besser gleich wieder laufen. Er ist unnutz. Was sollen wir mit ihm?«

Daraufhin schaute ihn Nylephta mit einem seltsamen Blick an und sagte mit einer Stimme wie die eines Vogels: »Bist du sicher, da? er zu nichts nutze ist?«

»He?« entfuhr es Curtis. »Nun, ich wu?te wirklich nicht, wozu es gut sein sollte, ihn hierzubehalten.«

Sie sagte nichts, schaute ihn jedoch mit einem ebenso schuchternen wie su?en Lacheln an.

Da begriff er endlich.

»Verzeih mir, Nylephta«, sagte er mit bebender Stimme. »Willst du damit sagen, da? du mich heiraten willst, jetzt und hier, auf der Stelle?«

»Ich wei? nicht; mein Geliebter moge es entscheiden. Wenn mein Gebieter es will ... ich bin bereit, dem Wunsche meines Gebieters Folge zu leisten. Hore, mein Gebieter, in acht Tagen, vielleicht gar schon fruher, mu?t du mich verlassen und in den Krieg ziehen; denn du sollst meine Armeen fuhren. Und im

Kriege - im Kriege fallen oft Manner, und wenn das auch dein Schicksal sein sollte, dann will ich dich wenigstens fur eine kurze Zeit ganz fur mich allein gehabt haben, und wenn es auch nur fur die Erinnerung sein sollte.«

Ich sah, da? sie Tranen in den Augen hatte.

»Vielleicht«, fuhr sie fort, »wird es auch geschehen, da? ich meine Krone verliere, und mit ihr mein Leben und das deinige dazu. Sorais ist hart und voller Ha?; wenn sie obsiegt, dann wird sie in ihrer Rache unbarmherzig sein. Wer kann schon in die Zukunft blik-ken? Das Gluck ist der Welt wei?er Vogel, und nur selten kommt er zu uns geflogen und la?t sich neben uns nieder; meistens fliegt er schnell vorbei und strebt in die weite Ferne, bis er eines Tages in den Wolken verschwindet. Und darum sollten wir ihn festhalten, solange es geht, wenn er einmal fur eine Weile auf unserer Hand sitzt. Es ist nicht weise, die Gegenwart zu mi?achten, indem man immer nur an die Zukunft denkt; denn wer wei? schon, was die Zukunft bringen wird, Incubu? La? uns unsere Blume pflucken, solange noch der Tau auf ihr glitzert; denn wenn die Sonne am Himmel steht und auf sie herabbrennt, dann wird sie verwelken, und morgen schon wird eine andere bluhen, die wir niemals sehen werden.« Und dann hob sie ihr schones Antlitz und schaute ihn an und lachelte, und wieder spurte ich diesen merkwurdigen Stich der Eifersucht in meinem Herzen und ging leise davon. Sie scherten sich nie gro? darum, ob ich dabei war oder nicht; wahrscheinlich dachten sie, ich ware ohnehin nur ein alter Trottel, der solcherlei Dinge langst hinter sich hatte. Nun ja, eigentlich hatten sie ja auch recht damit.

Und so ging ich also zuruck in unser Quartier und grubelte uber Gott und die Welt nach und schaute durch das Fenster dem alten Umslopogaas zu, der seine Axt wetzte wie ein Geier, der neben einem toten Ochsen sitzt und seinen Schnabel wetzt.

