Barlennans Leute abgeben und marschierte mit ihnen bergab, ohne weitere Zeit zu verlieren.
Der Kommandant wandte sich an die Zuruckgebliebenen.
»Ab sofort werden unsere Vorrate streng rationiert. Wir brauchen uns nicht zu beeilen, denn das ware ohnehin zwecklos. Die Bree erreicht den alten Liegeplatz lange vor uns, aber Dondragmer und seine Leute haben einiges zu tun, bevor sie uns helfen konnen. Achtet sorgfaltig auf die beiden Funkgerate: Wenn sie beschadigt werden, finden wir die Bree nicht wieder – es sei denn, ihr wollt standig uber den Rand der Klippe nach unten s ehen.«
»Sollen wir gleich aufbrechen?« fragte einer der Leute.
»Nein, wir warten hier, bis wir wissen, da? Dondragmer das Schiff erreicht hat. Falls ihm e twas zusto?t, mussen wir wahrscheinlich selbst wieder hinunter; deshalb ware es zwecklos, die Entfernung zu vergro?ern, die wir dann zurucklegen mu?ten.«
Der Maat und seine Gruppe hatten inzwischen den Einschnitt erreicht, seilten sich dort an und begannen vorsichtig den gefahrlichen Abstieg. Der Sturm konnte sie nicht mehr mitrei?en, da er an den glatten Korpern ohne Traglasten keinen Widerstand fand, aber der Weg bergab war trotzdem muhsam.
Etliche Tage verstrichen, bis sie den Einschnitt hinter sich lassen und im Windschatten uber die Gerollhalde absteigen konnten; vier oder funf Tage spater erreichten sie die Bree.
Dondragmer meldete Barlennan seine Ankunft.
Dann wurde das Schiff in den Flu? gezogen – ein muhsames Stuck Arbeit, da ein Viertel der Besatzung fehlte. Dondragmer erinnerte sich jedoch an den Flaschenzug, den er mit Lacklands Hilfe gebaut hatte, und setzte das Gerat auch diesmal erfolgreich ein.
Als die Bree flu?abwarts trieb, befa?te Dondragmer sich langere Zeit mit dem Flaschenzug. Er hatte selbst einen bauen konnen, denn die Konstruktion war klar; aber er konnte sich nicht vorstellen, weshalb das Gerat auf diese Weise funktionierte. Die Manner auf Toorey beobachteten ihn amusiert, aber keiner war so unhoflich, Dondragmer etwa auszulachen – und keiner ware auf die Idee gekommen, ihm etwas zu erklaren, was er selbst zu losen versuchte. Audi Lackland, der Barlennan ins Herz geschlossen hatte, wu?te langst, da? Dondragmer erheblich intelligenter als der Kommandant war, und erwartete fest, da? der Mesklinit das Prinzip des Flaschenzugs entratselt haben wurde, bevor die Reise der Bree zu Ende war; diese Erwartung erfullte sich jedoch nicht.
Die Position der Rakete lie? sich auf zehn Kilometer genau bestimmen, denn ihre Telemetriesender waren nach dem mi?gluckten Startversuch mehr als ein Jahr lang in Betrieb gewesen; in dieser Zeit war ihr Standort taglich vermessen worden.
Die Bree und Barlennans Gruppe konnten ebenfalls geortet werden, so da? die Beobachter auf Toorey imstande waren, von ihrer Station aus Anweisungen zu geben, nach denen Barlennan zuerst das Schiff und dann die Rakete finden mu?te. Dieses Problem war erheblich leichter zu losen, sobald Dondragmer den fruheren Ankerplatz erreicht und dort ein Lager aufgeschlagen hatte. Nun befand sich ein ortsfester Sender auf Mesklin, und Lackland konnte Barlennan jederzeit Auskunft daruber geben, wie weit er und seine Leute noch zu marschieren hatten.
Der Marsch wurde wieder zu einem Routineunternehmen – von Toorey aus.
