unheilvoll drohend uber ihm schwebten. Mich betrachtete er naturlich schon als den Hauptrivalen im Amt des Hohepriesters und starrte mich dementsprechend ha?erfullt an. Schlie?lich verschwand er jedoch, vor Wut und Entrustung buchstablich kochend, und mir war klar, da? wir uns in Zukunft noch mehr als zuvor vor ihm in acht nehmen mu?ten.
Und dann verschwanden auch Good und ich, und ebenso der alte Umslopogaas, um das gluckliche Paar erst einmal mit sich und seinem Gluck allein zu lassen. Wir fuhlten uns alle irgendwie ziemlich niedergedruckt. Man nimmt im allgemeinen an, da? Hochzeiten eine frohliche Angelegenheit sind, aber meiner Erfahrung nach sind sie eigentlich genau das Gegenteil, ausgenommen vielleicht fur die beiden Hauptbetroffenen. Sie bedeuten, da? so viele alte Bande zerrissen und so viele neue geknupft werden, und ich finde, es hat immer etwas Trauriges an sich, wenn eine so alte vertraute Ordnung zu bestehen aufhort. Um einmal diesen Fall als Beispiel zu nehmen: Sir Henry Curtis ist wirklich der prachtigste Kerl und beste Freund, den es auf der ganzen Welt gibt, aber seit jener kleinen Begebenheit in der Kapelle ist er nie wieder ganz der Alte gewesen. Alles dreht sich nur noch um seine geliebte Frau: Nylephta hier, Nylephta da - kurz: von morgens bis abends gibt es nichts anderes mehr als seine geliebte Nylephta, ob in Worten oder in Gedanken. Und was seine alten Freunde anbetrifft - nun, sie haben naturlich den Platz eingenommen, den alte Freunde eben so einnehmen; namlich den - und darauf achten Ehefrauen in der Regel sehr peinlich, wenn der Mann heiratet - in der zweiten Reihe. Naturlich wurde er heftig protestieren, wenn jemand ihm das sagte, aber so ist es nun einmal. Er ist nicht mehr so wie fruher; und Nylephta ist sehr su? und charmant, und ich glaube, sie mochte, da? er auch deutlich merkt, da? sie
Good und ich verschwanden also. Wir a?en schweigend und taten uns danach an einem besonders feinen Tropfchen besten alten Zu-Vendi-Weines gutlich, um unsere Stimmung wieder ein wenig zu heben. Da trat plotzlich einer unserer Dienstboten ins Zimmer und wartete mit einer Neuigkeit auf, die uns einiges zu denken gab.
Sie erinnern sich vielleicht daran, da? Alphonse nach seinem Streit mit Umslopogaas au?erst schlechtgelaunt weggegangen war, um sich eine Weile in seinen Schmollwinkel zu verziehen. Nun war er dabei auf direktem Wege zum Tempel marschiert, in den er jedoch nicht hineingegangen war, sondern er war die breite Stra?e, die hinter dem Tempel wieder bergab fuhrte, weitergegangen, bis er in den schonen Park, beziehungsweise in die Gartenanlagen gelangt war, die sich direkt hinter der Au?enmauer erstreckten. Nachdem er dort eine Zeitlang umhergewandert war, hatte er sich wieder auf den Ruckweg gemacht. Am Au?entor jedoch war er zufallig mit Sorais' Wagenkolonne zusammengetroffen, die sich in voller Fahrt in Richtung der nach Norden fuhrenden Landstra?e bewegte. Als Sorais Alphonse erblickte, hielt sie an und rief ihn zu sich. Und ehe er sich's versah, hatte man ihn schon gepackt und in einen der Wagen gezerrt, unter >lautem Gebrull<, wie unser Informant sich ausdruckte, und nach allem, was ich uber Alphonse wei?, nehme ich ihm das auf der Stelle ab.
Zuerst hatte ich mir uberhaupt keinen Reim darauf machen konnen, warum Sorais ausgerechnet den armen kleinen Franzosen entfuhrt hatte. Schlie?lich jedoch wurde mir die Sache auf einmal sonnenklar. Wir drei wurden von einem gro?en Teil der Bevolkerung von Zu-Vendis mit gro?er Ehrerbietung betrachtet, um nicht zu sagen: bewundert, und zwar zum einen aus dem Grund, weil wir die ersten Auslander uberhaupt waren, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatten, und zum andern, weil die Leute glaubten, da? wir uns im Besitz ubernaturlichen Wissens befanden.
