Die Bedienung, ein Junge unter zwanzig, stellte ihr eine Tasse Kaffee mit drei Wurfeln Zucker und den Toast hin. Zwei der Zuckerwurfel waren etwas wei?er als der dritte. Wahrend der Kellner an der Registrierkasse beschaftigt war, steckte sie jene zwei ein und lie? den dritten in ihren Kaffee fallen. Sie strich sich die von Justine vorgezogene Orangenmarmelade dunn auf ihren Toast. Als sie dann ihren Kaffee trank, kam der Kellner zuruck und fragte sie, ob sie noch etwas wunsche.

Sie schuttelte leicht den Kopf.

»Bist aber heute Morgen fruh dran«, meinte er.

»Er war kein Morgentyp.« Sie zuckte die Achseln. Blo? ein jammerliches, kleines Hundchen voll Angst, ich konnte ihm in die Eier treten. Aber er hat Recht gehabt. Ich bin zu alt fur ihn. Der Kellner unterdruckte ein Grinsen und ging zu der kleinen Spule zuruck und fuhr fort, das Geschirr vom Sonntagsfruhstuck zu waschen.

Wieder zuhause, spulte Cally die dunne Au?enschicht Zucker von den beiden Wurfeln, trocknete sie ab und schob den ersten in den Leseschlitz ihres PDA. Ein Hologramm baute sich daruber auf, mit einem Bild uberraschenderweise von Father O’Reilly.

»Miss O’Neal, Sie sehen mich anstelle Ihres ublichen Einsatzprofilers, weil es sich um eine Art Sondereinsatz handelt. Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Bane Sidhe auf einem sehr hohen Level penetriert worden ist. Demzufolge beschrankt sich die Kenntnis uber diesen Einsatz im Hauptquartier, meine Person eingeschlossen, auf drei Leute. Ihr Auftrag besteht darin, die undichte Stelle ausfindig zu machen und mit allen Mitteln zu stopfen, die Sie nach personlichem Ermessen fur notwendig halten. Sie werden bei diesem Einsatz Ihr ubliches Supportteam benutzen. Infolge der hoch sensiblen Natur dieses Einsatzes wird sich das Briefing Ihrer Teammitglieder auf jene Einzelheiten beschranken, die notwendig sind, um Sie in Ihre Tarnposition zu bringen. Sie sind nicht autorisiert, vor dem Briefing im Stutzpunkt uber dieses autorisierte Material hinauszugehen, und dieses Briefing wird fruhestens am Donnerstag vor der Einbringung erfolgen; es wird auch erfordern, dass samtliche gebrieften Teammitglieder bis zum Einsatz in sicherer Umgebung bleiben. Die Einbringung Ihrer Teammitglieder wird wesentlich weniger kompliziert als Ihre eigene sein. Sie werden samtliche Ma?nahmen uberprufen und in den zwei Wochen zwischen heute und dem Einfuhrungsdatum nach Ihrem Ermessen etwa notwendige Anderungen vornehmen. Zeit, die Sie nicht fur Ihre Vorbereitungen benotigen, durfen und werden Sie auf Ihren ruckstandigen Urlaub verrechnen. Cally, wenn Sie nicht mindestens eine Woche davon als Urlaub nehmen, garantiere ich Ihnen personlich, dass Sie fur mindestens einen Monat auf die Reservebank kommen. Sie sind eine ausgezeichnete Agentin, eine der Besten, die wir haben, aber selbst die Besten mussen einmal etwas ausspannen. Wir wurden es naturlich vorziehen, wenn Sie diese Auszeit freiwillig nehmen wurden.«

