wie ein Bajonett, die Form eines Dreikants hatte, und mit einem kurzen Schwert. Brust und Rucken waren mit Platten aus sorgfaltig prapariertem Flu?pferdleder geschutzt. Ein kleiner runder Schild aus demselben Material vervollstandigte seine Ausrustung. Das Schwert erregte auf der Stelle unsere Aufmerksamkeit; es war praktisch identisch mit dem, das sich im Besitz von Mr. Mackenzie befand, jener Waffe also, die der ungluckliche Wanderer bei sich gehabt hatte. Das Schwert des Wachtpostens war mit den gleichen unverwechselbaren, mit Gold ausgelegten Durchbruchen versehen. Also hatte der Wanderer doch die Wahrheit gesprochen.

Unser Fuhrer gab das Losungswort, woraufhin der Wachtposten den Eisenschaft seines Speers zum Salut mit einem klirrenden Gerausch auf das Pflaster stie?; wir durften passieren. Durch die dicke Mauer marschierten wir in den Hof des Palastes. Dieser ma? etwa vierzig Yards im Quadrat und war ganz mit Blumenbeeten und Strauchern angelegt. Viele der Pflanzen waren mir vollig unbekannt. Mitten durch diesen parkahnlichen Palasthof verlief ein breiter Pfad, den man anstelle von Kies mit zerriebenen Muscheln bestreut hatte. Die Muscheln stammten wahrscheinlich aus dem See. Wir schritten den Pfad entlang und kamen an einen zweiten Eingang, uber dem sich ein schwerer Torbogen wolbte. Anstelle einer Tur befanden sich vor diesem Eingang schwere Vorhange. Dahinter folgte ein kurzer Korridor, und dann standen wir in der gro?en Halle des Palastes. Und wieder waren wir uberwaltigt von dem schlichten und doch so eindrucksvollen Glanz der Architektur dieses Volkes.

Die Halle war - das erfuhren wir spater - hundertfunfzig Fu? lang und achtzig Fu? breit. Sie hatte eine wunderschon gewolbte Decke aus reichlich mit Schnitzwerk versehenem Holz. Auf beiden Langsseiten der Halle waren in einem Abstand von zwanzig Fu? von der Wand in langer Reihe schlanke Saulen aus schwarzem Marmor angeordnet, die bis zur Decke reichten, sehr schon kanneliert und mit reich verzierten Kapi-talen. An dem einen Ende dieser gro?en Saulenhalle befand sich die Skulptur, die ich schon erwahnt habe: jene Gruppe, die Rademas zur Erinnerung an den erfolgreichen Bau der Brucke schuf. Die Schonheit dieses Werkes raubte uns fast den Atem; in sprachloser Bewunderung standen wir vor ihm. Die Gruppe, deren Figuren wei? waren (der Rest der Statue war aus schwarzem Marmor), hatte ungefahr anderthalbfache Lebensgro?e. Eine der Figuren stellte einen jungen Mann mit edlen Gesichtszugen und vollendeter Gestalt dar, der schwermutig auf einem Bette liegt. Ein Arm hing nachlassig uber den Rand des Bettes, wahrend er den Kopf auf den anderen stutzte, wobei die herabwallenden Locken ihn halb verdeckten. Uber ihn gebeugt stand eine weibliche Gestalt mit einem reich drapierten Gewand. Ihre Hand ruhte leicht auf seiner Stirn. Diese Frau war von einer solch strahlend wei?en Schonheit, da? der Betrachter unwillkurlich den Atem anhielt. Und erst der stille Zauber, der auf ihrem vollendeten Antlitz ruhte - es fehlen mir die Worte, ihn zu beschreiben! Er ruhte auf ihren Zugen wie das Lacheln eines Engels; Macht, Liebe, Gottlichkeit - all dies schien aus ihrem Blick zu sprechen. Sie schaute den schlummernden Jungling an, und das vielleicht Au?ergewohnlichste an diesem Meisterwerk war die frappierende Naturtreue, in der es dem Kunstler gelungen war, auf dem erschopften, sorgen-umwolkten Gesicht des Schlafenden den Ausdruck der plotzlich aufkeimenden Hoffnung wiederzugeben, die in dem Augenblick eintritt, da der Zauber in seinem Geiste zu wirken beginnt. Es hatte fast den Anschein, als brache eine Inspiration in die Dunkelheit seiner Seele, wie die Morgendammerung uber die Dunkelheit der Nacht. Es war in der Tat ein gro?artiges Meisterwerk der Bildhauerkunst, wie es nur ein wahrer Genius vollendet haben kann.

