uns zu nehmen, was wir - das brauche ich wohl kaum zu erwahnen - mehr als notig hatten; denn unsere Ohnmacht hatte viele Stunden gedauert, und unsere Uhren zeigten inzwischen Mittag an.
Wir lie?en uns im Kreis nieder und verzehrten mit ungeheurem Appetit unser kaltes Fleisch.
Ich selbst war nicht sehr hungrig; ich fuhlte mich elend und schwach nach all den Strapazen der vergangenen Nacht. Au?erdem hatte ich rasende Kopfschmerzen. Es war ein eigenartiges Mahl. Die Dunkelheit war so stark, da? wir Muhe hatten, das Fleisch zu sehen, wenn wir es schnitten und zum Munde fuhrten. Trotzdem mundete es uns allen hervorragend, obwohl es durch die Hitze verdorben war. Plotzlich horte ich etwas hinter mir. Es war ein Gerausch, als ob etwas uber die Steine kroche. Ich drehte mich um, und direkt hinter mir auf einem Felsen sa? eine riesige schwarze Su?wasserkrabbe. Sie war bestimmt funfmal so gro? wie die gro?te Krabbe, die ich je gesehen hatte. Dieses abscheuliche, ekelerregend aussehende Tier hatte weit hervorstehende Augen, mit denen es mich anzuglotzen schien, lange, biegsame Antennen oder Fuhler und gewaltige Scheren. Bald mu?ten wir feststellen, da? ich nicht der einzige von uns war, der die unangenehme Gesellschaft dieser Viecher geno?. Aus allen Ecken kamen jetzt Dutzende dieser ekelhaften Tiere herangekrochen; vermutlich hatte der Duft des Fleisches sie angezogen. Sie tauchten zwischen den runden Steinen auf und kamen aus Lochern in der Felswand hervorgekrochen. Einige von ihnen waren schon ganz dicht an uns herangekommen. Fasziniert starrte ich das ungewohnliche Schauspiel an. Da sah ich, wie eins der Tiere eine seiner Scheren ausstreckte und den ahnungslosen Good derart heftig zwickte, da? er mit einem Aufschrei hochfuhr und das schaurig tosende Spiel der Echos wieder in Gang setzte. Im selben Moment packte ein anderes, ein wahres Riesenexemplar, Alphonses Bein und wollte sich damit aus dem Staube machen. Man kann sich wohl vorstellen, was fur eine Szene darauf folgte. Umslopogaas nahm seine Axt und zerklopfte mit der flachen Seite der Waffe einem der Krebse die Schale. Daraufhin gab das Vieh einen markerschutternden Schrei von sich, der durch das Echo noch tausendfach multipliziert wurde, und fing an, aus dem Maul zu geifern. Dies wiederum lockte erneut Hunderte seiner Artgenossen aus allen moglichen Lochern und Winkeln hervor. Diejenigen von ihnen, die sich direkt in seiner Nahe befanden, fielen, als sie merkten, da? er verletzt war, uber ihn her wie die Glaubiger uber einen bankrotten Schuldner. Sie rissen ihn buchstablich in Stucke mit ihren starken Scheren und fra?en ihn auf, wobei sie ihre Greifwerkzeuge als eine Art Gabeln benutzten, mit der sie die Bruchstucke und Fetzen des zerrissenen Artgenossen zum Maul fuhrten. Wir packten alles, was uns gerade in die Hande kam, um es als Waffe gegen die Ungeheuer zu benutzen. Mit Steinen, Paddeln und Umslopogaas Axt begannen wir den widerlichen Viechern eine regelrechte Schlacht zu liefern. Ihre Anzahl vergro?erte sich sprunghaft. Sie stromten einen solch ekelhaften Gestank aus, da? einem fast die Sinne schwanden. So schnell auch immer wir den Panzer des einen zerschlugen, kamen schon wieder andere, die den verletzten Artgenossen packten und blitzschnell verschlangen, wobei sie widerlichen Geifer absonderten und laute Schreie ausstie?en. Aber das schien den Biestern noch nicht zu reichen. Wann immer sie konnten, schnappten sie mit ihren gro?en Scheren auch nach uns - was machtig wehtat - oder versuchten, das Fleisch wegzuzerren. Ein Bursche von enormer Gro?e kriegte den Schwan zu fassen, den wir gerupft hatten, und begann ihn fortzuschleppen. Sofort sturzte sich ein ganzer Klumpen von ihnen ebenfalls auf die Beute, und dann begann eine widerwartige und absto?ende Szene. Wie die Biester geiferten und kreischten und das Fleisch und sich gegenseitig zerrupften! Es war ein ekelerregender und unwirklicher Anblick, und keiner von uns wird diesen Anblick sein Lebtag vergessen - noch oft hatte ich dieses scheu?liche Schauspiel vor Augen, das sich dort unten in der tiefen, beklemmenden Dunkelheit abspielte, untermalt von dem tausendfach gebrochenen, infernalischen Getose, das an den Nerven ruttelte. So merkwurdig es auch klingen mag; aber diese widerwartigen Kreaturen hatten etwas erschreckend Menschliches an sich - es war, als ob alle niedertrachtigen Leidenschaften und Begierden des Menschen auf einmal in die Schale einer Riesenkrabbe gefahren waren und dort verruckt spielten. Sie waren so entsetzlich mutig und intelligent, und sie schauten einen an, als ob sie
»Ich sage euch, Burschen«, rief Good, »la?t uns so schnell wie moglich von hier verschwinden, sonst