Auf Old Tommy’s Pub konnte man sich immer verlassen, man bekam dort sowohl die flussigen wie die musikalischen Importe aus Irland frisch vom Schiff. Irische Musik mit ihrer unbezahmbaren Fahigkeit, auch aus einem harten Los das Beste zu machen, erlebte gerade so etwas wie eine Wiedergeburt. Balladen und Marsche, die die Heldentaten von GKA-Rittern im Kampf gegen zentauroide Monster verherrlichten, waren vielleicht nicht im strengen Sinne traditionell, aber die modernen Minnesanger Irlands hatten ihren kulturellen Wert in einer Post- Posleen-Welt erkannt und erfullten diese Aufgabe auf brillante Weise. Ein Bodhran, die traditionelle irische Ziegenfelltrommel, passte nicht nur auf die kleine Buhne eines Pubs, sondern lieferte auch einen uberraschend guten Hintergrund fur die grellen Klange einer schon etwas angejahrten Stratocaster. Nun ja, zumindest in ein paar Stunden wurde sie schrill klingen. Im Augenblick befanden sich die Instrumente noch in ihren Koffern, und die paar Typen, die da in der Ecke sa?en und einen Happen zu sich nahmen, waren vermutlich die Musiker. Kadetten waren es jedenfalls nicht, ihrem Haarschnitt nach zu schlie?en.

Cally zog sich einen Barhocker heran und bestellte sich ein Killians und einen Meeresfruchtesalat und verbrachte dann die nachste Stunde damit, mit dem Barkeeper zu flirten und darauf zu warten, dass die Band zu spielen begann. Kadetten tropfelten den ganzen Abend uber herein. Die meisten von ihnen sahen zu jung aus, um sich zu rasieren und waren fur sie auf das Strengste off-limits, so sehr sie sich auch bemuhten, einen Blick von ihr aufzufangen, aber einer von ihnen wirkte ein wenig alter als die Ubrigen und bewegte sich so, als habe er bereits gedient, obwohl die Abzeichen an seiner wei?en Sommeruniform auf einen Junior deuteten — mit einem ausgesprochen knackigen Hintern. Der kam infrage.

Sie suchte seinen Blick, hob ihr Glas und zeigte ihm ein freundliches Lacheln. Er erstarrte eine Sekunde lang und sah sich dann uber die Schulter um, als ware er nicht sicher, ob ihr Blick auch wirklich ihm galt; dann entschuldigte er sich bei seinen Kumpels und brachte seine Flasche Budweiser heruber, wahrend seine Freunde sich alle Muhe gaben, beim Abschlie?en der Wetten auf seine Chancen nicht zu auffallig zu werden.

»Ah … hi. Ich darf mich doch zu Ihnen setzen?« Er stellte sein Bier vor dem leeren Hocker neben ihr auf die Bartheke.

»Das ware schon.«

»Ich hei?e Mark.« Er musterte ihr praktisch noch volles Bierglas mit einem Ausdruck, der an Verzweiflung grenzte, und meinte dann: »Ah … kommen Sie oft hierher?« Und dann setzte er sich hin und verwunschte sich zweifellos im Stillen, dass er etwas so Banales und wenig Brillantes gesagt hatte.

»Nicht oft genug, sonst ware ich dir sicher schon begegnet.« Sie lachelte freundlich und hielt ihm die Hand hin. »Ich hei?e Pamela. Schon lange in der Zitadelle?«

»Siehst du die Streifen hier? Die sagen, dass ich ein Junior bin.« Er registrierte, dass sie ihn duzte. Sofort ging er darauf ein und grinste locker, und fuhlte sich jetzt sichtlich auf festerem Boden. »Im ersten Jahr hat man gar keine, im zweiten einen und Seniors sind diese Typen da, die im Blazer herumlaufen. Aber ich bin bereits im zweiten Jahr. Vorher gedient.« Dabei vergro?erte sich sein Brustumfang ein wenig, vermutlich unbewusst.

»Oh? Wo hast du denn gedient?«

»Afrika. Dort gibt es nicht genug Menschen, um auf Dauer die Posleen zu verdrangen, und die Posties kommen ja schon mit gewissen Fahigkeiten auf die Welt, die Menschen erst lernen mussen. Deshalb hat Fleet Strike dort Einheiten im Einsatz, die nach dem Zufallsprinzip durchs Land ziehen und versuchen, die kleinen Gruppen von Wilden zu verjagen, ehe daraus gro?e Banden werden.«

»War das anstrengend? Selbst Wilde sind so gro?«, sie stutzte den Ellbogen auf die Bar, lehnte sich ein wenig vor und sah ihn aus geweiteten Augen an. »Ich habe sie naturlich nur im Holotank gesehen. Du musst wirklich sehr tapfer sein, dich fur so etwas freiwillig zu melden. Hast du einen von diesen, wie sagt man da, gepanzerten Anzugen getragen?«

»Das hatte ich gerne.« Er schuttelte den Kopf. »Die Typen sind wirklich der harte Kern, und sie nehmen nur die Besten. Wir hatten nicht viele davon in Afrika. Die meisten von ihnen sind drau?en auf den neuen Planeten und verjagen die Posties, um Platz fur Kolonisten zu schaffen.« Er grinste schwach. »Manchmal nehmen die GKA einen neuen Absolventen der Akademie mit wirklich guter Beurteilung, also habe ich immerhin noch eine Chance.« Sein Blick wanderte gelegentlich zu ihrer Brust, aber insgesamt muhte er sich wacker, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren. »Und was ist mit dir, was machst du?«

»Nichts, was auch nur annahernd so interessant ist wie Posleen zu toten.« Sie grinste und hob ihre perfekt gestylte Hand. »Ich bin Manikure. Nagel und Sympathie, das ist mein Job.«

»Und Klatsch?«

»Na ja, ein ganz kleines bisschen vielleicht.« Sie lachte ihn an und rumpfte dabei ganz leicht die Nase.