Zwischen den schwarzen Marmorsaulen waren ebenfalls Statuen gruppiert; einige von ihnen stellten allegorische Motive dar, andere verstorbene Monarchen und ihre Frauen oder beruhmte Manner. Keine dieser Statuen jedoch kam unserer Meinung nach auch nur annahernd jenem gro?artigen Kunstwerk gleich, das ich hier beschrieben habe, obwohl verschiedene darunter ebenfalls von der Hand des gro?en Bildhauers und Architekten, Konig Rademas, sind.

Im Mittelpunkt der Halle befand sich ein massiver Klotz aus schwarzem Marmor. Er hatte etwa die Gro?e eines Babystuhls und ahnelte ihm auch ein wenig in der Form. Dieser Marmorblock war, wie wir spater noch erfuhren, der heilige Stein dieses bemerkenswerten Volkes. Auf ihn legten die Monarchen nach der Kronungszeremonie ihre Hand und schworen bei der Sonne, das Reich mit allen Mitteln zu schutzen und zu verteidigen und seine Gebrauche, Traditionen und Gesetze zu befolgen und zu bewahren. Dieser Stein war allem Anschein nach uralt, und langs seiner Seiten waren lange Linien eingekerbt, was, wie Sir Henry mir erklarte, der Beweis dafur war, da? er einmal vor Urzeiten in der eisernen Umklammerung eines Gletschers gewesen sein mu?te. Um diesen Marmorblock, der dem Volksglauben nach von der Sonne gefallen war, rankte sich eine merkwurdige Prophezeiung; namlich da?, wenn er einst in Stucke zersprange, ein Konig, der einer fremden Rasse entstammte, die Herrschaft uber das Reich antreten wurde. Der Stein sah indessen so bemerkenswert solide aus, da? die angestammten Prinzen wohl eine gute Chance hatten, ihre Herrschaft noch fur einige Jahrhunderte zu behalten.

Am Ende der Halle befand sich ein Podium, welches mit dicken, reich verzierten Teppichen ausgelegt war. Auf diesem Podium standen nebeneinander zwei Thronsessel. Diese Thronsessel, die die Form gro?er Stuhle hatten, bestanden aus massivem Gold. Die Sitzflachen waren dick ausgepolstert, die Ruk-kenlehnen hingegen waren nackt. Auf jeder der beiden Ruckenlehnen befand sich ein gro?es Sonnenemblem, das seine feurigen Strahlen in alle Richtungen aussandte. Als Fu?stutzen dienten zwei liegende Lowen aus purem Golde, deren Augen aus gelb schimmernden Topasen bestanden.

Ihr Licht bekam die Halle aus zahlreichen schmalen Fenstern, die ziemlich weit oben in die Wand gebrochen waren. Sie erinnerten ein wenig an Schie?scharten, wie man sie in alten Schlossern sieht. Glas hatten sie keines; diesen Werkstoff kannte man hier offensichtlich nicht.

