»Ja«, sagte der alte Zulu. »Keine Angst, ich hatte sie schon rechtzeitig getotet, noch bevor sie hatte zustechen konnen. Ich habe nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.«

Ich sagte dazu nichts weiter, aber irgendwie hatte ich die leise Ahnung, da? das Leben vieler tausend Unschuldiger hatte gerettet werden konnen, wenn der Zulu Sorais das Schicksal hatte zukommen lassen, das sie ihrer Schwester zugedacht hatte. Und, wie die spateren Ereignisse noch beweisen sollten: ich sollte mit meiner Vermutung recht behalten.

Nachdem Umslopogaas seine Geschichte zu Ende erzahlt hatte, ging er ungeruhrt sein Fruhstuck einnehmen. Sir Henry und ich diskutierten hingegen die Situation.

Er war hochst erbittert uber Goods Verhalten und meinte, man durfe ihm nicht langer vertrauen.

Schlie?lich habe er in voller Absicht Sorais uber eine geheime Treppe entkommen lassen, wo es eigentlich seine Pflicht gewesen ware, sie festzunehmen und der Justiz zu ubergeben. Er war in der Tat ma?los in seiner Bitterkeit und Enttauschung. Ich lie? ihn sich eine Weile austoben, wobei ich im stillen daruber nachdachte, wie leicht es uns doch fallt, uns uber die Fehler und Unzulanglichkeiten anderer zu ereifern, und mit welcher Nachsicht wir uns unsere eigenen Schwachen verzeihen.

»Mein lieber Freund«, sagte ich schlie?lich, »wenn man dich so reden hort, dann sollte man gar nicht glauben, da? du derselbe Mann bist, der erst gestern noch mit dieser Frau eine lange Unterredung hatte, und der mir hinterher erzahlte, wie schwer es ihm gefallen ware, sich der Faszination dieser Person zu entziehen. Und das, obwohl du eine der schonsten und liebenswertesten Frauen der ganzen Welt liebst! Nun stelle dir doch nur einmal vor, es ware Nylephta gewesen, die versucht hatte, Sorais zu ermorden, und du hattest sie dabei ertappt, und sie hatte dich angefleht; warst du dann auch so wild darauf gewesen, sie der offentlichen Schande und dem Feuertod auszuliefern? Sieh die Sache doch einmal ein paar Minuten durch Goods Monokel, bevor du dich dazu hinrei?en la?t, einen guten alten Freund als Schurken zu beschimpfen!«

Er horte sich meine Standpauke gehorsam an und gab rundheraus zu, zu hart gegenuber Good geurteilt zu haben. Es ist eine von Sir Henrys besten Charaktereigenschaften, da? er stets bereit ist, einen Fehler, den er gemacht hat, zuzugeben.

Wenn ich mich auch mit allem Nachdruck fur Good einsetzte, so war ich dennoch nicht blind gegenuber der Tatsache, da? er, so verstandlich und naturlich sein Verhalten auch sein mochte, auf dem besten Wege war, sich in eine heikle Klemme hineinzureiten. Immerhin hatte Sorais versucht, ein Attentat auf ihre Schwester zu veruben, und er hatte die Morderin laufen lassen; damit hatte er ihr unter anderem die Moglichkeit gegeben, ihn voll in der Hand zu haben und jede Art von erpresserischem Druck auf ihn auszuuben. Er war in der Tat auf dem besten Wege, ihr Werkzeug zu werden - und es kann keinem Mann ein schlimmeres Schicksal widerfahren, als das Werkzeug einer skrupellosen Frau zu werden; oder uberhaupt einer Frau. So etwas fuhrt schlie?lich immer zum selben Ende: Wenn er vollends zerbrochen ist, oder wenn er seinen Zweck erfullt hat, dann wird er fallengelassen wie eine hei?e Kartoffel, und dann kann er zusehen, wie er seine verlorene Achtung vor sich selbst wiederfindet. Wahrend ich noch uber diesen Vorfall nachgrubelte und uberlegte, was man in einem solchen Fall am besten machen sollte - war doch die ganze Situation au?erst prekar -, horte ich plotzlich von drau?en auf dem Hof einen Riesenlarm. Ich erkannte sogleich die Stimmen von Umslopogaas und Alphonse; der erstere fluchte wie ein Berserker, wahrend der letztere ein panisches Gebrull von sich gab.

Ich rannte sofort nach unten auf den Hof, um zu sehen, was los war. Unten bot sich meinen Augen ein drolliger Anblick: der kleine Franzose rannte wie von Furien gehetzt uber den Hof, und Umslopogaas scho? wie ein Windhund hinter ihm her. Gerade in dem Moment, als ich aus der Tur trat, erwischte er Alphonse beim Kragen. Er hob ihn buchstablich von den Beinen und trug ihn zu einem nahegelegenen Strauch, der in voller Blute stand. Es war eine Blume, die unserer Gardenie ein wenig ahnelte, jedoch war der ganze Strauch mit kurzen Stacheln bedeckt. Ungeruhrt vom gellenden Geschrei und Gezappel des Franzosen warf Umslopogaas den armen Kerl mit dem Kopf voran mitten in den Strauch, so da? nur noch seine. Unterschenkel und seine Absatze herausguckten. Dann stellte er sich, zufrieden mit seiner Leistung, mit verschrankten Armen vor den Strauch und betrachtete mit grimmigem Lacheln Alphonses verzweifelt strampelnde Beine und lauschte mit sichtlicher Genugtuung seinen gellenden Schmerzensschreien.

»Was tust du da?« schrie ich wutend und rannte zu ihm hin. »Willst du den Mann umbringen? Zieh ihn sofort aus dem Busch heraus!«

Mit einem wilden Grunzen gehorchte der Zulu und packte den ungluckseligen Alphonse beim Fu?gelenk. Und mit einem Ruck, mit dem er ihm beinahe den Fu? ausgerenkt hatte, zog er ihn aus dem Gestrupp heraus. Nie zuvor hatte ich einen bedauernswerteren Anblick gesehen: Alphonses Kleider waren fast vollig zerrissen, und der arme Kerl blutete am ganzen Leib aus den Wunden, die ihm die scharfen Dornen gerissen hatten. Vor Schmerz schreiend walzte er sich auf der Erde, und es war vollig unmoglich, etwas aus ihm herauszubekommen.

Schlie?lich rappelte er sich auf, und aus dem sicheren Schutz meines Ruckens verfluchte er den alten Umslopogaas bei allen Heiligen, mit denen der Kalender aufzuwarten hat; und bei dem Blute seines heroischen Gro?vaters schwor er, ihn zu vergiften und sich furchterlich zu rachen.

Und schlie?lich bekam ich dann auch heraus, worum es eigentlich ging. Gelegentlich kochte Alphonse Umslopogaas seinen Haferschleim, den der letztere, ganz, wie er es auch daheim in Zululand getan hatte, mit einem Holzloffel aus einer Kurbisflasche irgendwo in einer Ecke des Hofes a?. Nun hatte Umslopo-gaas, wie ubrigens sehr viele Zulu, einen gro?en Ekel vor Fisch. Er betrachtete dieses Tier als eine Art Wasserschlange. Alphonse, dem standig der Schalk im Nacken sa?, und der daruber hinaus ein vollendeter Koch war, beschlo? daher, Umslopogaas einen Streich zu spielen, indem er ihn ohne dessen Wissen Fisch essen lassen wollte. Er zerrieb einen wei?en Fisch zu feinem Mehl und mischte dieses unter Umslopogaas' Haferschleim. Dieser a? fast seine ganze Portion auf, ohne zu wissen, was Alphonse damit angestellt hatte. Zu seinem gro?en Ungluck jedoch konnte der Franzose seine diebische Freude daruber nicht verbergen und scharwenzelte immerzu um den Zulu herum, um zu sehen, ob der etwas merkte. Schlie?lich schopfte Umslopogaas, der auf seine Weise ein au?erst kluger Bursche war, Verdacht. Er untersuchte sorgfaltig die Reste seines Haferschleims und entdeckte schlie?lich den »Trick der Buffelkuh«. Seinen daraufhin stattfindenden Rachefeldzug habe ich bereits ausfuhrlich beschrieben. Der kleine Mann konnte wirklich von Gluck reden, da? er noch so glimpflich davongekommen war. Ebensogut hatte der Zulu ihm namlich das Genick brechen konnen. Es ware eigentlich anzunehmen gewesen, da? er aus der Episode in der Missionsstation, als der Zulu ihm die Vorstellung mit der Axt geliefert hatte, gelernt hatte, da? Umslopogaas eine hochst ungeeignete Zielscheibe fur seine Streiche darstellte.

