entdeckt hatte, war nicht zu erkennen; aber ihre Ausma?e wurden jetzt genauer festgestellt. Der Mittelpunkt des Plateaus schien tiefer als die Rander zu liegen, so da? eine gigantische Senke entstand, deren Tiefe sich jedoch nicht feststellen lie?, da zur Mitte hin keine Schatten erkennbar waren, die genaue Messungen ermoglicht hatten. Die Analytiker waren jedenfalls davon uberzeugt, der tiefste Punkt der Senke liege immer noch wesentlich hoher als das Land am Flu?.

Rosten las den abschlie?enden Bericht mit gerunzelter Stirn durch.

»Mehr konnen wir leider nicht fur ihn tun«, sagte er dann. »Ich mochte das Land dort unten allerdings nicht geschenkt haben, selbst wenn ich darin leben konnte. Charlie, Sie mussen Barlennan moralisch unterstutzen; ich kann mir nicht vorstellen, wie wir ihm sonst helfen sollten.«

»Ich gebe mir schon alle Muhe«, versicherte Lackland ihm. »Hoffentlich la?t er uns jetzt nicht im Stich, weil ihm plotzlich Zweifel an der ganzen Sache kommen; er glaubt noch immer nicht alles, was er von uns hort, wissen Sie. Ich wollte, irgend jemand konnte den scheinbar hoheren Horizont zu seiner – und meiner – Zufriedenheit erklaren, damit er sich endlich nicht mehr einbildet, im Innern einer Schussel zu leben; das wurde unsere Glaubwurdigkeit in seinen Augen wesentlich erhohen und…«

»Soll das etwa hei?en, da? Sie nicht wissen, weshalb der Horizont hoher zu sein scheint?« fragte einer der Meteorologen vollig entgeistert. »Nicht genau, obwohl mir klar ist, da? die Luftdichte etwas damit zu tun hat.«

»Aber es ist doch ganz einfach…«

»Fur mich nicht.«

»Es ist fur jeden einfach«, stellte der andere fest.

»Sie haben bestimmt schon oft gesehen, da? auf der Erde im Sommer uber den Stra?en Luftspiegelungen entstehen, die man fur Wasserpfutzen halten konnte. In der Wuste gibt es wesentlich gro?ere, aber alle beruhen auf dem gleichen Prinzip: Eine ›Linse‹ oder ein ›Prisma‹ aus kalterer oder hei?erer Luft bewirkt eine Refraktion des Lichts. Hier auf Mesklin tritt das gleiche Phanomen auf, aber diesmal ist die Schwerkraft dafur verantwortlich; selbst die Dichte von Wasserstoff nimmt rasch ab, je weiter man sich von der Oberflache entfernt. Die niedrige Temperatur tragt naturlich ebenfalls dazu bei.«

»Meinetwegen, wenn Sie es sagen; ich bin kein…« Lackland konnte den Satz nicht beenden, denn Rosten unterbrach ihn.

»Horen Sie, wie rasch nimmt die Dichte mit z unehmender Hohe ab?« Der Meteorologe griff nach seinem Rechenschieber und stellte einige Zahlen ein.

»Ich kann Ihre F rage nur ungefahr beantworten, Doc«, meinte er entschuldigend. »Bei einer angenommenen mittleren Temperatur von minus hundertsechzig Grad Celsius betragt die Dichte in etwa funfhundert Meter ein Prozent des an der Oberflache gemessenen Wertes.«

Betroffenes Schweigen.

»Und… wie gro? ware die Abnahme in… sagen wir… hundert Meter?« brachte Rosten schlie?lich heraus.

Der Meteorologe rechnete wieder. »Grob geschatzt siebzig oder achtzig Prozent – wahrscheinlich etwas mehr.«

Rostens Finger trommelten einen Marsch auf der Tischplatte, und die Augen der Manner verfolgten ihre Bewegungen; dann sah er langsam von einem zum anderen und stie? uberall nur auf ausdruckslose Mienen.

