sehen.
Keiner erwartete, da? sich die Nahe des Landes irgendwie bemerkbar machen wurde, denn auf Mesklin gab es keine Vogel, die Kolumbus in ahnlicher Lage neuen Mut gemacht hatten. Barlennan mu?te sich bereits seit mehreren Tagen ganz auf seinen Instinkt verlassen, denn der Hochnebel nahm seinen Freunden auf Toorey die Sicht, so da? sie ihm kaum noch helfen konnten.
Trotzdem erschien die gro?e Uberraschung am Himmel.
Weit vor der Bree wurde ein winziger dunkler Punkt sichtbar, der sich auf seltsame Weise bewegte, die den Meskliniten fremd war, obwohl jeder Mensch sie sofort richtig gedeutet hatte. Zunachst achtete niemand darauf, so da? der Punkt bereits zu hoch uber dem Schiff stand, um noch auf den Bildschirmen sichtbar zu sein, als der erste Mesklinit ihn entdeckte und einen lauten Warnschrei ausstie?, der die Beobachter auf Toorey erschreckte, ohne ihnen zusatzliche Informationen zu vermi tteln. Auf den Bildschirmen war nur zu erkennen, da? die gesamte Besatzung angestrengt nach oben starrte.
»Was ist los, Barl?« rief Lackland.
»Ich wei? es selbst nicht«, antwortete der Kommandant. »Zuerst dachte ich, es sei eure Rakete, die nach den Inseln sucht, aber es ist kleiner und sieht anders aus.«
»Fliegt es also?«
»Ja, aber es macht keinen Larm wie eure Raketen.
Wurde es sich nicht so gleichma?ig in der falschen Richtung bewegen, konnte man glauben, der Wind treibe es vor sich her. Ich wei? nicht, wie ich es beschreiben soll; es ist breiter als lang und erinnert ein wenig an einen Mast mit kreuzweise aufgesetzter Rahe. Besser kann ich es nicht beschreiben.«
»Hebst du eines der Gerate an, damit wir das Ding selbst sehen konnen?«
»Wir versuchen es gleich.«
Lackland setzte sich mit einem der Biologen der Station in Verbindung. »Lance, Barlennan scheint einer Art Vogel begegnet zu sein. Wir wollen ihn auf den Bildschirmen sichtbar machen. Kommen Sie in den Beobachtungsraum, damit wir wissen, was wir vor uns haben.«
»Schon unterwegs!« Der Biologe kam hereingesturmt, bevor der Vogel auf den Bildschirmen sichtbar wurde, und lie? sich wortlos in einen Sessel fallen, denn Barlennan sprach eben.
»Das Ding fliegt uber uns hinweg«, sagte der Kommandant, »manchmal in gerader Linie, manchmal in Kreisen. Wenn es einen Bogen beschreibt, kippt es etwas, aber sonst verandert sich nichts. Es scheint einen kleinen Korper zu haben, wo sich die beiden Stangen treffen…« Er beschrieb weiter, was er sah, aber das Ding war offenbar so neuartig fur ihn, da? er es in einer fremden Sprache kaum beschreiben konnte.
»Kneifen Sie die Augen zusammen, sobald das Ding in Sicht kommt«, sagte einer der Techniker plotzlich aus dem Hintergrund. »Ich arbeite mit hochempfindlichem Film, mu? aber trotzdem die Bildhelligkeit steigern, damit die Aufnahme genugend Einzelheiten zeigt.«
»… quer zu der langen Stange sind viele kurze Stangen angebracht«, fuhr Barlennan fort, »zwischen denen eine Art Segel ausgespannt ist. Jetzt kommt es wieder sehr niedrig auf uns zu – diesmal mu?te es auf den Bildschirmen erscheinen…«
Die Beobachter richteten sich gespannt auf, und der Techniker fa?te den Zweifachschalter fester, der die Helligkeit steigern und den Kameraverschlu? auslosen wurde. Obwohl er darauf vorbereitet war, erreichte das Ding die Mitte des Bildschirms, bevor er reagierte, und die Anwesenden hatten Gelegenheit, es ausgiebig zu betrachten, bis ihre Augen sich vor der zunehmenden Helligkeit unwillkurlich schlossen.
