gefallen, hatte ich gewu?t, da? er gerade dabei war, im Namen der schandlichst beleidigten Ehre seines Gottes mit bewegten Worten zu fordern, da? wir alle funf geopfert werden sollten, indem man uns bei lebendigem Leib verbrannte.

Als er seine Anklagerede beendet hatte, sprach die Konigin Sorais mit sanfter und melodischer Stimme zu ihm. Seinen ablehnenden Gesten nach zu urteilen, schien sie ihm die andere Seite der Frage darzulegen. Dann sprach Nylephta in sanft flie?endem Ton. Spater sollten wir erfahren, da? sie in jenem Augenblick dafur pladierte, da? wir am Leben blieben. Schlie?lich wandte sie sich um und sprach zu einem gro?en, soldatisch wirkenden Mann mittleren Alters, der einen schwarzen Bart hatte und ein langes, schmuckloses Schwert trug. Er hie?, wie wir spater erfuhren, Nasta, und er war der machtigste Furst des Landes. Offensichtlich wollte Nylephta ihn um Unterstutzung bitten. Nun war mir jedoch nicht entgangen, da? dieser Mann deutlich bemerkt hatte, da? Nylephta beim Anblick von Sir Henry heftig errotet war, und -schlimmer noch - dieser Vorfall schien ihm au?erst unangenehm gewesen zu sein, denn ich sah, wie er sich auf die Lippen bi? und mit der Rechten den Griff seines Schwertes heftig umklammerte. Spater erfuhren wir, da? er der aussichtsreichste Kandidat fur die Hand dieser Konigin war; das erklarte naturlich seine Reaktion. Nylephta hatte sich in diesem Moment mit ihrem Ansinnen an keine ungeeignetere Person wenden konnen; mit schleppender, schwerer Stimme schien er all das nur noch zu bestatigen und zu untermauern, was der Hohepriester Agon gegen uns vorgebracht hatte. Wahrend er noch sprach, stutzte Sorais ihren Ellenbogen auf das Knie, legte ihr Kinn auf die Handflache und betrachtete ihn mit einem unterdruckten Lacheln auf den Lippen, so als durchschaue sie den Mann voll und ganz. Sie schien entschlossen, ihm Paroli zu bieten. Nylephta hingegen wurde sehr wutend; das Blut scho? ihr in die Wangen, ihre Augen blitzten wild auf, und sie sah einfach hinrei?end aus. Schlie?lich wandte sie sich Agon zu und schien wohl eine Art eingeschrankter oder bedingter Zustimmung zu geben; denn er verbeugte sich bei ihren Worten. Und wahrend sie sprach, unterstrich sie ihre Worte mit lebhaften Gesten, wahrend Sorais die ganze Zeit uber mit aufgestutztem Kinn dasa? und lachelte. Dann gab Nylephta plotzlich ein Zeichen, die Fanfaren erschollen wieder, und alle erhoben sich, um die Halle zu verlassen, au?er uns und der Leibwache, die sie zu bleiben aufforderte.

Als alle fort waren, beugte sie sich zu uns vor, lachelte uns zu und versuchte, uns teils mit Hilfe von Gesten, teils mit Ausrufen, zu erklaren, da? sie neugierig darauf war, zu erfahren, wo wir herkamen. Die Schwierigkeit war nur: wie sollten wir es ihr blo? erklaren? Schlie?lich hatte ich eine Idee: Ich hatte ja mein gro?es Notizbuch und einen Bleistift in der Tasche. Ich holte beides hervor, machte eine kleine Skizze von dem See, und dann malte ich, so gut ich konnte, den unterirdischen Flu? und den See am anderen Ende des Flusses auf das Blatt. Als ich die Zeichnung fertig hatte, machte ich ein paar Schritte zu den Stufen des Throns hin und uberreichte ihr das Notizbuch. Sie begriff sofort, was die Zeichnung darstellte, und klatschte verzuckt in die Hande. Dann stieg sie von ihrem Thron und zeigte es ihrer Schwester Sorais, die es ebenfalls sofort verstand. Dann nahm sie selbst den Bleistift, betrachtete ihn einen Augenblick lang neugierig und machte dann selbst eine Reihe allerliebster kleiner Zeichnungen. Die erste stellte sie selbst dar, wie sie beide Hande zum Willkommensgru? ausstreckte. Der Mann, der ihr dabei auf der Zeichnung gegenuberstand, hatte eine verteufelte Ahnlichkeit mit Sir Henry. Als nachstes zeichnete sie ein hubsches kleines Bild, auf dem ein Flu?pferd abgebildet war, das sich sterbend im Wasser herumwalzte. Am Ufer stand ein Mann, in dem wir ohne Muhe Agon, den Hohepriester, wiederer kannten, der mit einem Ausdruck des Entsetzens die Hande uber dem Kopf zusammenschlug. Dann folgte die hochst beangstigende Darstellung eines brennenden Scheiterhaufens, in den uns dieselbe Person vom vorherigen Bild, namlich Agon, mit einem an der Spitze gegabelten, langen Spie? hineinstie?.

