England kommen … nun, dann sei alles moglich.

»Ich war damals Mitglied der Kommission«, sagte Colonel Congreve lachelnd und fugte hinzu: »Und der Kerl war mir recht sympathisch.«

Sofort nach Fultons Ankunft im April 1804 in England hatte Premierminister Pitt eine Sonderkommission mit der Uberprufung der Erfindungen des Amerikaners beauftragt.

Mitglieder dieser Kommission waren unter anderem der angesehene Wissenschaftler Henry Cavendish, Admiral Sir Hope Popham und Sir Joseph Banks, der Prasident der Koniglichen Akademie der Naturwissenschaften.

»Die ersten Ergebnisse der Prufungen hat Fulton nicht gut aufgenommen«, sprach der Colonel weiter. »Die Konstruktionsplane eigneten sich zwar fur den Bau eines Unterseebootes, aber ein Kampfeinsatz ware undenkbar gewesen. Der Meinung waren wir jedenfalls damals«, gestand der Colonel mit einem gequalten Lacheln. »Die Kommission interessierte sich weitaus mehr fur Fultons Unterwasserbombe – seinen Torpedo, wie er es nannte.«

»Seinen was?«, fragte Hawkwood.

»Torpedo, die lateinische Bezeichnung fur Zitterrochen. Das ist ein Fisch, der bei Beruhrung Beute oder Feinde durch elektrische Schlage lahmt. Da ich kein Zoologe bin und mich in der Ichthyologie nicht auskenne, wei? ich nicht genau, wie das funktioniert. Jedenfalls gab er seinem Wassergeschoss diesen Namen«, erklarte Congreve.

Trotz der Ausfuhrungen war Hawkwood kein bisschen kluger. Genauso gut hatte der Colonel chinesisch sprechen konnen.

»Aber Premierminister Pitt war derart beeindruckt, dass er einen Vertrag unterschrieb, der Fulton vierzigtausend Pfund fur die Konstruktion eines funktionstuchtigen Unterseeboots samt aller Rechte an seinen Erfindungen garantierte. Hinzu kamen zweihundert Pfund Gehalt im Monat, ein Kreditlimit von siebentausend Pfund und weitere vierzigtausend Pfund Pramie fur die Zerstorung des ersten franzosischen Schiffs. Die Admiralitat wurde angewiesen, Marinewerften und Material zur Verfugung zu stellen.

Vor Boulogne-sur-Mer haben wir spater in jenem Jahr diese Torpedos zum ersten Mal versuchsweise eingesetzt«, sagte Congreve. »Allerdings ohne gro?en Erfolg. Das Potenzial dieser Waffe aber haben wir sofort erkannt. Allein die Geruchte, die sich um diese neue Geheimwaffe rankten, hat den Froschfressern einen heiligen Schrecken eingejagt. Das System musste noch weiterentwickelt, ausgefeilt und getestet werden. Erst ein Jahr spater konnten wir einen zweiten Versuch wagen. Konnen Sie sich an die Dorothea erinnern, Blomefield?«

»Bei Gott, ja!«

Die Dorothea, erklarte der Colonel, sei eine alte danische Brigg gewesen, die vor der Kuste von Dover ankerte. Und Fultons Unterwassergeschosse hatten aus dem Boot Kleinholz gemacht.

»Auf diesen Erfolg hatten wir gewartet. Jetzt waren wir gerustet. Wir planten, Fultons Torpedos und meine Raketen gegen die franzosische Flotte vor Cadiz einzusetzen. Wir hatten das gro?artigste Feuerwerk in Europa veranstaltet«, sagte Colonel Congreve und schuttelte bedauernd den Kopf.

»Unser einaugiger Admiral ist uns leider zuvorgekommen«, erganzte Thomas Blomefield.

Gemeint war Lord Nelsons Sieg uber die franzosisch-spanische Flotte bei Trafalgar.

»Nach diesem vernichtenden Schlag brauchten wir Fultons neumodische Waffe nicht mehr. Denn es gab nichts mehr in die Luft zu sprengen.«

»Fulton hat trotzdem darauf bestanden, dass wir ihm die vertraglich vereinbarte Summe zahlen!«, emporte sich der Erste Seelord.

Schlie?lich hatte Fulton einen Vergleich vorgeschlagen und fur den Wechsel seiner Staatszugehorigkeit zehntausend Pfund verlangt, hunderttausend Pfund fur den Beweis, dass Kriegsschiffe mit seiner Erfindung zerstort werden konnten, eine lebenslange jahrliche Pension von zweitausend Pfund und sechzigtausend Pfund fur die Zusage, seine Erfindung niemals gegen die britische Flotte einzusetzen.

Die Verhandlung vor dem Schiedsgericht endete mit der Feststellung, dass Fulton die ursprunglichen Vertragsbedingungen nicht erfullt habe und deshalb kein Anspruch auf die Zahlung seiner uberhohten Forderungen bestehe. Das Gericht hatte ihm schlie?lich vierzehntausend Pfund plus Gehalt und Nebenkosten in einer weitaus geringeren Hohe als die zunachst furstliche Entlohnung von eintausendsechshundertvierzig Pfund zugestanden.