»Dann … ah … bist du in Charleston aufgewachsen? Fruher konnte man das ja wohl nach dem Akzent bestimmen, aber …«

»Nein, ich bin der Kairo Urb aufgewachsen. Aber ich mag die Sonne«, sie deutete auf ihre gebraunten Arme und zuckte die Achseln, »und den Strand liebe ich, deshalb bin ich hier.«

»Ah, ein echtes Strandhaschen. Davon gibt’s heutzutage nicht mehr viele.« Seine Hand fuhlte sich weich an, als er nach der ihren griff. »Einfach ein ganz altmodisches Madchen, wie?«

»Na ja, ein wenig schon«, gab sie zu, druckte dabei seine Hand und leckte sich uber die Lippen. »Oh, hey, das Lied hier mag ich.«

Er horte sich mit ihr stumm »The Holy Ground« bis zum Ende an und winkte dann dem Barkeeper nach einem frischen Bier.

»Dann magst du also irische Musik?«, fragte er.

»Ja, das meiste jedenfalls. Noch mehr mag ich den Tanzmix von vor dem Krieg. Ich habe kein Sitzfleisch, wei?t du?« Sie zog ein Packchen Marlboro aus der Handtasche und war dabei, sich eine anzuzunden, hielt aber inne, als sie ihn zusammenzucken sah. »Oh, tut mir Leid. Stort dich der Rauch?« Eine dicke Wolke Tabakrauch hing in der Bar, und deshalb sah sie ihn mit hochgeschobenen Augenbrauen an.

»Nur, dass du dir so etwas antust. Meine Oma ist letzte Woche gestorben. Lungenkrebs. Wahrend des Kriegs und auch danach hat sie das Rauchen eingeschrankt, weil der Tabak damals knapp war, aber das hat wohl nicht gereicht.« Er runzelte die Stirn. »Tut mir Leid, aber … das ist noch gar nicht so lange her.«

»Na ja, Sucht bildend sind sie ja nicht mehr, aber es tut mir wirklich Leid, wenn ich dich damit an etwas so Trauriges erinnert habe.« Sie schob das Packchen wieder in die Handtasche zuruck und legte eine weiche Hand auf seinen Arm. »Wei?t du, was du brauchst? Du musst dich davon ablenken. Ein Stuckchen weiter unten an der Stra?e ist eine Kneipe, die hei?t Decos.« Sie wies auf die Buhne. »Wenn du ein Tief hast, vertragst du dieses Zeug nicht. Du musst es aus dir heraustanzen. Das tue ich immer, wenn mich etwas bedruckt. Verschwinden wir hier.«

»Yeah.« Er gab sich einen kleinen Ruck und nickte seinen Freunden zu, als sie das Lokal verlie?en.

Zwei Stunden spater sa? sie hinter ihm auf seinem Motorrad, und eine dunne Schwei?schicht trocknete in der salzigen Luft auf ihrer Haut, wahrend sie zu einem der hauptsachlich von Touristen vom Festland benutzten Hotels fuhren. Als er auf den Parkplatz einbog und anhielt, lie? sie seine Huften los und kletterte langsam aus dem Sattel, als wolle sie sich nicht von der Warme trennen, die er ausstrahlte.

»Fur deine Uniformen muss das ja schlimm sein«, sagte sie und deutete dabei auf das Motorrad.

»Na ja, schon. Au?er an den Wochenenden habe ich es ja meistens in der Garage. Aber stimmt schon, ich brauche standig neue Umformen.« Er seufzte. »Ich sag das wirklich ungern, aber wurde es dir etwas ausmachen hier zu warten, bis ich uns ein Zimmer besorgt habe? Ich wei? nicht, ob die vielleicht Zicken machen, wenn du dabei bist.«

Das ist denen schnurzegal, aber ich will nicht zugeben, dass ich das wei?. »Oh, uberhaupt nicht. Es ist warm, und wir haben Mondschein. Ich werde einfach den Abend und die frische Luft genie?en, bis du zuruckkommst.«

»Ah … dauert nur eine Minute.« Er druckte die Schultern zuruck und ging mit einer leicht ubertriebenen Pose der Selbstsicherheit auf die Tur zur Lobby zu.

Sie waren nur ein paar Stra?en vom Wall entfernt, und sie konnte ihn vom Parkplatz hinter ein paar freien Grundstucken und flachen Bauten sehen, wahrscheinlich wurde ihr der Salzgeruch nicht so auffallen, wenn sie ofter zu Hause ware, dachte sie, aber heute roch es wirklich kraftig. Sie betrachtete die paar Sterne, die im Dunst uber den Palmettos zu sehen waren.

Als er mit dem Schlussel wieder herauskam, lehnte sie mit geschlossenen Augen und das Gesicht zum Himmel gewandt an seinem Motorrad.

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