17
Fur Barlennans Gruppe war er jedoch keineswegs eine Routinesache. Das Hochplateau bestatigte den ersten Eindruck: es war unfruchtbar, steinig, unbelebt und verwirrend. Der Kommandant wu?te, da? er sich nicht allzu weit vorn Rand entfernen durfte; geriet er zwischen die hohen Felsen, verlor er rasch jegliche Orientierungsmoglichkeit. Vom Boden aus wirkte die Landschaft eintonig felsig, und Barlennan hatte bisher noch keine markanten Punkte entdeckt, nach denen er sich uber gro?ere Entfernungen hinweg richten konnte; deshalb blieb er so dicht wie moglich am Rand der Klippe.
Das Gelande selbst war nicht allzu schwierig, wenn man von den Felsbrocken absah, die umgangen werden mu?ten. Zwolfhundert Kilometer sind fur Menschen eine gewaltige Entfernung, sobald sie zu Fu? zuruckgelegt werden sollen, aber fur nur vierzig Zentimeter lange Lebewesen, die wie Raupen ›marschierten‹, war die Entfernung noch gro?er, und die endlosen Umwege verlangerten den Marsch weiter. Unter Berucksichtigung aller U mstande kamen Barlennan und seine Leute verbluffend rasch voran – aber hier gab es eben sehr viel zu berucksichtigen. Der Kommandant machte sich allmahlich Sorgen wegen ihrer schwindenden Vorrate. Er hatte ursprunglich mit einem gro?en Sicherheitsfaktor g erechnet, aber der Marsch dauerte wesentlich langer als erwartet, so da? er die Tagesrationen mehrmals herabsetzen mu?te, bis das Existenzminimum fast erreicht war. Barlennan fragte immer wieder bei Lackland an, wie weit sie noch zu marschieren hatten, aber diese Auskunfte trugen keineswegs dazu bei, seine Stimmung zu heben.
Die Gruppe hatte ihre Eisernen Rationen bereits angebrochen, als sie endlich eine Stelle erreichte, an der die Manner auf Toorey keinen Unterschied mehr zwischen den Positionen der beiden Sender feststellen konnten. Theoretisch hatte Barlennan nun den zweiten Teil seines Plans in die Tat umsetzen konnen, durch den ihre Vorrate erganzt werden sollten, aber praktisch war zuerst noch ein schwieriges Problem zu losen, das er bisher in Gedanken weit von sich geschoben hatte.
Lackland behauptete, sie befanden sich in unmi ttelbarer Nahe der Bree. Folglich lagen nur hundert Meter von ihnen entfernt Vorrate fur sie bereit – aber bevor sie uberhaupt damit beginnen konnten, an diese Vorrate zu gelangen, mu?te zumindest einer von ihnen uber den Rand sehen. Sie mu?ten sehen, wo die Bree lag; sie mu?ten die Vorrate zu sich heraufziehen; sie mu?ten hundert Meter weit in die Tiefe blicken – und sie konnten sich vorstellen, was ein Fall aus dieser Hohe bedeutete.
Trotzdem gab es keine andere Moglichkeit, und Barlennan wagte es schlie?lich, um ein Beispiel zu geben, wie es seine Stellung als Kommandant e rforderte. Er naherte sich vorsichtig dem Rand, blieb mehrmals stehen und gewohnte sich so allmahlich an das Gefuhl, jenseits und unterhalb der Felskante Land zu sehen. Nun kam schon das Ufer in Sicht… dort hatte die Bree fruher gelegen… ganz in der Nahe lag sie jetzt; sie hatte sich nicht im geringsten verandert, und Barlennan erkannte einige Besatzungsmitglieder auf Deck und zwischen den Felsen am Ufer. Einen Augenblick lang verga? der Kommandant, in welcher Hohe er sich befand, und rutschte etwas weiter vor, um besser sehen zu konnen. Dadurch g eriet sein Kopf uber den Rand der Klippe.
Barlennan sah senkrecht nach unten.
Bisher hatte er geglaubt, die ersten Minuten auf dem Dach des Schleppers seien die schrecklichste Erfahrung seines Lebens gewesen. Seit diesem Blick die Felswand entlang konnte er nicht entscheiden, was tatsachlich schlimmer gewesen war.