Der Kameramann schaltete auf Entwicklung um, spulte den Film zuruck und projizierte funfzehn Sekunden spater ein vergro?ertes Bild auf die Ruckwand des Beobachtungsraums. Nun sahen alle, da? Barlennan tatsachlich nicht imstande gewesen war, das Ding auf Englisch zu beschreiben, denn ihm fehlten Worter wie ›Rumpf‹, ›Tragflache‹ oder ›Bespannung‹.
Das Ding war kein Vogel. Es hatte einen etwa zwei Meter langen Rumpf, aus dem eine zwei oder drei Meter lange Stange nach ruckwarts ragte, an deren Ende Steuerflachen angebracht waren. Die Tragflachen hatten fast zehn Meter Spannweite, und ihre z ahlreichen Holme waren unter der durchsichtigen Bespannung deutlich zu erkennen. Barlennan hatte das Ding mit seinem beschrankten Wortschatz ausgezeichnet beschrieben.
»Ein Segelflugzeug«, murmelte der Meteorologe neben Lackland vor sich hin. »Bei dieser Gro?e mu? es drei oder vier Eingeborenen Platz bieten und kann praktisch unbegrenzt lange in der Luft bleiben, bis die Besatzung wieder Lebensmittel an Bord nehmen mu?.«
Der Kommandant und seine Leute wurden inzwischen allmahlich nervos, als die seltsame Flugmaschine weiter ihre Kreise uber dem Schiff zog; das war nicht erstaunlich, denn niemand la?t sich gern von jemand beobachten, den er selbst nicht sehen kann. Die Bree segelte weiter, bis endlich die Sonne unterging; am folgenden Morgen wu?te niemand, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war, da? das Flugzeug sich wieder entfernt hatte. Als es auch an den folgenden Tagen nicht am Himmel erschien, verga? die Besatzung den seltsamen Zwischenfall, und der Kommandant trostete sich mit der Auskunft seiner F reunde, da? starker Wind und eine niedrige Wolkendecke kein ideales Flugwetter ergaben. Allerdings kamen selbst die Menschen nicht auf die Idee, sich zu fragen, wie das erste Flugzeug sich unter dieser Wolkendecke zurechtgefunden hatte, die alle Sterne verdeckte.
Die erste Insel, die wenige Tage spater in Sicht kam, wuchs aus dem Meer bis zu den Wolken empor und schien uberall gute Liegeplatze zu bieten.
Der Kommandant entschlo? sich, nicht lange Zeit mit der Suche nach einem besonders guten Platz zu vergeuden, da der Meteorologe ihn gewarnt hatte, da? der Sturm bald die Inselgruppe erreichen mu?te. Die Bree lief also in die erste Bucht ein, die von hohen Felswanden ausreichend geschutzt wurde, und warf dort Anker. Die Besatzung traf die not igen Vorbereitungen und wartete dann in aller Ruhe auf das Herannahen des Sturmes.
Dondragmer war der einzige, der den allgemeinen Optimismus nicht teilte, und sein Kommandant hatte wenig spater ebenfalls Grund zur Besorgnis, als der Maat ihm zeigte, was er entdeckt hatte: Zwischen dem niedrigen Pflanzenwuchs der Uferhugel lagen Muscheln, Seetang und die Knochen gro?erer Meerestiere verstreut. Diese Schicht erstreckte sich bis etwa zehn Meter oberhalb der g egenwartigen Uferlinie; die Uberreste waren teilweise bereits vermodert, oder teilweise noch recht frisch, so da? ein logischer Schlu? nahelag – unter bestimmten Voraussetzungen stieg der Meeresspiegel in dieser Bucht uber den normalen Stand hinaus an, und die Bree lag hier vielleicht doch nicht so sicher, wie die Besatzung glaubte.
Dieser Verdacht bestatigte sich fruher als erwartet, denn der Sturm brach unvermutet los, bevor der Kommandant den Befehl erteilen konnte, die Bree hoher an Land zu ziehen, was nicht weiter schwierig gewesen ware, da das Schiff an der Mundung eines kleinen Flusses lag, dem es nur zu folgen brauchte. Barlennan uberlegte noch, ob er diesen Entschlu? verwirklichen sollte, als der Sturm derartige Uberlegungen gegenstandslos machte. Ein jaher Windsto? lie? die Bree erzittern und veranla?te die Besatzung, schleunigst unter ihren Abdeckungen Schutz zu suchen.