Etwa eine Stunde spater kam Sir Henry zu uns herubergehetzt. Seine Wangen und Augen gluhten, und er machte einen machtig erregten Eindruck. Er fragte Good und mich, ja sogar Umslopogaas, ob wir ihm bei einer richtigen Hochzeit mithelfen wollten. Naturlich sagten wir ja, und ab ging's in die Kapelle, wo wir schon Agon mit einem solch murrischen Gesicht vorfanden, wie es wohl nur ein im hochsten Ma?e ubelgelaunter Hohepriester zustandebringen kann. Alles andere ware ja auch eine Uberraschung gewesen. Es stellte sich heraus, da? es zwischen ihm und Nylephta eine kleine Meinungsverschiedenheit betreffs der bevorstehenden Zeremonie gegeben hatte. Er hatte es rundweg abgelehnt, die Feier zu zelebrieren oder einem seiner Priester dazu die Erlaubnis zu erteilen. Daraufhin war Nylephta sehr bose geworden und hatte ihn daran erinnert, da? sie in ihrer Eigenschaft als Konigin das Oberhaupt der Kirche war, und da? sie als solches darauf bestunde, da? man ihre Befehle befolge. Sie verkorperte in der Tat die Rolle eines Heinrich VIII. a la Zu-Vendis bis zur Perfektion und bestand darauf, verheiratet zu werden, und zwar von ihm[14].

Und als er sich noch immer weigerte, den Trau-ungsakt zu vollziehen, brachte sie schlie?lich ein Argument vor, dem es an Uberzeugungskraft nicht mangelte ...

»Nun gut, ich kann zwar einen Hohepriester nicht hinrichten lassen, dagegen spricht ein absurdes Vorurteil, und ich kann ihn auch nicht ins Gefangnis werfen, weil dann alle seine Untergebenen ein solches Gezeter anstimmten, da? die Sterne vom Himmel fallen und Zu-Vendis zerschmettern wurden; aber eines kann ich doch tun: Ich kann ihn dazu zwingen, sich vor den Altar zu knien und in Andacht die Sonne anzubeten, und zwar ohne da? er etwas zu essen bekommt; denn das ist seine eigentliche Berufung. Und wenn du mich nicht trauen willst, Agon, dann werde ich dich mit ein bi?chen Wasser vor den Altar setzen, und du wirst solange dort knien, bis du dir die Sache uberlegt hast.«

Und wie es der Zufall wollte, war Agon an jenem Morgen schon von Sorais aufgescheucht worden, bevor er noch Zeit gehabt hatte, zu fruhstucken, und mittlerweile plagte ihn schon so sehr der Hunger, da? er auf der Stelle seine Meinung anderte und sich zahneknirschend bereiterklarte, die beiden zu kauen. Er konnte sich jedoch nicht verkneifen, noch hinzuzufugen, da? er seine Hande in Unschuld wasche und in dieser Angelegenheit jegliche Verantwortung ablehne.

Und so kam es, da? kurz darauf Konigin Nylephta erschien, nur von zwei ihrer Lieblingszofen begleitet, mit vor Freude gluhendem Gesicht und gesenktem Blick; sie war ganz in Wei? gekleidet, wie es wohl bei solcherlei Anlassen uberall auf der Welt ublich ist. Sie trug keinerlei Schmuck; sogar ihre Goldreifen hatte sie abgelegt. Ich fur mein Teil hatte das Gefuhl, da? sie ohne sie noch schoner als vorher aussah - wie es meistens bei so uberragend schonen Frauen der Fall ist, wenn sie bar jeglichen Schmuckes sind.

Sie machte einen tiefen Knicks vor Sir Henry, ergriff seine Hand und fuhrte ihn vor den Altar, und nach einem kurzen Moment der inneren Andacht sprach sie langsam und mit klarer Stimme die folgenden Worte, wie es der Brauch ist in Zu-Vendis, wenn die Braut den Brautigam fragt:

»Schworst du bei der Sonne, da? du keine andere Frau zum Weibe nimmst, es sei denn, ich lege meine Hand auf sie und bitte sie zu kommen?«

»Ich schwore es«, antwortete Sir Henry und fugte auf Englisch hinzu: »Eine reicht mir vollig.«