Das Hologramm flackerte, und an seine Stelle trat ein sich drehendes Steh-Hologramm eines Offiziers, dessen Kragensterne sein sichtbares Alter von etwa drei?ig Lugen straften. »Der Offizier, den Sie jetzt sehen, ist General Bernhard Beed vom Sicherheitsdirektorat von Fleet Strike. Offiziell leitet Beeds Buro die Dritte MP-Brigade und die Kriminalermittlungsfunktionen der Basis Titan. Da zwei seiner Bataillone im Einsatz sind, werden Sie feststellen, dass er grundsatzlich Zeit fur zusatzliche Aufgaben hat. Uns liegen Informationen vor, wonach unser Leck moglicherweise ein nicht der Bane Sidhe angehorendes Mitglied eines der Tongs auf Basis Titan benutzt. Wir nehmen an, dass man in Wirklichkeit Beed darauf angesetzt hat, Gegenspionage-Operationen gegen unsere Organisation aufzubauen und zu leiten. Wir glauben deshalb, dass Beeds Buro der beste Ort ist, um mit der Suche nach der Identitat unseres Lecks zu beginnen.« Das Display flackerte, und jetzt war das Bild einer jungen Frau zu sehen, die ahnlich gro? und ahnlich gebaut wie Cally war und die graue Seide von Fleet Strike trug. Na ja, stimmt einigerma?en, wenn man daruber hinwegsieht, dass sie zu viel Oberweite hat. Da wird die Platte sich an meinen Titten Muhe geben mussen. Und die Huften … aber in der Kleidung kann man nicht recht erkennen, ob das Muskeln oder Fett sind. Vielleicht Muskeln. Taille und Bauch scheinen Gott sei Dank in Ordnung. Meine Augen passen auch, aber das Haar — das wird das erste Mal seit langer Zeit sein, dass ich heller als meine naturliche Farbe farben muss.

»Ihre Tarnidentitat, Captain Sinda Makepeace, soll vom Personalburo von Fleet Strike in Chicago zur Basis Titan versetzt werden und dort die Position der Verwaltungsassistentin von General Beed ubernehmen. Wir konnten uns vergewissern, dass niemand in Beeds Buro je personlich mit Miss Makepeace Kontakt hatte.« Das Hologramm flackerte erneut, und jetzt war ein dunkelhaariger, junger Offizier zu sehen, der sich vermutlich jetzt jeden Tag rasieren musste. »Dies ist der Adjutant des Generals, Lieutenant Joshua Pryce. Miss Makepeace soll am Sonntag, den 26. Mai den 08:15 Shuttle von Chicago zur Basis Titan nehmen. Zwischen dem Zeitpunkt, wo Miss Makepeace die Sicherheitseinrichtungen des Raumhafens passiert und der Offnung des Gates fur den Shuttle, werden Sie eine knappe Stunde Zeit haben, um die Auswechslung vorzunehmen. Sie werden sich spatestens achtundvierzig Stunden vorher fur entsprechende korperliche Anpassungen melden, um damit Ihrem System genugend Zeit zur Stabilisierung zu geben. Cally, Basis Titan ist ein au?erst gefahrlicher Einsatzort. Fur den Fall, dass Sie oder ein Mitglied Ihres Teams festgenommen werden, muss ich Sie warnen, dass die Chance einer erfolgreichen Befreiung durch uns sehr gering ist. Wir brauchen diese Information, Cally. Beschaffen Sie sie und sehen Sie zu, dass Sie wieder rauskommen. Samtliche Daten dieses Wurfels werden automatisch in funf Sekunden geloscht.«

Sie wartete, bis das gefrorene Hologramm verschwand, zog dann den Wurfel heraus und lie? ihn in ein Glas Essig fallen, wo er sich frohlich zischend schnell aufloste. Sie schob den zweiten Wurfel in das Lesegerat und war uberrascht, als vor ihr ein Hologramm von Shari O’Neal entstand. »Hi, Su?e. Ich wei?, dass ich eigentlich fur personliche Dinge nicht an den Lagerbestand gehen darf, aber das ist heutzutage, wie mir scheint, die einzige Moglichkeit, dich zu erreichen. Ich wei?, dass du im Augenblick frei hast, und deshalb haben Wendy und ich ein kleines Picknick am Strand geplant. Eine andere Antwort als ja lassen wir nicht gelten. Nicht der ummauerte Teil von Folly, sondern der hubsche, kleine Streifen unmittelbar nordlich davon. Ich habe nachgesehen, dort hat sich seit zwei Monaten kein Wilder mehr sehen lassen, also konnen wir uns mit der Sensorwache abwechseln. Du brauchst au?er deinem Badeanzug und dir nichts mitzubringen. Morgen. Halb zwolf. Du kannst es ja Weiberurlaub nennen. Funf Sekunden und all der Quatsch, Wiedersehen.«