Dann geschah das Unerwartete – die Bucht leerte sich plotzlich, so da? die Bree auf Grund lag, und fullte sich ebenso rasch wieder. Eine Flutwelle brandete vom Meer her uber das Schiff hinweg und ri? es unwiderstehlich mit. Gleichzeitig sank die Abenddammerung herab, so da? Barlennan nur vermuten konnte, wohin die wilde Fahrt ging: den kleinen Flu? entlang Richtung landeinwarts. In der Dunkelheit lief die Bree irgendwo auf Grund, als die Flutwelle sich erschopfte. Bei Tageslicht ware es der Besatzung vielleicht gelungen, das Schiff trotz Wind und Wetter rechtzeitig wieder flottzumachen; sie durfte es jedoch nicht wagen, sich nachts der Gewalt des Sturmes auszusetzen, der bereits samtliche Masten geknickt hatte. Als die Sonne wieder aufging, beleuchtete sie eine jammerliche Ansammlung von Flo?en zwanzig Meter vom Flu? entfernt, der zu schmal und zu seicht war, um auch nur eines davon zu tragen.
Das sturmische Meer lag irgendwo jenseits der Hugel; ein hilflos gestrandetes sechs Meter langes Seeungeheuer am gegenuberliegenden Ufer des kleinen Flusses demonstrierte die verzweifelte L age der Sudpolexpedition.
12
Die Beobachter auf Toorey hatten diese Entwicklung auf den Bildschirmen verfolgen konnen, denn die Funkgerate gehorten zu den wenigen Gegenstanden an Deck der Bree, die den Sturm unbeschadigt uberstanden hatten. Auf dem Hohepunkt des Sturmes war nicht allzu viel zu erkennen gewesen, aber die gegenwartige Situation machte alle Erklarungen uberflussig. Lackland und die ubrigen Manner im Beobachtungsraum suchten vergeblich nach aufmunternden Worten.
Auch die Meskliniten waren einigerma?en sprachlos. Sie waren daran gewohnt, ihr Schiff an Land liegen zu sehen – aber nicht so unfreiwillig rasch und so weit vom Meer entfernt. Barlennan und sein Maat begannen mit einer Bestandsaufnahme und stellten dabei fest, da? sie wenig Anla? hatten, ihrem Schicksal dankbar zu sein.
Zum Gluck waren noch genugend Lebensmittel an Bord, obwohl das Kanu leer war. Dondragmer schlo? daraus, die Flo?e seien dem Boot doch uberlegen, verga? aber zu erwahnen, da? die Vorrate im Kanu nicht festgebunden gewesen waren, weil er selbst auf die hohen Bordwande vertraut hatte. Das kleine Boot und die Bree waren unbeschadigt geblieben; das Schiff lag sogar auf ebenem Kiel, was seiner Konstruktion zu verdanken war – Barlennan erwahnte diese Tatsache selbst, bevor sein Maat davon sprechen konnte. Schiff, Besatzung und Ladung hatten den Sturm einigerma?en heil uberstanden – aber die Bree lag weit von ihrem eigentlichen Element entfernt.
»Am besten zerlegen wir sie und schleppen die Flo?e uber die Hugel zum Meer. Das Gewicht durfte hier noch keine gro?e Rolle spielen«, meinte Barlennan schlie?lich.
»Richtig, aber ware es nicht besser, die Verbindungen nur der Lange nach zu trennen, so da? ganze Ketten von Flo?en entstehen?« warf Hars ein, der in der Nahe stand. »Wir konnten sie zum Flu? ziehen, und ich bin uberzeugt davon, da? sie bald von selbst schwimmen wurden.«
»Eine gute Idee«, stimmte Barlennan zu. »Hars, du machst dich gleich auf den Weg und stellst fest, von wo ab der Flu? tief genug ist. Die anderen beginnen inzwischen mit der Arbeit, wie Hars vorgeschlagen hat.«
»Ob das Wetter noch so