Dieser Zwischenfall war fur sich genommen eigentlich ziemlich unwichtig; ich schildere ihn jedoch deswegen, weil er ernsthafte Konsequenzen nach sich zog. Sobald Alphonse die Blutungen aus seinen Kratzwunden gestillt und sich gewaschen hatte, machte er sich, noch immer laut fluchend, davon, um seine Wut verrauchen zu lassen. Wie ich aus Erfahrung wu?te, dauerte das immer mehrere Tage. Als er fort war, hielt ich Umslopogaas eine lange Gardinenpredigt und sagte ihm, da? ich mich fur sein Verhalten schamte.

»Nun gut, Macumazahn«, erwiderte er. »Du darfst nicht so streng mit mir sein, denn dies ist nicht mein Ort. Ich bin seiner uberdrussig; es langweilt mich zu Tode, immerzu nur zu essen und zu trinken, zu schlafen und von Hochzeiten zu horen. Ich liebe nicht dieses weiche Leben in Steinhausern, das einem Mann das Herz raubt und seine Kraft zu Wasser macht und sein Fleisch in Fett verwandelt. Ich liebe nicht die wei?en Kleider und die eleganten Frauen, den Klang der Fanfaren und die Falkenjagd. Als wir gegen die Masai kampften, dort, in jenem Kraal, ja, da war es noch wert zu leben; hier jedoch fallt niemals ein Hieb im Zorn, und ich fange schon an zu glauben, da? ich den Weg meiner Vater gehe und niemals mehr Inko-si-kaas erhebe.« Er erhob seine Axt und schaute sie kummervoll an.

»Aha!« gab ich ihm zur Antwort, »das also qualt dich, nicht wahr? Du bist wieder einmal vom Blutrausch ergriffen, oder? Der Specht braucht wieder einen Baum, nicht wahr? Und das in deinem Al-ter! Du solltest dich schamen, Umslopogaas!«

»Ja, Macumazahn, mein Geschaft ist ein blutiges, aber dennoch ist es ehrenhafter als manch anderes. Es ist besser, einen Mann im edlen Kampfe zu toten, als ihm das Blut aus dem Herzen zu saugen, indem man kauft und verkauft und ihn durch Wucher zur Strek-ke bringt, wie ihr Wei?en es tut. Manch einen Mann totete ich, und doch gibt es niemand, dem ich nicht mehr in die Augen schauen konnte. Ja, und viele sind da, die einst Freunde waren, und mit denen ich mit gro?tem Vergnugen eine gemeinsame Prise Schnupftabak nehmen wurde. Aber schau! Du gehst deinen Weg, und ich gehe meinen: jeder geht zu seinem eigenen Volk und an seinen eigenen Ort. Der Ochse aus der Hochsteppe stirbt in dem Land, wo es fettes Gras gibt, und so ist es mit mir, Macumazahn. Ich bin rauh und wild, das wei? ich, und wenn mein Blut hei? ist, dann wei? ich nicht, was ich tu; und doch wirst du bekummert sein, wenn die Nacht mich verschluckt und ich in der tiefsten Schwarze verloren bin, denn tief in

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