Ein Gesicht erschien auf dem Bildschirm ihres PDA, und eine verkniffen klingende, etwas murrische Stimme war zu horen. »Das war ein Sicherheitsbruch. Ich schatze, wir werden jetzt die Apartments verlegen mussen, damit die Buttel der Darhel uns nicht finden und im Schlaf umbringen. Soll ich mich nach einer geeigneten Mietimmobilie umsehen? Ich kann ja die Resultate in ansteigender Risikoreihenfolge auflisten, wenn du das wunschst«, erbot die Stimme sich hilfsbereit.

»Nein, danke, Buckley. Ich denke, ich werde das Risiko auf mich nehmen, hier zu bleiben.« Sie wusste nie recht, ob die KI-Emulation des Buckley gut genug war, um zu wissen, wann sie sich daruber lustig machte. Personality Solutions Inc. hatte sich nie sehr klar dazu geau?ert, wie sie ursprunglich die Basispersonlichkeit entwickelt hatten, die fur KI Emulationen in modernen PDAs benutzt wurde. Die meisten Leute fanden die standardma?ige Personlichkeitsemulation fur ihren Geschmack etwas zu pessimistisch und rusteten mit einem eher ihren Vorstellungen entsprechenden Buckley nach. Cally hatte das nicht getan. Sie benutzte ihren PDA routinema?ig fur Hochleistungsapplikationen, und bedauerlicherweise hatten mit anderen Personlichkeiten uberlagerte Buckleys die beunruhigende Tendenz, katastrophal abzusturzen, was dann eine Re-Formatierung erforderte. Je starker sich die Personlichkeit von dem ursprunglichen Buckley unterschied und je hoher die KI- Emulation eingestellt war, umso schneller sturzte sie ab. Einer der wesentlichen Punkte, in denen sich Buckleys von echter KI unterschieden, war, dass man bei zu hoher Einstellung der Emulation schon dann einen Absturz auslosen konnte, wenn man die Basispersonlichkeit fuhr. Ein hoch eingestellter Buckley konnte sich einfach zu viele potenzielle Katastrophen ausmalen.

Nach drei?ig Jahren verstand sie sich recht gut darauf, die Basis-Buckley-Personlichkeit mit allen moglichen Kunstgriffen zu einer akzeptablen Leistung zu uberreden. Fix tippte sie ein paar Buttons auf dem Bildschirm an und uberprufte ihre Einstellungen. Sie hatte tatsachlich die KI zu hoch eingestellt, deshalb drehte sie sie ein paar Striche herunter und ignorierte die Verwunschungen und Hinweise auf Lobotomie. Im Alltagsgebrauch kam man wirklich besser mit den Dingern klar, wenn man die Emulation nicht uber Level funf einstellte.

Sie lie? den zweiten Wurfel ins Glas fallen und achtete nicht darauf, wie er sich zischend aufloste. Als Justine hatte sie ein Abonnement in einem Fitness-Club in einem alten High-School-Gebaude, das noch aus der Vorkriegszeit stammte, und dieses Abonnement auf einige Monate im Voraus bezahlt. Das Fitness-Studio hatte den Krieg mit intaktem Dach uberstanden und war ursprunglich von den lokalen Verteidigungskraften beschlagnahmt worden, die es dann aber wieder an Deerfield Spa and Fitness zuruckgegeben hatten,

Вы читаете Callys Krieg
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×