Dieses Bild erfullte mich mit Schrecken; ich war jedoch wieder ein wenig beruhigt, als sie freundlich nickte und sich anschickte, ein viertes Bild zu zeichnen. Es zeigte einen Mann, der wieder Sir Henry verteufelt ahnlich sah, und zwei Frauen, in denen ich Sorais und sie selbst erkannte, die beide je einen Arm um ihn gelegt hatten und mit dem anderen schutzend ein Schwert uber ihn hielten. Zu allen diesen Bildern gab Sorais, die, wie ich bemerkte, uns sorgfaltig in Augenschein nahm - insbesondere Curtis, ihre Zustimmung, indem sie jedesmal ausdrucklich nickte.

Schlie?lich zeichnete Nylephta noch eine letzte Skizze, auf der eine aufgehende Sonne zu sehen war; das sollte bedeuten, da? sie nun gehen mu?te, und da? wir uns am darauffolgenden Morgen wiedersehen wurden. Als Curtis dieses Bild sah, machte er ein so bekummertes Gesicht, da? es der blonden Konigin nicht entging. Sie reichte ihm ihre Hand zum Kusse -ich vermute, um ihn zu trosten -, und er nahm sie und ku?te sie feurig und galant. Zugleich belohnte Sorais Good, der wahrend der ganzen Indaba (Unterredung) nicht eine Sekunde lang den Blick von ihr gewandt hatte, ebenfalls, indem sie ihm ihre Hand zum Kusse darbot. Ich bemerkte jedoch, da? sie, wahrend Good ihr die Hand ku?te, unablassig Sir Henry anschaute. Ich war ganz froh, nicht in dieses Spielchen mit einbezogen zu sein; mir jedenfalls bot keine der beiden ihre Hand zum Kusse dar.

Danach wandte sich Nylephta um und sprach mit dem Mann, der dem Anschein nach das Kommando uber die Leibwache innehatte; ihrer Gestik und ihrer festen Stimme nach zu urteilen, sowie der Tatsache, da? er sich zwischendurch mehrere Male leicht vor ihr verbeugte, schien sie ihm klare und eindeutige Anweisungen zu geben. Nachdem sie dies getan hatte, verlie? sie, gefolgt von Sorais und dem gro?ten Teil der Leibwache, mit einem koketten Lacheln auf den Lippen die Halle.

Als die Koniginnen fort waren, trat der Offizier, mit dem Nylephta gesprochen hatte, auf uns zu und fuhrte uns aus der Halle hinaus und durch zahlreiche Flure und Gange in einen Teil des Palastes, der aus mehreren verschwenderisch ausgestatteten Gemachern bestand, die alle von einem gro?en, zentralen Saal aus zuganglich waren, der von Messinglampen, die von der Decke hingen, erleuchtet (inzwischen hatte es schon zu dammern begonnen) und mit dik-ken Teppichen und Diwanen ausgestattet war. Wah-rend des ganzen Weges dorthin bekundete uns der Offizier immer wieder mit Gesten seine Ehrerbietung.

Auf dem Tisch in der Mitte des Saales befanden sich Speisen und Fruchte im Uberflu?; daruber hinaus war er mit Blumen geschmuckt. Au?erdem gab es kostlichen Wein aus alten, tonernen Krugen und dazu wunderschon ziselierte Becher aus goldgefa?tem Elfenbein. Eine Anzahl von Dienern und Dienerinnen stand bereit, unsere Wunsche zu erfullen, und wahrend wir speisten, ertonte von irgendwoher der silberne Klang einer Laute, umrahmt von den stolzen, herrischen Tonen einer Fanfare, und wir waren nahe daran, uns wie in einem Paradies auf Erden zu fuhlen. Der einzige bittere Tropfen im Becher unseres Wohlgefuhls war der Gedanke, da? uns dieser abscheuliche Hohepriester den Flammen uberantworten wollte. Aber nach all den Anstrengungen der vergangenen Tage waren wir so mude, da? wir schon fast wahrend des kostlichen Mahles einschlummerten, und als wir es schlie?lich beendet hatten, au?erten wir sofort den Wunsch, schlafen zu gehen.

Die Diener fuhrten uns in unsere Schlafgemacher, jeden in ein eigenes, jedoch gaben wir ihnen zu verstehen, da? wir zu zweit in je einem Raum schlafen wollten. Als zusatzliche Vorsichtsma?nahme lie?en wir Umslopogaas mit seiner Axt in dem Hauptgemach schlafen, welches nahe bei den mit Vorhangen versehenen

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