»Ich nehme an, da? keiner von Ihnen einen Ausweg vorschlagen kann«, stellte Rosten fest. »Oder hofft jemand tatsachlich, Barlennan und seine Leute seien imstande, unter einem Luftdruck zu leben und zu arbeiten, der auf der Erde dem Druck in funfzehntausend Meter entsprache?«

»Hmmm, das ist gar nicht ausgeschlossen«, murmelte Lackland vor sich hin, und Rosten starrte ihn uberrascht an. »Ich erinnere mich jetzt, da? er in der Lage zu sein scheint, ziemlich lange unter Methan zu bleiben und betrachtliche Entfernungen unter der Oberflache zuruckzulegen. Denken Sie nur daran, da? die Flu?bewohner die Bree auf gleiche Weise ans Ufer gebracht haben mussen. Falls die Eingeborenen nur Luft speichern, wie es die Wale auf der Erde tun, nutzt uns diese Fahigkeit nichts; aber wenn sie tatsachlich einen Teil des benotigten Wasserstoffs aus Flussen oder Meeren aufnehmen konnen, besteht vielleicht noch eine schwache Hoffnung.«

Rosten nickte heftig. »Charlie, Sie setzen sich sofort mit Barlennan in Verbindung und stellen fest, was er uber seine Fahigkeit wei?. Rick, Sie machen sich an die Arbeit und bringen irgendwie heraus, wie viel Wasserstoff in Methan bei acht Atmospharen und Temperaturen zwischen minus hundertfunfundvierzig und minus hundertachtzig Grad Celsius losbar ist. Dave, stecken Sie Ihren Rechenschieber ein und verschwinden Sie im Computerraum; berechnen Sie die Wasserstoff dichte am hochsten Punkt des Massivs so genau wie moglich.

Halt, mir fallt noch etwas ein – hat nicht einer von Ihnen behauptet, der Luftdruck im Zentrum eines Sturmes auf Mesklin sinke bis um drei Atmospharen ab? Charlie, lassen Sie sich von Barlennan erzahlen, ob und wie er und seine Leute diese Veranderung wahrgenommen haben. An die Arbeit, meine Herren!« Die Wissenschaftler verlie?en den Raum, aber Rosten blieb zuruck, um Lacklands Gesprach mit Barlennan zu verfolgen.

Der Mesklinit erklarte bereitwillig, er sei ohne weiteres imstande, langere Zeit unter der Oberflache zu schwimmen; aber er konnte nicht angeben, was ihn dazu befahigte. Jedenfalls atmete er nicht und hatte auch nicht das Gefuhl, ersticken zu mussen, das ein Mensch in gleicher Lage gehabt hatte.

Falls er zu lange unter der Oberflache blieb und sich dabei anstrengte, wurde er schlafrig; verlor er jedoch tatsachlich das Bewu?tsein, traten keine weiteren Schaden auf; er konnte spater jederzeit herausgezogen und wiederbelebt werden, sofern er nicht inzwischen verhungert war. Offenbar war die Wasserstoffkonzentration im Meer so hoch, da? er zwar nicht arbeiten, aber immerhin uberleben konnte. Rostens dustere Miene hellte sich bei dieser Auskunft sichtbar auf.

»Der Luftdruckunterschied wahrend eines Sturmes fallt uns gar nicht auf«, fuhr der Kommandant fort. »Jedenfalls war keiner von uns so geschwacht, da? er sich nicht hatte festhalten konnen, als wir auf der Insel an Land geworfen wurden; allerdings befanden wir uns dort nur zwei oder drei Minuten im Zentrum des Sturmes. Worum handelt es sich uberhaupt? Ich verstehe nicht, was deine Fragen bezwecken.«

Lackland sah zu Doc Rosten hinuber, der wortlos nickte.

»Wir haben festgestellt, da? die Luft in der Umgebung der Rakete wegen des gro?en Hohenunterschieds wesentlich dunner ist«, erklarte Lackland dem Meskliniten. »Deshalb bezweifeln wir, da? ihr dort oben leben und arbeiten konnt.«

»Aber die Rakete steht doch nur hundert Meter hoher; wie soll sich der Luftdruck bei diesem g eringen Unterschied so stark verandern?«

»Das hangt mit der Schwerkraft eures Planeten zusammen«, antwortete Lackland. »Ich kann es dir nicht ausfuhrlich erklaren, aber auf jedem Planeten wird die Luft in gro?eren Hohen dunner, und je gro?er die Schwerkraft, desto rascher geht die Veranderung vor sich. Auf Mesklin ist sie naturgema? besonders deutlich.«