Dann trat Agon, der die ganze Zeit in der Ecke neben dem Altar mit murrischem Gesicht vor sich hingebrutet hatte, nach vorn und murmelte mit solcher Schnelligkeit etwas in seinen Bart, da? ich kaum ein Wort verstand. Es schien jedoch so etwas wie ein Anruf an die Sonne zu sein, der Bindung ihren Segen zu geben und sie fruchtbar zu machen. Ich bemerkte, da? Nylephta genau auf jedes Wort, das er sagte, achtete. Nach einer Weile ging mir schlie?lich auf, da? sie befurchtete, Agon wurde sie vielleicht hereinlegen wollen, indem er die Anrufe an die Sonne in umgekehrter Reihenfolge abspulte und damit ihre Scheidung besiegelte, statt sie zu trauen. Nachdem das Bittgebet an die Sonne beendet war, wurde dem Brautpaar, wie auch bei unserem Trauungsakt, die Frage gestellt, ob sie einander zum Manne beziehungsweise zur Frau nehmen wollten. Beide antworteten laut und vernehmlich mit »ja«, und dann ku?ten sie sich vor dem Altar. Damit war gema? ihrer Riten die Trauung vollzogen. Ich hatte jedoch das Gefuhl, da? noch irgend etwas fehlte, und so holte ich mein Gebetbuch hervor, das mich, zusammen mit den >Ingoldsby-Sagen<, die ich sehr oft lese, wenn ich des Nachts wach im Bett liege, auf allen meinen Fahrten und Expeditionen begleitet hatte. Ich hatte es vor Jahren meinem armen Harry gegeben, und nach seinem Tod hatte ich es bei seinen Sachen gefunden und wieder an mich genommen.

»Curtis«, sagte ich, »du wei?t, ich bin kein Geistlicher, und ich wei? auch nicht, ob ich das, was ich dir jetzt vorschlage, uberhaupt tun darf - ich wei? jedenfalls, da? es nicht legal ist -, aber wenn ihr keine Einwande dagegen habt, dann wurde ich jetzt gerne den englischen Traugottesdienst fur euch lesen. Es ist ein wichtiger Schritt in eurem Leben, den ihr jetzt vollziehen wollt, und ich glaube, da? ihr, soweit die Umstande es erlauben, diesen Akt auch mit dem Segen eurer eigenen Religion versehen solltet, Sir Henry.«

»Ich habe auch schon daran gedacht«, antwortete er, »und ich mochte dich gerne darum bitten, es zu tun. Ich fuhle mich bis jetzt noch nicht einmal halb verheiratet.«

Auch Nylephta hatte keinerlei Einwande dagegen. Sie verstand voll und ganz, da? ihr Gemahl den Wunsch hatte, die Trauungszeremonie nach den Riten zu vollziehen, die in seinem eigenen Lande ublich waren. Und so las ich denn den vollen Wortlaut unseres eigenen Traugottesdienstes vor, so schon ich eben konnte; und als ich an die Stelle kam, wo es hei?t »Ich, Henry, nehme dich, Nylephta«, da ubersetzte ich es, und ebenfalls »Ich, Nylephta, nehme dich, Henry«, und sie sprach es mir sehr schon nach. Als nachstes nahm Sir Henry einen schlichten Goldring von seinem kleinen Finger und schob ihn auf den Ringfinger seiner Frau. Der Ring war einst der Trauring von Curtis' Mutter gewesen, und mir kam unwillkurlich der Gedanke, wie verblufft die gute alte Dame aus Yorkshire wohl gewesen ware, hatte sie gewu?t, da? ihr Trauring eines Tages denselben Zweck bei Nylephta, einer der Koniginnen von Zu-Vendis, erfullen sollte.

Was Agon anbetraf, so hatte er alle Muhe, ruhig zu bleiben, wahrend diese zweite Zeremonie vonstatten ging. Er durchschaute sofort, da? es sich um eine ihrem Wesen nach religiose Zeremonie handelte, und mit Sicherheit kamen ihm dabei sogleich wieder die funfundneunzig verschiedenen Religionen in den Sinn, die da so

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