So also sah die gro?artige Halle aus, in der wir uns befanden. Die recht ausfuhrliche Beschreibung grundet sich naturlich auf die etwas eingehendere Betrachtung, zu der wir bei spateren Besuchen noch Gelegenheit haben sollten. Im Augenblick jedenfalls hatten wir nur wenig Zeit, uns alles genauer anzusehen, denn als wir die Halle betraten, sahen wir, da? sich eine gro?e Anzahl von Mannern vor den zwei Thronsesseln versammelt hatten, die indes noch unbesetzt waren. Einige von ihnen, offenbar ihre Anfuhrer, sa?en auf reichlich mit Schnitzwerk geschmuckten Holzstuhlen, die links und rechts von den Thronsesseln aufgereiht waren, jedoch nicht davor. Sie trugen wei?e Kittel mit mannigfachen Stickereien und Saumen von verschiedenen Farben und waren mit den ublichen durchbrochenen und mit Gold besetzten Schwertern bewaffnet. Der Wurde ihrer Erscheinung nach zu urteilen, schienen es allesamt Personlichkeiten von hochstem Range zu sein. Hinter jedem dieser Manner drangte sich eine kleine Gruppe von Gefolgsleuten und Dienern.

Etwas abseits davon, zur Linken der beiden Thronsessel, sa? eine Gruppe von Mannern ganz anderen Geprages. Statt des ublichen Rockes trugen sie lange Roben aus wei?em Leinenstoff. Ihre Brust zierte das mit Goldfaden eingewebte Sonnenemblem, das auch die Ruckenlehnen der Thronsessel zierte. Dieses Gewand wurde uber der Hufte zusammengehalten von einer einfachen goldenen Kette, die etwa die Starke einer Kandare hatte. Von diesem Kettengurtel hingen lange, elliptische Platten, ebenfalls aus Gold, herab. Sie waren gestaltet wie die Schuppen eines gro?en Fisches und klirrten und reflektierten das Licht, sobald sich ihre Trager bewegten. Es waren durchwegs Manner reiferen Alters mit ernsten und eindrucksvollen Gesichtern, die durch ihre langen Barte noch beeindruckender wirkten.

Einer von diesen Mannern fiel uns ganz besonders auf. Er schien unter den anderen Mannern der Gruppe eine Sonderstellung einzunehmen. Er war von sehr hohem Alter - mindestens achtzig - und von imponierender Gro?e. Sein langer, schneewei?er Bart fiel ihm uber die Brust bis zum Gurtel hinab. Sein Gesicht erinnerte an einen Adler; die Zuge schienen wie gemei?elt, und seine grauen Augen hatten einen kalten Ausdruck. Die Haupter der anderen waren unbedeckt; dieser Mann hingegen trug eine runde, goldbestickte Kappe. Wir schlossen daraus, da? er eine Personlichkeit von hochstem Range war; und tatsachlich - wie sich spater herausstellte - handelte es sich bei diesem Mann um Agon, den hochsten Priester des Landes. Als wir uns naherten, erhoben sich alle diese Manner, einschlie?lich der Priester, und verbeugten sich tief vor uns, wobei sie gleichzeitig die zwei Finger zum Gru?e uber die Lippen legten. Dann traten mit lautlosem Schritt Diener zwischen den Saulen hervor und stellten eine Reihe von drei Stuhlen vor den Thronsesseln auf. Wir drei setzten uns darauf, Umslopogaas und Alphonse stellten sich hinter uns. Kaum hatten wir Platz genommen, als eine Fanfare von irgendeinem Gang zur Rechten erscholl. Unmittelbar danach erklang eine ganz ahnliche Fanfare von der linken Seite her. Als nachstes trat ein Mann mit einem langen wei?en Elfenbeinstab direkt vor den Thronsessel zur Rechten und rief mit lauter Stimme etwas aus, das mit dem Wort Nylephta endete. Dieses Wort wiederholte er dreimal. Ein anderer Mann, der genauso gekleidet war und ebenfalls einen Elfenbeinstab trug, trat vor den anderen Thron und rief einen ahnlichen Satz aus, welcher jedoch mit dem Wort Sorais endete. Auch er wiederholte das letzte Wort dreimal. Von den beiden Seiteneingangen erscholl jetzt der Marschtritt bewaffneter Manner, und herein kamen etwa zwanzig besonders ausgesuchte, prachtvoll ausstaffierte Leibwachter, die sich zu beiden Seiten der Thronsessel aufstellten. Mit metallischem Gerassel stie?en sie alle gleichzeitig ihre mit eisernen

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