anzusehen, die verworrene Sachen vorfuhrte und dabei banale Dinge erzahlte, bis sich plotzlich die Sichtblenden teilten und ein massiver hudlarischer Korper auftauchte.

»Sie sollten lieber schlafen, Patient Hewlitt«, sagte die Lernschwester mit einer solch leisen Stimme, da? er sie kaum verstehen konnte. »Stimmt irgend etwas nicht?«

»Sind Sie noch immer die Schwester, die mich heute hierhergebracht hat oder schon eine andere?« erkundigte er sich.

»Alle anderen Schwestern, inklusive Leethveeschi, sind bereits abgelost worden«, antwortete die Hudlarerin. »Meine Spezies kann aber sehr lange ohne Schlaf auskommen, und ich werde die ganze Nacht uber Dienst haben. Morgen und ubermorgen habe ich frei und werde die Zeit nutzen, einiges fur meine Fortbildung zu tun. Sie werden mich also erst in drei Tagen wiedersehen, falls Sie dann noch hiersein sollten. Ihre Korpersensoren zeigen erhohte Anspannung und Erschopfung an. Warum schlafen Sie nicht?«

»Ich… ich glaube, ich habe Angst vor dem Einschlafen«, raumte Hewlitt ein und wunderte sich, warum es ihm weniger peinlich war, vor einem Alien eine Schwache zuzugeben als vor einem Terrestrier. »Wenn ich hier schlafen wurde, hatte ich bestimmt entsetzliche Alptraume, und beim Aufwachen ware dann alles nur noch schlimmer. Ich nehme an, Sie wissen, was Alptraume sind, oder?«

»Und ob«, erklarte die Schwester. Dann hob sie einen Vordertentakel hoch und winkte damit uber die Sichtblenden hinweg in Richtung der Station. »Wurden sich Ihre Alptraume denn um uns hier drehen?«

Hewlitt antwortete nicht, denn indirekt hatte er diese Frage langst beantwortet und schamte sich mittlerweile dafur.

»Wenn Sie in der Nacht Alptraume von uns haben«, fuhr die Schwester fort, »um dann beim Aufwachen festzustellen, da? diese Alptraume wahr und diese Wesen tatsachlich um sie herum versammelt sind, und zwarentweder als Patienten, die mit Ihnen gemeinsam leiden, oder als medizinisches Personal, das Sie zu heilen versucht, dann ist es doch vollig zwecklos, wenn Sie versuchen wach zu bleiben, oder? Ich meine, allein durch das Wissen, da? wir sowieso hier sind, wenn Sie aufwachen, konnte Ihr Alptraum weniger heftig ausfallen, so da? sich Ihre Gedanken vielleicht um einen angenehmeren Traum drehen werden. Ist das nicht ein vernunftiger Vorschlag, Patient Hewlitt? Wollen Sie es nicht wenigstens mal versuchen?«

Erneut antwortete Hewlitt nicht; dieses Mal versuchte er, die hudlarische Logik zu begreifen.

»Au?erdem ist diese melfanische Quizsendung schadlich fur die geistige Gesundheit, egal, welcher Spezies der Zuschauer angehort. Mochten Sie sich statt dessen vielleicht lieber mit mir unterhalten?«

»Ja, sicher… ich meine, nein«, stammelte Hewlitt. »Schlie?lich gibt es hier Patienten, die kranker sind und Ihrer Aufmerksamkeit mehr bedurfen als ich. Mir fehlt ja nichts, zumindest im Moment nicht.«

»Zur Zeit sind alle anderen Patienten ruhig und zufrieden, ihr Zustand ist stabil, und sie werden im Schlaf uberwacht«, versicherte ihm die Hudlarerin. »Sie hingegen sind wach, und fur eine junge und geistig rege Lernschwester kann der Nachtdienst mitunter ziemlich langweilig sein. Gibt es denn irgendwas, das Sie mir gern erzahlen oder mich fragen mochten?«

Neugierig musterte Hewlitt das riesige Monster mit den sechs Tentakeln, der Sprechmembran, die wie eine fleischige Flagge hin- und herflatterte, und der ledernen Haut, die samtliche Gliedma?en und den ganzen Korper wie eine nahtlose Rustung bedeckte, dann sagte er: »Ihre Farbe beginnt wieder abzublattern.«

»Danke fur die Warnung, aber es besteht keine Gefahr. Bis zum Schichtwechsel morgen fruh reicht das noch«, klarte ihn die Hudlarerin auf.

