Stielen versehenen Speere auf den schwarzen Marmorboden. Erneut ertonte schmetternd ein doppelter Fanfarensto?, und dann schritten gleichzeitig von jeder Seite die beiden Koniginnen von Zu-Vendis, jede begleitet von sechs Jungfern, in die Halle. Augenblicklich erhob sich jeder in der Halle Anwesende von seinem Platz, um ihnen seinen Gru? zu entbieten.
Ich habe in meinem Leben manch eine schone Frau gesehen und bin durch den Anblick eines hubschen Gesichts nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen, aber die Sprache versagt mir den Dienst, wenn ich versuche, auch nur eine annahernde Vorstellung von dem ungeheuren Glanz von Schonheit und Liebreiz zu geben, der in jenem Moment in Gestalt dieser beiden koniglichen Schwestern uber uns hereinbrach. Beide waren jung - vielleicht funfundzwanzig Jahre alt -, beide waren gro?gewachsen und von vollendeter Figur; hier jedoch horte schon die Gemeinsamkeit auf. Die eine, Nylephta, war eine Frau von blendender, strahlender Blondheit und Hellhautigkeit; ihre rechte Brust und ihr rechter Arm, die nach dem Brauch ihres Volkes unverhullt waren, hoben sich in ihrer schneewei?en Reinheit sogar noch deutlich gegen ihre wei?e, goldbestickte Toga ab. Und was ihr Gesicht anbetrifft - ich kann nur eines dazu sagen: Es war von solcher Schonheit, da? wohl kaum ein Mann auf der Welt, der es einmal gesehen hat, es je wieder vergessen kann. Ihr Haar, eine wahre Krone leuchtenden Goldes, umkrauselte in kurzen Ringellocken ihren wohlgeformten Kopf und verbarg zur Halfte ihre elfenbeinerne Stirn, unter der zwei Augen von tiefem, prachtvollen Grau in majestatischer Sanftheit schimmerten. Ich will gar nicht erst versuchen, ihre ubrigen Gesichtszuge zu beschreiben, mochte jedoch noch einige Worte ihrem Mund widmen. Er war su?, dabei von hinrei?ender Form; er war geschwungen wie Cupidos Bogen. Uber ihrer ganzen Erscheinung lag eine unbeschreibliche Aura liebevoller Zartlichkeit, erhellt noch von einem Hauch sanften Humors, der auf ihren Zugen lag wie ein leiser Anflug von Silber auf einer rosa Wolke.
Sie trug keine Edelsteine, doch um ihren schwanengleichen Hals, ihren alabasternen Arm und ihren wei? schimmernden Unterschenkel hatte sie die ublichen Ringe aus Gold, welche in ihrem Falle in der Form einer Schlange gearbeitet waren. Ihr Kleid aus feinstem wei?en Linnen war verschwenderisch mit goldenen Stickereien versehen, von denen einige das schon beschriebene Sonnenemblem darstellten.
Ihre Zwillingsschwester Sorais verkorperte den anderen, dunklen Typ von Schonheit. Ihr Haar war gelockt wie das von Nylephta, jedoch von pechschwarzer Farbe. Es fiel ihr dicht und schwer uber die Schultern. Ihre Gesichtsfarbe ging ins Oliv, und ihre gro?en, dunklen Augen hatten einen tiefen, geheimnisvollen Glanz. Ihre vollen, uppigen Lippen hatten einen - wie mir schien - grausamen Ausdruck. Auf eine hintergrundige Weise ging von ihren Zugen, so ruhig, ja kalt sie auch schienen, eine Ausstrahlung tief im Verborgenen schlummernder Leidenschaft aus; unwillkurlich fragte ich mich, wie es wohl aussehen wurde, wenn irgend etwas geschahe, was diese gebandigte Leidenschaft erweckte. Ihr Gesicht erinnerte mich an die tiefe See, die selbst unter blauestem Himmel niemals das sichtbare Geprage ihrer Macht und Starke verliert, und die auch in ihrem leise murmelnden Schlaf erfullt ist vom Geiste des Sturmes. Ihre Figur war wie die ihrer Schwester von absoluter Vollendung, vielleicht ein wenig runder, und ihr Kleid war dem ihrer Schwester vollig gleich.
Als dieses liebreizende Paar seinem Thronsessel zustrebte, herrschte in der Halle absolute Stille. Ich war geneigt, mir einzugestehen, da? sie in der Tat genau meine Vorstellung wahrer Konigswurde verkorperten. Und wahrhaft koniglich waren sie in jeder Hinsicht - in ihrer Gestalt, in ihrer Anmut und in ihrer koniglichen Erhabenheit und dem barbarischen Glanze des sie umgebenden Pompes. Mir schien es, als hatte es keiner Leibwache und keines Goldes bedurft, ihre Macht zur Schau zu stellen und die Loyalitat widerspenstiger und eigensinniger Manner zu gewinnen. Ein Blick aus jenen strahlenden Augen oder ein Lacheln jener su?en Lippen, und solange das rote Blut in den Adern der Jugend flie?t, wird es solchen Frauen niemals an Untertanen ermangeln, die bereit sind, ihre Wunsche selbst auf die Gefahr des Todes hin zu erfullen.
Aber schlie?lich waren sie doch in erster Linie Frauen, und erst dann Koniginnen, und somit auch nicht gegen weibliche Neugier gefeit. Als sie zu ihren Thronsesseln schritten, sah ich, da? sie beide ganz schnell und verstohlen in unsere Richtung blickten. Ich sah auch, da? mich ihr Blick nur streifte, da es doch an der Person eines unscheinbaren, ergrauten alten Mannes nichts gab, das ihn hatte fesseln konnen. Mit unverhohlenem Staunen hingegen blieb er an der Gestalt des grimmigen Riesen Umslopogaas haften, der zum Gru?e seine Axt herhob. Dann wurde ihr Blick von dem prachtigen Gewand Goods angezogen, und eine Sekunde lang hing er auf ihm wie eine Biene uber dem Kelch einer Blute, bevor er wie ein Blitz dahin scho?, wo Sir Henry Curtis stand. Das Sonnenlicht, das durch ein Fenster hereindrang, spielte auf seinen hellblonden Haaren und auf seinem Spitzbart und zeichnete die Umrisse seines kraftigen, gro?gewachsenen Korpers gegen das Zwielicht der irgendwie duster wirkenden Halle. Er hob die Augen, und voll traf sein Blick den Nylephtas. Dieses war das erste Mal, da? sich der schonste Mann und die schonste Frau, die je zu sehen mir vergonnt war, einander in die Augen schauten. Und ich wei? nicht warum, aber ich sah, da? das Blut Nylephta ins Gesicht scho?, wie das rote Licht der Morgensonne den Himmel uberflutet. Ein sanftes Rot trat auf ihren alabasternen Busen und auf ihren wohlgeformten Arm, und auch ihr schwanengleicher Hals errotete heftig; ihre sanft geschwungenen Wangen bekamen die Farbe einer Rosenblute, und dann versank die rote Flut wieder so, wie sie gekommen war und lie? sie bleich und zitternd zuruck.
Ich warf einen verstohlenen Blick auf Sir Henry. Auch er war heftig errotet.
Lieber Himmel! dachte ich, die Ladys sind auf den Plan getreten, und jetzt brauchen wir nur noch abzuwarten, wie sich das Intrigenspiel ganz von selbst entwickelt. Und mit einem Seufzen schuttelte ich den Kopf; denn ich wu?te, da? die Schonheit einer Frau wie die Schonheit eines Blitzes ist - zerstorerisch und nur allzuoft die Ursache von Kummer und Gram. Ich war noch tief in solcherlei Gedanken versunken, als sich die beiden Koniginnen schon auf ihren Thronsesseln niedergelassen hatten; all dies, wovon ich soeben berichtet habe, hatte kaum mehr als zehn Sekunden gedauert. Erneut erschollen die unsichtbaren Fanfaren, und dann nahm der ganze Hof wieder auf den Stuhlen Platz, und Konigin Sorais bedeutete uns mit einer Geste, uns ebenfalls hinzusetzen.