Barlennan wu?te nicht einmal, wie er sich wieder in Sicherheit gebracht hatte und war vorsichtig genug, seine Leute nicht zu fragen, ob er Hilfe g ebraucht hatte. Als er seine Umgebung endlich wieder bewu?t wahrnahm, lag er zitternd und bebend zwei Meter vom Rand der Klippe entfernt. Er brauchte viele Tage, um sich von diesem Erlebnis zu erholen.
Dann uberlegte er, was moglich – und notwendig – war. Die Schwierigkeiten hatten erst begonnen, als er s enkrecht nach unten sah, anstatt schrag in Richtung Schiff zu blicken. Folglich mu?te es mo glich sein, die notwendigen Arbeiten zu verrichten, solange er und seine Leute es vermieden, diesen Fehler zu wiederholen.
Dondragmer hatte Barlennans Kopf nicht gesehen, als er kurz am oberen Rand der Klippe auftauchte und wieder verschwand, aber er wu?te, da? die andere Gruppe sich irgendwo in der Nahe befinden mu?te. Er und seine Leute suchten die Felsen mit den Augen ab, wahrend die zweite Gruppe einen leeren Behalter an den Rand vorschob und mehrmals auffallig bewegte. Dieser Lebensmittelbehalter wurde schlie?lich fast genau oberhalb der Bree gesichtet; Barlennan hatte zuvor festgestellt, da? er sich nicht ganz am richtigen Platz befand, und der Fehler wurde korrigiert, bevor einer seiner Leute das Zeichen gab.
»Das genugt, wir sehen euch!« rief Dondragmer kurze Zeit spater.
Der Mesklinit am oberen Rand der Klippe setzte den Behalter ab, so da? er von unten aus weiterhin sichtbar blieb, und zog sich erleichtert einige Meter weit zuruck. Die anderen hatten inzwischen das mitgebrachte Seil ausgelegt. Ein Ende wurde an einem geeigneten Felsbrocken befestigt, und Barlennan achtete sorgfaltig darauf, da? die Knoten sich nicht wieder losen konnten; falls das Seil verlorenging, mu?te die Gruppe hier oben verhungern.
Nachdem der Kommandant sich nochmals davon uberzeugt hatte, da? alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen waren, lie? er den Rest des Seils an den Rand bringen, und zwei seiner Leute rollten es langsam aus. Dondragmer zog sich mit den ubrigen Besatzungsmitgliedern vom Fu? der Klippe zuruck, denn falls das Seil durch einen u nglucklichen Zufall in voller Lange uber die Kante rutschte, war der Aufenthalt darunter lebensgefahrlich. Der Maat wartete deshalb, bis Barlennan meldete, das Seil sei vollig abgespult; erst dann machte er sich mit seinen Leuten auf den Weg, um es zu suchen.
Die uberschussige Seillange lag eng zusamme ngerollt auf dem harten Boden. Dondragmer griff sofort danach, schnitt den uberflussigen Teil ab und ma? ihn aus. Da er inzwischen ziemlich genau wu?te, wie hoch die Felswand an dieser Stelle war, erkannte er, da? dieses Stuck Seil nicht wieder bis zur oberen Kante reichen wurde; er holte also eine andere Leine von Bord, machte sie sorgfaltig fest und teilte Barlennan mit, er konne das Seil nach oben ziehen lassen.
Diese Arbeit war nicht leicht, aber die Meskliniten waren ihr gewachsen; nach verhaltnisma?ig kurzer Zeit lag das zweite Seil vor ihnen, und der Kommandant konnte erleichtert aufatmen. Nun hatten sie zumindest ein Reserveseil, wenn das erste brach oder sonst wie unbrauchbar wurde.
Die zweite Last war allerdings wesentlich schwieriger zu bewaltigen. Diesmal handelte es sich um ein Bundel Lebensmittel, das etwa soviel wie Dondragmer wog. In diesen Breiten ware ein Mesklinit normalerweise nicht imstande gewesen, ein derartiges Gewicht zu heben, und Barlennans verhaltnisma?ig kleine Gruppe hatte ein hartes Stuck Arbeit vor sich. Der Kommandant und seine Leute lie?en das Seil um einen geeigneten Felsen laufen und legten mehrmals langere Pausen ein, bis es ihnen endlich gelang, die