Sorais' wutende Beschimpfungen, wir seien fremdlandische Wolfe<, kamen ohne Zweifel bei den Adeligen und den Priestern gut an, bei der Mehrheit der Bevolkerung jedoch fanden sie, wie wir sehr bald merkten, kein besonderes Echo. Die Zu-Vendi sind, ahnlich wie die alten Athener, immer auf der Suche nach etwas Neuem, und allein die Tatsache, da? wir so etwas ganzlich >Neues< waren, reichte schon aus, da? sie uns mit Wohlwollen betrachteten. Dazu kam, da? Sir Henrys gro?artiges Au?eres einen tiefen Eindruck auf dieses Volk hinterlie?, das mehr als jedes andere, das ich je kennengelernt habe, einen ausgepragten Sinn fur das Schone besitzt. In anderen Landern mag man durchaus das Schone preisen; in Zu-Vendis wird es fast vergottert, wie ja auch die uberall im Lande immer wieder festzustellende Vorliebe fur die Bildhauerkunst deutlich beweist. Die Menschen redeten ganz offen auf dem Marktplatz davon, da? es wohl kaum einen Mann im ganzen Lande gabe, der Curtis in seinem Au?eren gleichkame, so wie es ihrer Meinung nach niemanden au?er Sorais gab, der es in bezug auf Schonheit mit Nylephta aufnehmen konnte. Sie fanden es daher auch vollig normal, da? diese beiden heirateten. Ja, sie waren sogar der festen Uberzeugung, da? die Sonne Sir Henry ihrer Konigin als Gemahl gesandt hatte. Nun, wenn man dies berucksichtigt, kann man sich wohl gut vorstellen, da? Sorais' Versuche, uns bei der Bevolkerung in ein schlechtes Licht zu rucken, nicht gerade auf fruchtbaren Boden fielen. Und niemand wu?te das besser als Sorais selbst. Meine Folgerung war daher, da? sie sich wahrscheinlich dazu entschlossen hatte, drau?en bei der Landbevolkerung den Eindruck zu erwecken, als ruhre der Konflikt mit ihrer Schwester von ganz anderen, viel allgemeineren Ursachen her als lediglich der Heirat Nylephtas mit einem Fremden. In einem Land, das schon so oft von Burgerkriegen erschuttert worden war, war es wahrscheinlich leicht, irgendeine alte Geschichte aufzuruhren, die die Erinnerung an langst begrabene Fehden wieder wachrief und alte Wunden wieder aufri?. Und, wie ich es vermutete, hatte sie auch sehr schnell etwas Passendes gefunden. Aus diesem Grund war es von gro?er Wichtigkeit fur sie, einen der Fremden bei sich zu haben, den sie der einfachen Landbevolkerung als einen der beruhmten Auslander verkaufen konnte, der sich fur ihre gerechte Sache so begeistert hatte, da? er den Entschlu? gefa?t hatte, seine Kameraden zu verlassen und ihrem Banner zu folgen.
Dies war ohne Zweifel auch der Grund dafur gewesen, da? sie so sehr darauf bedacht gewesen war, Good auf ihre Seite zu ziehen. Sie hatte ihn solange benutzt, wie er ihr fur ihre Zwecke dienlich erschienen ware, und dann hatte sie ihn fallenlassen. Aber als Good im letzten Moment doch noch abgesprungen war, hatte sie die sich so gunstig bietende Gelegenheit, Alphonse zu ergreifen, sofort beim Schopf gepackt. Alphonse hatte, abgesehen vielleicht davon, da? er ein bi?chen kleiner war als Good, eine gewisse Ahnlichkeit mit diesem. Ich war felsenfest davon uberzeugt, da? Sorais die Absicht hatte, ihn den Leuten auf dem Lande und in den kleineren Stadten als den gro?en Bougwan hochstpersonlich vorzufuhren.
»Was?« rief Good mit gequalter Stimme. »Du glaubst wirklich, sie hat vor, dieses armselige Hauf-chen so zu verkleiden, da? alle Welt ihn fur mich halt? Nun, dann werde ich so schnell wie moglich das Land verlassen mussen! Mein Ruf wird fur immer ruiniert sein.«
Ich trostete ihn, so gut ich konnte; aber es ist wirklich nicht gerade ein angenehmes Gefuhl, zu wissen, da? man in einem fremden Land von einem ausgemachten Feigling verkorpert wird, und ich konnte ihm daher seinen Kummer nur allzu gut nachfuhlen.
Nun, wie schon gesagt, an jenem Abend tafelten Good und ich also in zweisamer Erhabenheit, und wir fuhlten uns eigentlich eher so, als hatten wir gerade einen guten Freund zu Grabe getragen, anstatt da? wir ihn verheiratet hatten. Am darauffolgenden Morgen begann dann in vollem Ernst die Arbeit. Die Depeschen und Befehle, die Nylephta zwei Tage vorher ins Land geschickt hatte, zeigten nun die erste Wirkung, und aus allen Richtungen stromten pausenlos bewaffnete Manner in die Stadt. In den darauffolgenden Tagen sahen wir, wie man sich wohl leicht denken kann, nur sehr wenig von Nylephta und Sir Henry. Good und ich sa?en taglich von fruh bis spat mit dem Generalstab und den loyalen Fursten zusammen und entwarfen Kriegsplane, regelten Nachschub- und Versorgungsangelegenheiten. Stundlich meldeten sich neue Freiwillige bei uns, und von fruh bis spat waren die gro?en Stra?en, die nach Milosis fuhrten, bunt gesprenkelt von den Fahnen und Standarten der Fursten, die oftmals von weit her kamen, um sich um Nylephtas Banner zu scharen.
Nach den ersten beiden Tagen zeichnete sich ab, da? wir mit ungefahr vierzigtausend Fu?soldaten und zwanzigtausend Mann Kavallerie zu Felde zie-hen konnten. Das war, wenn man bedachte, in welch kurzer Zeit wir diese Truppe hatten ausheben mussen, eine respektable Streitmacht. Ungefahr die Halfte der regularen Armee hatte sich entschlossen, Sorais zu folgen.
Aber wenn unsere Streitmacht auch gro? war, so war die von Sorais, nach den Meldungen, die unsere Spaher Tag fur Tag hereinbrachten, noch erheblich gro?er. Sie hatte ihr Hauptquartier in einer gutbefestigten Stadt namens M'arstuna aufgeschlagen, die -ich erwahnte es bereits - nordlich von Milosis gelegen war, und nun stromte das gesamte Landvolk zu ihren Fahnen. Nasta befand sich ebenfalls auf dem Wege vom Hochland nach