»Ehrlich gesagt, verstehe ich kaum ein Wort von dem, was Sie sagen«, raumte Hewlitt ein. »Zumindest nicht gut genug, um Fragen stellen zu konnen.«»Sie haben doch vor ein paar Stunden etwas uber die Verwendung von Kosmetika erwahnt, ist das vielleicht der Grund?« fragte die Schwester. »Wissen Sie, warum Hudlarer ein Nahrungspraparat verwenden?«

Im Grunde interessierten ihn die Angewohnheiten von Extraterrestriern einen feuchten Kehricht. Aber diese Hudlarerin hier wollte sich offenbar unbedingt mit ihm unterhalten, und sei es nur, um sich die Langeweile zu vertreiben. Andererseits konnte sie ihn auf andere Gedanken bringen, wenn er ihr zuhorte. In dem Fall wurde er praktisch einem ihm bekannten Monster zuhoren, um seine Furcht vor den anderen unbekannten Monstern zu vergessen. Und vielleicht konnte es ihr ja sogar gelingen, ihm ein wenig die Angst zu nehmen.

»Nein, von diesem Nahrungspraparat habe ich noch nie etwas gehort«, gab er deshalb ohne gro?e Umschweife zu. »Warum mussen Sie das nehmen, Schwester?«

Als erstes erfuhr er, da? die Hudlarer keinen Mund besa?en und statt dessen etwas hatten, das sie als Absorptionsorgane bezeichneten. Danach fuhrte eine Frage zur anderen.

Die Hudlarer hatten sich auf einem Planeten mit gro?er Schwerkraft, hohem Druck und einer uberaus dichten Atmosphare zu einer intelligenten Lebensform entwickelt.

Die unteren Atmosphareschichten ahnelten einer truben, dickflussigen Suppe aus kleinen, lebenden tierischen und pflanzlichen Organismen, die durch Absorptionsorgane aufgenommen wurden, von denen der ganze Rucken uberzogen war. Da die Hudlarer einen sehr hohen Energieverbrauch hatten, handelte es sich bei dieser Nahrungsaufnahme um einen kontinuierlichen Vorgang.

»Manchmal konzentrieren wir uns zu sehr auf die Arbeit und vergessen unseren nachsten Einspruhtermin«, setzte die Lernschwester ihre Ausfuhrungen fort. »Wenn das passiert, brechen wir aufgrund der sofort eintretenden Unterernahrung auf der Stelle zusammen. In dem Fall mussen wir umgehend von einem Mitarbeiter des medizinischen Stabs oderWartungspersonals oder selbst von einem ambulanten Patienten wie Ihnen wiederbelebt werden. Deshalb sind auf den meisten Korridoren und Stationen Spruhbehalter angebracht, wie der dort hinten neben dem Personalraum. Der Spruhmechanismus ist ubrigens sehr leicht zu bedienen, obwohl ich hoffe, da? Sie niemals ein solches Gerat bei mir einsetzen mussen.

Wenn ein Hudlarer mitten auf der Station einen Kollaps erleidet, unterbricht das namlich den ganzen Klinikablauf, und das Nahrungspraparat hinterla?t furchterliche Spuren auf dem Fu?boden oder auf den in der Nahe stehenden Betten. Oberschwester Leethveeschi wurde sich daruber bestimmt unheimlich argern, und das wollen wir doch auf jeden Fall vermeiden, nicht wahr?«

»Ja, das wollen wir wirklich unter allen Umstanden vermeiden«, pflichtete ihr Hewlitt aus tiefstem Herzen bei, wenngleich er sich eine unheimlich verargerte Chloratmerin beileibe nicht vorstellen konnte. »Also werden diese Mahlzeiten von au?en aufgetragen… ? Das… das ist ja furchtbar. Und ich dachte immer, ich hatte Probleme …«

»Ich bin hier nicht der Patient, sondern Sie, Patient Hewlitt«, korrigierte ihn die Schwester. »Au?erdem zeigen Ihre Sensoren einen hohen Erschopfungszustand an, und es ist sowieso viel zu egoistisch von mir, Sie von

Вы читаете Die letzte Diagnose
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату