warten. Sofort hielten wir Kriegsrat ab; und da uns klar war, da? au?erste Gefahr fur unser Leib und Leben drohte, beschlossen wir, fur den Fall, da? man uns ans Leder wollte, dieses so teuer wie moglich zu verkaufen - Umslopogaas kundigte seinen festen Entschlu? an, da? er dem Hohepriester Agon das ehrwurdige Haupt mit Inkosi-kaas spalten wollte. Von der Stelle aus, an der wir uns befanden, konnten wir deutlich sehen, da? eine riesige Menschenmenge in den Tempel stromte, offenbar in Erwartung eines au?ergewohnlichen Spektakels, und ich konnte mich nicht ganz von dem Gedanken losen, da? dieses Spektakel etwas mit uns zu tun hatte. An dieser Stelle mochte ich noch zur Erlauterung der Situation hinzufugen, da? jeden Tag, wenn das Sonnenlicht auf den Hauptaltar fallt, unter dem Schall der Fanfaren der Sonne ein Brandopfer dargeboten wird, welches aus dem Kadaver eines Schafes oder eines Ochsen besteht, gelegentlich auch aus Fruchten oder Getreide. Dieses Ereignis findet gegen Mittag statt; naturlich nicht immer genau um zwolf Uhr, aber da Zu-Vendis nicht weit vom Aquator entfernt liegt - trotz dieser Lage hat es aufgrund seiner Hohe ein so angenehm gema?igtes Klima -, fallen die Sonnenstrahlen fast immer gegen Mittag auf den Altar. An jenem Tage sollte das Opfer um acht Minuten nach zwolf stattfinden.

Um Punkt zwolf Uhr erschien ein Priester, gab ein Handzeichen, und der Hauptmann der Garde bedeutete uns, da? wir nun nach vorn gehen sollten. Wir versuchten, dabei soviel au?ere Gelassenheit an den Tag zu legen, wie nur eben moglich. Eine Ausnahme bildete naturlich wieder einmal der ungluckselige Alphonse, dessen Zahne auf der Stelle laut zu klappern begannen. Ein paar Sekunden spater waren wir aus dem Hof heraus und traten ins Innere der Halle. Dort wartete schon eine riesige Menschenmenge neugierig darauf, einen Blick auf die geheimnisvollen Fremden zu erhaschen, die das Sakrileg begangen hatten, die ersten Fremden, die - soweit die Menge wu?te - seit Menschengedenken ihren Fu? auf Zu-Vendis gesetzt hatten.

Bei unserem Erscheinen ging sofort ein aufgeregtes Getuschel und Gemurmel durch die riesige Menschenmenge, die sich ringsum bis dicht an die Wand der Halle drangte, das sich auf schaurige Art und Weise in der riesigen Kuppel brach und wie ein Echo zuruckhallte, und wir sahen, da? auf dem Meer von Gesichtern eine Rote der Erregung erschien, die aussah wie der rosa Schimmer der untergehenden Sonne auf einer langgestreckten wei?en Wolkenbank. Es war ein unheimlicher, alles andere als beruhigender Anblick.

Wir schritten weiter durch eine Gasse, die sich zwischen den Leibern bildete, bis wir schlie?lich auf dem Messingboden auf der Ostseite des Altars standen, den letzteren direkt vor Augen. Eine Flache im Umkreis von vielleicht drei?ig Fu? um die Engelsfiguren herum war mit Seilen abgesperrt, und die Menge drangte sich dicht hinter der Absperrung. Vor den Seilen standen in einem Kreis mehrere Priester in wei?en Roben mit ihren goldenen Kettengurteln und hielten lange, goldene Fanfaren in den Handen; und unmittelbar vor uns stand unser alter Freund Agon, der Hohepriester, mit seiner eigentumlichen Kappe auf dem Kopf. Er war der einzige in der riesigen Menge, der eine Kopfbedeckung trug. Wir stellten uns auf die Messingplatte, ohne zu ahnen, was fur eine nette Uberraschung uns darunter erwartete; ich glaubte indessen, ein seltsames Zischen wahrzunehmen, das ganz offensichtlich vom Boden herkam, und fur das ich keine Erklarung fand. In den folgenden Minuten passierte uberhaupt nichts, und ich lie? meinen Blick durch die Runde schweifen, um zu sehen, ob ich irgendwo die beiden Koniginnen Nylephta und Sorais entdecken konnte; aber sie waren nirgends zu sehen. Zu unserer Rechten jedoch befand sich eine freie Stelle, und ich vermutete, da? sie fur die Koniginnen reserviert war.

Wir warteten. Kurze Zeit spater erscholl von irgendwoher der Klang einer Fanfare - vermutlich aus der Kuppel -, und erneut ging ein aufgeregtes Raunen durch die Menge. Und dann schritten wir durch eine lange Gasse, die zu dem freien Platz rechts von uns fuhrte, Seite an Seite die beiden Koniginnen. Hinter ihnen kamen ein paar Adelige des Hofes, darunter auch der gro?e Furst Nasta, und dann folgte eine Leibwache, bestehend aus etwa funfzig Soldaten. Der Anblick der letzteren lie? mich erleichtert aufatmen. Bald hatten sie alle auf dem freien Platz ihre Position eingenommen; die beiden Koniginnen in vorderster Reihe, links und rechts neben ihnen die Hoflinge, und dahinter in einem doppelten Halbkreis die Gardisten.

Wieder herrschte fur einen Augenblick absolute Stille. Ich sah, wie Nylephta plotzlich aufblickte und versuchte, meinen Blick auf sich zu ziehen; sie schien mir mit ihrem Blick irgend etwas mitteilen zu wollen, und ich folgte mit meinen Augen so unauffallig wie moglich den ihrigen. Ihr Blick wanderte langsam hinunter an die Stelle, wo sich die Bodenplatte aus Messing befand, auf deren au?erster Kante wir standen. Dann machte sie mit dem Kopf eine leichte, kaum merkliche Seitwartsbewegung. Ich verstand nicht sogleich, was sie damit sagen wollte, und sie wiederholte die Bewegung. Diesmal glaubte ich, da? sie uns sagen wollte, da? wir von der Bodenplatte zurucktreten sollten. Ein weiterer Blick, und ich war ganz sicher - die Messingplatte bedeutete Gefahr fur uns! Sir Henry stand rechts von mir, Umslopogaas links. Ohne meinen Blick, der geradeaus auf den Altar gerichtet war, abzuwenden, flusterte ich leise und unauffallig zuerst auf Zulu und dann auf englisch, da? sie langsam, Zoll fur Zoll, zurucktreten sollten, bis ihre Schuhe den festen Marmorboden erreicht hatten, der sich unmittelbar an die Kante der Messingplatte anschlo?. Sir Henry flusterte die Nachricht Good zu, und dieser gab sie an Alphonse weiter, und dann schoben wir uns langsam, unendlich langsam, zuruck; wir gingen dabei in der Tat so behutsam vor, da? niemand, abgesehen von Nylephta und Sorais, die aus den Augenwinkeln unser Zuruckweichen verfolgten, auch nur das geringste mitbekam. Als wir weit genug waren, schaute ich wieder Nylephta an, und ich sah, da? sie mit einem kaum merklichen Nik-ken ihrer Befriedigung Ausdruck gab. Agon hatte die ganze Zeit uber tief versunken den Altar angestarrt; vermutlich befand er sich in einem Zustand kontemplativer Ekstase, und ich hatte meinen Blick auf sein Kreuz geheftet, ebenfalls in einem - wiewohl ganz anders gearteten - Zustand der Ekstase. Plotzlich warf er seine langen Arme hoch, und mit feierlicher, bebender Stimme verfiel er in eine Art liturgischen Gesang. Der Bequemlichkeit halber mochte ich hier eine grobe, aber wirklich sehr grobe Ubersetzung dieses Gesanges beifugen, obwohl ich naturlich zu dem Zeitpunkt die Bedeutung des Inhaltes uberhaupt noch nicht verstand. Es war ein Bittgesang an die Sonne, der ungefahr wie folgt lautete:

Es herrscht Stille uber der Erde und uber den Wassern! Furwahr, die Stille brutet uber den Wassern wie der Vogel in seinem Nest; Die Stille schlummert auch auf dem Busen der tiefen Finsternis. Nur hoch oben im All spricht Stern mit Stern. Die Erde ist ohnmachtig und schwach vor Sehnsucht und na? von den Tranen ihres Verlangens; Die sternenumgurtete Nacht umarmt sie, aber sie kann ihr keinen Trost spenden. Sie liegt gehullt in die Tucher des Nebels wie der Leichnam im Totengewand. Und sie streckt ihre blasse Hand gen Osten. Und siehe! Weit hinten im Osten erhebt sich der Hauch eines Lichtes; Die Erde erblicket das Licht und erhebt sich. Sie schaut uber den Rand ihrer hohlen Hand hinweg. Und dann erheben sich Deine machtigen Engel von Deiner Heiligen Statte, o Sonne, Sie werfen ihre flammenden Speere in den Leib der Dunkelheit und machen ihn schrumpfen. Sie ersturmen den Himmel und sturzen die bleichen Sterne von ihrem Thron; Ja, sie schleudern die unbestandigen Sterne zuruck in den Scho? ihrer Mutter, der Nacht; Sie lassen den Mond erblassen, so da? sein Gesicht matt und bleich wird wie das Antlitz eines sterbenden Menschen, Und siehe da! Du erscheinst in all deiner Pracht, o Sonne! Oh, Du Schone, die Du gehullet bist in ein Gewand aus Feuer! Der unendliche Himmel ist Deine Stra?e; Du rollst uber sie hin wie ein Triumphwagen. Die Erde ist Deine Braut; Du kussest sie, und sie gebiert Dir ihre Kinder; Ja, Du bist der allmachtige Vater und der Spender allen Lebens, o Sonne! Die kleinen Kinder strecken ihre Hande nach Dir aus und wachsen auf in dem Glanze Deines Lichts;
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