»Daraufhin hat der Mistkerl alle Gerate abmontiert und hat das Land verlassen«, sagte Generalinspekteur Blomefield. »Mit Sack und Pack.«

»Fulton ist ziemlich verruckt, ich halte ihn sogar fur unberechenbar«, sagte Colonel Congreve.

»Der Mann hegt also einen Groll gegen uns?«, folgerte Hawkwood.

»Einen verdammt gro?en, vermute ich«, bestatigte Congreve.

»Was glauben Sie? Ist er nach Frankreich zuruckgekehrt?«

Congreve schuttelte den Kopf. »Nein, nicht Fulton. Mit seiner Gesundheit steht es nicht zum Besten. Er hat einen Stellvertreter geschickt.«

»William Lee«, sagte James Read, »ein alter Freund Fultons. Er hat wahrend der letzten funf Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Von unseren Kontaktleuten in Frankreich haben wir erfahren, dass er Anfang dieses Jahres in Paris eingetroffen ist.«

»Warum interessieren sich die Franzosen plotzlich wieder fur dieses Projekt?«, fragte Hawkwood verwirrt. »Haben sie ihre Meinung geandert?«

»Weil Napoleon den Krieg verliert«, mischte sich Admiral Dalryde jetzt zum ersten Mal in das Gesprach ein. »Unser kleiner Korse hat sich ubernommen!«

Colonel Congreve nickte. »Und das gibt Fulton die Moglichkeit, sich an uns zu rachen. Schlie?lich ist es kein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen uns und den Amerikanern angespannt sind. Es gab mehrere Zwischenfalle auf See. Unsere Kriegsmarine hat amerikanische Schiffe gestoppt und nach Deserteuren durchsucht. Worauf uns die Amerikaner der Piraterie bezichtigt haben. Ich ware nicht uberrascht, wenn sich die Situation zuspitzen wurde.«

»Sprechen Sie etwa von Krieg?«, fragte Hawkwood unglaubig.

In diesem Augenblick rausperte sich der Erste Seelord. Eine Warnung.

Worauf Congreve nur mit den Schultern zuckte und sagte: »Wer wei??«

Wahrend Hawkwood diese kryptische Antwort zu deuten versuchte, richtete der Colonel das Wort an Admiral Dalryde. »Mochten Sie jetzt fortfahren, Sir?«

Der Admiral rausperte sich ebenfalls, bevor er weitersprach. »Wir hielten es fur lohnenswert, Lee im Auge zu behalten, da wir davon ausgingen, Fulton habe sein Projekt weiter verbessert. Letztes Jahr hat er ein Buch veroffentlicht: Torpedo War and Submarine Explosions. Wir haben uns ein Exemplar besorgt. Der Inhalt war derart besorgniserregend, dass wir einen unserer Agenten nach Frankreich geschickt haben, um Nachforschungen anzustellen. Ramillies war einer unserer besten Manner, der schon ofter zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet hat.«

An der Stelle bedeutete der Admiral dem Colonel mit einem Blick, in der Geschichte fortzufahren.

»Leutnant Ramillies ist auf Beweise gesto?en, dass Lee tatsachlich ein deutlich weiterentwickeltes Unterseeboot baut. Seine Kontakte zur Widerstandsbewegung der Bourbonen haben ihm geholfen, auf der Werft, in der das Unterseeboot hergestellt wird, zu arbeiten. Und dort ist es ihm tatsachlich gegluckt, sich Zugang zu Lees Werkstatt zu verschaffen. Unter gro?tem Risiko konnte er Kopien der Konstruktionsplane anfertigen.« Der Colonel deutete auf die Skizzen auf dem Tisch. »Das sind zwar keine exakten Konstruktionszeichnungen, aber mehr als ausreichend fur unseren Bedarf. Kurze Zeit darauf hat Ramillies erfahren, dass weitere Probelaufe in der Seine bevorstehen. Er schaffte es sogar, in das Sperrgebiet vorzudringen und den Probelauf zu beobachten.«

»Leider wurde er entdeckt«, unterbrach Admiral Dalryde die Ausfuhrungen des Colonels. »Er konnte nur mit knapper Not entkommen, wurde jedoch auf der Flucht schwer verletzt. Die Kopien der Konstruktionsplane fur das Unterseeboot trug er bei sich. Royalisten haben ihn bis zu seiner Genesung versteckt und dann die Uberfahrt nach England fur ihn arrangiert. In Dover ist er an Land gegangen und war auf dem Weg nach London, als seine Kutsche auf der Kent Road uberfallen wurde. Der Rauber hat ihn ermordet und die Plane fur das Unterseeboot

gestohlen …« Nach einer Pause fugte der Admiral hinzu: »Den Rest kennen Sie.«

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