»Aber wo mu?te eurer Meinung nach normaler Luftdruck herrschen?«

»Wir vermuten in Meereshohe; alle unsere Messungen werden jedenfalls normalerweise dort g emacht.«

Barlennan schwieg nachdenklich. »Das kommt mir nicht richtig vor, denn schlie?lich braucht man doch fur Messungen eine Hohe, die immer gleich bleibt. Unsere Meere verandern sich im Lauf des Jahres – und mir ist nie aufgefallen, da? die Luft anders gewesen ware.«

»Das kann verschiedene Grunde haben. Du mu?t vor allem berucksichtigen, da? du an Bord der Bree immer auf Meereshohe und deshalb in der untersten Schicht der Atmosphare bleibst.«

»So einfach ist die Sache nicht«, widersprach der Kommandant. »Unsere Stadte bleiben an der gleichen Stelle; im Fruhjahr liegen sie am Meer, aber im Herbst sind sie dreihundert bis zweitausend Kilometer von der Kuste entfernt. Das Land fallt naturlich nur allmahlich ab, aber ich bin davon uberzeugt, da? sie im Herbst mindestens hundert Meter uber dem Meeresspiegel liegen.«

Lackland und Rosten starrten sich wortlos an, dann sagte Rosten: »Zu Hause bist du allerdings wesentlich weiter vom Pol entfernt – aber das ist nur Haarspalterei. Selbst wenn die Schwerkraft dort erheblich geringer ware, mu?te der Luftdruckunterschied gewaltig sein. Vielleicht waren wir tatsachlich ubervorsichtig.« Er machte eine Pause, aber der Mesklinit antwortete nicht. »Wart ihr also b ereit, zumindest den Versuch zu machen, die Hochebene zu erreichen? Wir wollen euch selbstverstandlich nicht dazu uberreden, wenn du physische Schwierigkeiten erwartest, aber du wei?t, wie wichtig diese Expedition fur uns ist.«

»Wir versuchen es naturlich«, versicherte Barlennan. »Bisher ist alles gut gegangen, und wir haben keinen Grund zu der Annahme, da? der letzte Teil der Reise schwieriger wird. Au?erdem mochte ich…« Er schwieg und fugte dann hinzu: »Habt ihr schon einen gangbaren Weg entdeckt, oder ist eure Frage noch immer hypothetisch?«

»Zwolfhundert Meter flu?aufwarts scheint es e inen Weg auf die Hochebene zu geben«, antwortete Lackland. »Wir wissen nicht, ob ihr dort hinaufkommt; es scheint sich um eine leicht ansteigende Gerollhalde zu handeln, aber wir konnen nicht beurteilen, wie gro? die Felsen sind. Das ist allerdings die einzige Moglichkeit, furchte ich, denn das Plateau fallt uberall steil ab.«

»Gut, dann fahren wir flu?aufwarts weiter. Ich mochte es moglichst vermeiden, selbst kleine Felsen zu erklettern, aber wir tun unser Bestes. Vielleicht kannst du uns einen guten Rat geben, wenn du die Halde auf dem Bildschirm siehst.«

»Wahrscheinlich dauert die Fahrt ziemlich lange.«

»Nicht allzu lange; an der Felswand entlang weht ein steter Wind in unserer Richtung, so da? wir segeln konnen, falls die Stromung nicht starker wird.«

»Der Flu? bleibt bis zur Gerollhalde unverandert breit«, versicherte Lackland ihm. »Allerdings kann die Stromung rascher werden, falls er seichter wird.

Wir konnen von hier aus nur sagen, da? es keine Stromschnellen zu geben scheint.«

»Ausgezeichnet, Charles. Wir brechen auf, sobald die Jager zuruck sind.«

Rosten lehnte sich mit einem erleichterten Seufzer in seinen Sessel zuruck.

16

Barlennan hatte erwartet, die Flu?ufer wurden kahler werden, je weiter die Bree stromaufwarts vorankam, aber zu seiner Verbluffung war eher das Gegenteil der Fall. Gro?e Klumpen niedrigen Buschwerks wucherten an beiden Ufern mit Ausnahme der Stellen, an denen

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