den Platz einnehmen, der allein den wahren Nachfahren des gro?en Hauses der Treppe gebuhrt? Niemals! Niemals! Solange noch Leben in meinem Busen ist, und solange es noch einen Mann gibt, der bereit ist, mir zu folgen, und solange es noch einen Speer gibt, mit dem man zusto?en kann, wird dies nicht geschehen.

Nun ubergib mir diesen fremdlandischen Wolf und jene, die mit ihm hierherkamen, auf da? sie ein Opfer des Feuers werden, haben sie sich doch todlich gegen die Sonne versundigt. Tust du es nicht, Nylephta, dann werde ich Krieg gegen dich fuhren - blutigen Krieg! Wahrlich, ich sage dir: gebrandschatzte Stadte werden den Pfad deiner Leidenschaft kennzeichnen, und er wird uberstromt sein von dem Blut derer, die an dir haften. Auf deinem Haupte laste der Fluch deiner ruchlosen Tat, und in deinen Ohren halle das Stohnen der Verwundeten und das Wehklagen der Witwen und jener, die fur immer und ewig ohne Vater sein werden.

Ich sage dir, ich werde dich, Nylephta, die Wei?e Konigin, von deinem Throne schleudern, und ich werde dich von der hochsten Stufe der gro?en Treppe hinuntersturzen zu ihrem Fu?e, auf da? die tiefe Schande, die du uber den Namen des Hauses dessen, der sie erbaute, gebracht hast, getilgt werde. Und euch Fremdlingen sage ich - euch allen au?er dir, Bougwan, dem ich, weil du mir einen Dienst erwiesest, das Leben schenken werde, so du diese Manner verla?t und mir folgst« (an dieser Stelle schuttelte der arme Good heftig den Kopf und rief auf englisch: »Nichts zu machen«) »da? ich euch in Blatter aus Gold einwickeln lassen werde und euch bei lebendigem Leibe an langen, goldenen Ketten an den vier goldenen Fanfaren der vier Engel aufhangen lasse, die sich im Norden, Suden, Osten und Westen in schwindelnder Hohe uber die hochsten Zinnen des Tempels erheben, auf da? ihr auf ewig ein Zeichen und eine Mahnung fur das Land seid. Und du, Incu-bu, wirst auf noch andere Weise sterben, die ich dir aber nun noch nicht verraten will.«

Sie hielt inne und rang heftig nach Luft, denn ihre Leidenschaft schuttelte sie wie ein Sturmwind. In der Halle erhob sich ein Raunen, teils aus Schrecken, teils aus Bewunderung. Und dann antwortete Nylephta ruhig und wurdevoll:

»Es stunde meinem Range und meiner Wurde schlecht an, Schwester, so zu sprechen, wie du gesprochen hast, und so zu drohen, wie du gedroht hast. Wenn du den Krieg willst, so fuhre ihn gegen mich; doch glaube mir, ich werde alles tun, dir zu widerstehen; und wenn meine Hand auch sanft erscheinen moge, so wirst du doch sehen, da? sie aus Eisen ist, wenn sie deine Armeen an der Kehle packt. Sorais, ich furchte dich nicht! Ich weine ob des Unglucks, das du uber unser Volk und uber dich selbst bringen wirst, aber fur mich selbst sage ich: Ich furchte dich nicht. Doch du, die du erst gestern nacht versuchtest, meinen Herrn und Geliebten, den du jetzt einen fremdlandischen Wolf< nennst, fur dich zu gewinnen, auf da? er dein Geliebter und dein Herr werde (wieder ging ein Raunen durch die Halle), du, die du noch in der vergangenen Nacht, wie ich erst soeben erfahre, wie eine Schlange in mein Schlafgemach krochst - ja, sogar auf einem geheimen Schleichwege - und die du mich, deine eigene Schwester, heimtuckisch ermorden wolltest, wahrend ich schlief ...«

»Eine Luge, eine Luge!« schrie Agon mit sich uberschlagender Stimme; andere Stimmen schlossen sich ihm emport an.

»Es ist keine Luge!« entgegnete ich, wahrend ich die abgebrochene Dolchklinge hervorholte und sie, fur alle Anwesenden sichtbar, hoch in die Luft hielt. »Wo ist der Griff, der zu dieser Spitze gehort, Sorais?«

»Es ist keine Luge!« rief jetzt auch Good, der sich endgultig dazu durchgerungen hatte, wie ein treugesinnter Mann zu handeln. »Ich uberraschte die >Her-rin der Nacht< vor dem Bette der Wei?en Konigin, und an meiner Brust zerbrach der Dolch.«

»Wer ist auf meiner Seite?« schrie Sorais und schuttelte wie wild ihren silbernen Speer. Sie sah, da? sich die Stimmung in der Menge immer mehr gegen sie wandte. »Und du, Bougwan, du willst mir nicht nachfolgen?« sagte sie mit leiser, gepre?ter Stimme zu Good, der dicht neben ihr stand. »Du armseliger Tor; als Lohn dafur sollst du dich auf immer nach mir verzehren, doch dein Begehren, meine Liebe zu erlangen, soll niemals erfullt werden! Und du hattest mein Gemahl und Konig sein konnen! Zumindest dich halte ich an einer Kette, die niemals gesprengt werden kann.

Krieg! Krieg! Krieg!« schrie sie mit gellender Stimme. »Hier, mit dieser meiner Hand, die ich auf den heiligen Stein lege, der - so sagt es die Legende -fortdauern wird, bis die Zu-Vendi ihren Rucken unter ein fremdes Joch beugen mussen, erklare ich Krieg bis zum bitteren Ende. Wer ist bereit, Sorais, der Herrin der Nacht, auf dem Wege zu Sieg und Ruhm zu folgen?«

Auf der Stelle entstand ein riesiges Wirrwarr in der gro?en Halle. Viele der Anwesenden beeilten sich, sich auf Sorais' Seite zu schlagen, aber es gab auch einige, die von ihrer Seite zu uns heruberkamen. Unter den ersteren befand sich auch ein Unteroffizier aus Nylephtas personlicher Leibgarde. Er wandte sich plotzlich um und begann auf den Eingang zuzulaufen, durch den Sorais' Leute sich schon auf den Weg nach drau?en machten. Umslopogaas schaltete blitzschnell - er hatte mit bewundernswerter Geistesgegenwart erkannt, da? weitere seinem Beispiel folgen wurden, wenn es ihm erst gelange, zum Ausgang zu kommen. Er schnellte hinter dem Manne her und packte ihn, kurz bevor er die Tur erreicht hatte. Der Soldat zog sein Schwert und hieb damit nach dem Zulu. Dieser sprang mit einem wilden Schrei zuruck und wich damit dem Schwerthieb aus. Und schon kreiste seine Axt und fiel mit einem krachenden Gerausch auf den Schadel des Mannes. Sekunden spater hatte den Gardisten sein Schicksal ereilt, und todlich getroffen schlug er mit einem klirrenden Laut auf den Marmorboden.

Dies war das erste Blut, das in diesem Krieg vergossen werden sollte.

»Schlie?t die Tore!« schrie ich, in der Hoffnung, da? wir vielleicht so Sorais habhaft werden konnten. Sakrileg oder nicht - darauf pfiff ich in diesem Moment. Aber leider kam der Befehl zu spat; ihre Gefolgsleute drangten schon durch die Tore nach drau?en, und Sekunden spater hallten schon die Stra?en von den Hufen ihrer Pferde und dem drohnenden Poltern ihrer Triumphwagen wider.

Und so sturmte Sorais, fast die Halfte des Volkes in ihrem Gefolge, wie ein Wirbelwind durch die Stra?en der finster blickenden Stadt, um alsbald ihr Hauptquartier in M'Arstuna zu erreichen, einer Festung die etwa hundertdrei?ig Meilen nordlich von Milosis liegt.

Von da an war die Stadt mit lebhaftem Treiben erfullt. Regimenter zogen durch die Stra?en und sammelten sich, und uberall wurden die notigen Vorbereitungen fur den bevorstehenden Krieg getroffen. Und wieder sa? der alte Umslopogaas in der Sonne und fuhrte das Schauspiel vor, wie er Inkosi-kaas' rasiermesserscharfe Klinge wetzte.

19

Eine seltsame Hochzeit

Einer Person jedoch war es nicht gelungen, noch rechtzeitig zu entkommen, bevor die Tore des Palastes geschlossen wurden; diese Person war niemand anderes als der Hohepriester Agon, der, wie wir allen Grund hatten anzunehmen, Sorais' gro?er Bundesgenosse und Herz und Seele ihres ganzen Haufens war. Dieser hinterhaltige und grausame alte Mann hatte uns den Zwischenfall mit den Flu?pferden noch immer nicht verziehen; zumindest schob er das immer als Hauptgrund fur seine Feindseligkeit uns gegenuber vor. Was dahintersteckte, war klar: Er wollte um jeden Preis verhindern, solange das noch irgend moglich war, da? unsere freiere Geisteshaltung und unsere fremdlandische Gelehrsamkeit in Zu-Vendis Schule machten und unser Einflu? noch gro?er wurde, als er es ohnehin schon war. Auch wu?te er, da? wir ein anderes Religionssystem besa?en, und zweifelsohne plagte ihn standig die Furcht, da? wir versuchen wurden, es in Zu-Vendis einzufuhren. Eines Tages hatte er mich gefragt, ob es in unserem Lande auch eine Religion gabe, und darauf hatte ich geantwortet, da? wir meines Wissens sogar funfundneunzig verschiedene davon aufzubieten hatten. Diese Antwort hatte ihn fast vom Stuhl gekippt; und es ist ja auch wirklich schwer, den Hohepriester eines fest etablierten Kultes, dem das Gespenst von funfundneunzig; Religionen im Nacken sitzt, nicht zu bedauern.

Als wir die Nachricht horten, da? Agon gefangengenommen worden war, berieten wir - das hei?t, Nylephta, Sir Henry und ich -, was wir mit ihm anstellen sollten. Ich pladierte dafur, ihn kurzerhand in den Kerker zu werfen, worauf Nylephta jedoch heftig den Kopf schuttelte; sie sagte, da? das eine verhangnisvolle Wirkung im ganzen Lande nach sich ziehen wurde.

»Wenn ich gewinne, dann werde ich die Macht dieser Priester brechen«, versicherte sie. »Ich hasse ihre Geheimniskramerei und ihren Hochmut.«

»Nun«, schlug Sir Henry vor, »wenn wir ihn also nicht ins Gefangnis stecken sollen, dann lassen wir ihn doch

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