Als nachstes trat unser Fuhrer, jener alte Mann, der uns in den Hafen geschleppt hatte, aus der Menge, in die er sich zuruckgezogen hatte, hervor; an der Hand hielt er das Madchen, dem wir ganz zuerst begegnet waren, und das wir spater vor dem Flu?pferd gerettet hatten. Er machte eine tiefe Verbeugung und sprach dann zu den beiden Koniginnen. Offensichtlich beschrieb er ihnen, wie und wo wir entdeckt worden waren. Es war hochst amusant zu beobachten, wie sich die Verbluffung, vermengt mit Furcht, auf ihren Gesichtern widerspiegelte, wahrend sie seinem Bericht gespannt lauschten. Es war ihnen naturlich ein absolutes Ratsel, wie wir den See erreicht hatten, und wahrscheinlich schrieben sie unsere Anwesenheit ubernaturlichen Kraften zu. Nun kam, wie ich aus der Haufigkeit schlo?, mit der unser Fuhrer auf das Madchen deutete, der Bericht auf den Punkt zu sprechen, wo wir die Flu?pferde erschossen hatten, und sogleich fiel uns auf, da? es mit diesen Flu?pferden irgend etwas Besonderes auf sich gehabt haben mu?te; denn nun wurde der Bericht haufig durch zornige Ausrufe aus den Reihen der Priester unterbrochen, und auch aus den Reihen der Hoflinge ertonte hier und da ein Ruf der Entrustung. Die beiden Koniginnen hingegen horten mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen zu, besonders, als der alte Mann auf unsere Gewehre zeigte. An dieser Stelle mochte ich, um die Sache gleich klarzustellen, erklaren, was es mit den Flu?pferden auf sich hatte. Die Bewohner von Zu-Vendis sind Sonnenanbeter, und aus irgendeinem Grund gilt das Flu?pferd bei ihnen als heiliges Tier. Nicht, da? sie es nicht toteten - im Gegenteil; in einer bestimmten Jahreszeit schlachten sie die Tiere, die eigens zu diesem Zwecke in gro?en Seen im Hochland gehalten werden, gleich zu Tausenden ab und benutzen ihre Haute zur Herstellung von Panzern fur die Soldaten - aber dies halt sie nicht davon ab, dieses Tier als ein der Sonne geweihtes Wesen anzusehen[10]. Und wie es das Pech nun einmal gewollt hatte, gehorten die Flu?pferde, die wir erlegt hatten, zu einer Familie von zahmen Tieren, die in der Hafenmundung gehalten und tagtaglich von Priestern gefuttert wurden, deren einzige Aufgabe darin bestand, fur eben diese Tiere, die wir nun erschossen hatten, zu sorgen. Schon als wir die Tiere erschossen hatten, war mir aufgefallen, wie eigenartig zahm sie waren. Der Grund dafur war nun naturlich vollig klar. So hatten wir also das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was wir eigentlich erreichen wollten: statt einen imponierenden Eindruck zu hinterlassen, hatten wir ein unverzeihliches Sakrileg begangen.
Als unser Fuhrer mit seinem Bericht fertig war, erhob sich der Greis mit dem langen Bart und der runden Kappe, den ich bereits beschrieben habe, und der, wie ich ebenfalls bereits sagte, der oberste Priester des Landes war, Agon mit Namen, von seinem Platze und hielt eine leidenschaftliche Rede. Der Ausdruck seiner kalten, grauen Augen, deren Blicke uns zwischendurch fixierten, gefiel mir uberhaupt nicht. Er hatte mir noch viel weniger