Ihrer wohlverdienten Bettruhe abzuhalten. Konnen Sie denn jetzt schlafen?«
Schon der Gedanke daran, in seinem schwach beleuchteten Bett, das wie ein Flo? in einem dunklen, von furchtbaren Alienmonstern bevolkerten Meer trieb, allein gelassen zu werden, lie? die Angst, die er durch die Unterhaltung mit dieser monstrosen Ausnahme ein wenig verdrangt hatte, wieder in ihm hochkommen. Hewlitt wollte einfach nicht schlafen, und deshalb verneinte er die Frage indirekt, indem er eine weitere stellte.
»Ich wei? zwar nicht, wie der Metabolismus bei Ihnen vonstatten geht, aber kennt Ihre Spezies denn auch so etwas wie Magenschmerzen? Oder werden Sie uberhaupt jemals krank?«
»Eigentlich so gut wie nie«, erwiderte die Schwester. »So, und jetztmussen Sie versuchen zu schlafen, Patient Hewlitt.«
»Wenn Sie so gut wie nie krank werden«, lie? Hewlitt nicht locker, der das Gesprach unter keinen Umstanden versiegen lassen wollte, »wozu brauchen Hudlarer dann Arzte und Schwestern?«
»Wahrend der fruhen Kindheit sind wir fur eine ganze Reihe verschiedener Krankheiten sehr anfallig, aber wahrend der Pubertat entwickeln wir eine vollige Immunitat dagegen. Dieser Abwehrmechanismus schutzt uns bis einige Jahre vor unserem Lebensende, dann tritt eine altersbedingte psychische und physische Degeneration ein. Diagnostiker Conway leitet ein Projekt, um hudlarisches Klinikpersonal darin auszubilden, die mit starken Schmerzen verbundenen Nebenwirkungen zu lindern, was nur durch gro?ere operative Eingriffe moglich ist. Allerdings wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die Arbeit so weit vorangeschritten ist, da? die altere Bevolkerung davon profitieren kann.«
»Lassen Sie sich deshalb hier ausbilden?« erkundigte sich Hewlitt. »Ich meine, damit Sie spater einmal den gealterten Hudlarern helfen konnen?«
Die Schwester zeigte keinerlei Reaktionen, die er hatte deuten konnen, denn sie hatte kein Gesicht, und der Rest ihres glatten und gepanzerten Korpers war so ausdruckslos wie ein aufgeblasener Ballon. Doch als die Hudlarerin antwortete, sprach sie auffallig schnell, was ihm das Gefuhl gab, da? sie verlegen war oder sich ihrer Antwort schamen konnte.
»Nein, ich studiere Allgemeinmedizin und Chirurgie fremder Spezies, wobei eine dazu parallel stattfindende Schwesternausbildung ubrigens sehr dienlich ist. Innerhalb der galaktischen Foderation sind wir Hudlarer eine einzigartige Spezies. Aufgrund der Beschaffenheit unserer Haut sind wir in der Lage, selbst unter feindseligsten Umweltbedingungen zu leben und zu arbeiten. Wir konnen fast samtliche Druckveranderungen uberleben, angefangen vom hochsten atmospharischen Druck bis hin zum Vakuum im All, und wir brauchen keine Atmosphare, um unsere Nahrung zu absorbieren. Hudlarer sind besonders gefragt, wenn es darum geht, unter Bedingungen zu arbeiten, unter denen andere Spezies durch ihre Schutzanzuge enorm behindert waren, ganz besonders dann, wenn es umBauprojekte im Weltraum geht. Ein hudlarischer Arzt, der aufgrund seiner Ausbildung am Orbit Hospital in der Lage ist, Bauarbeitern vieler verschiedener Spezies medizinische Hilfe zu leisten, ist zum Beispiel vor Ort ein gro?er Vorteil, zumal er ohne die zeitraubende Notwendigkeit auskommt, sich Schutzkleidung anlegen zu mussen.
Unser Planet ist nie sehr reich gewesen«, fugte sie hinzu. »Wir besitzen kaum Bodenschatze oder Industrieprodukte, mit denen man Handel treiben konnte. Nicht einmal die Landschaft ist schon genug, um Touristen anzuziehen. Auf Hudlar gibt es wirklich nichts, womit au?erplanetarische Wesen etwas anfangen konnten, mit Ausnahme der ungeheuer starken und unermudlich flei?igen Bewohner, die uberall arbeiten konnen und die dafur von den anderen Spezies der Foderation sehr gut bezahlt werden.«
»Und nachdem Sie es hier zu Ruhm und Reichtum gebracht haben, werden Sie sich, nehme ich an, zu Hause niederlassen, eine Familie grunden und Kinder kriegen, richtig?«
Der Lernschwester schien immer noch etwas zu schaffen zu machen. Hewlitt fragte sich, ob sich die Hudlarerin dafur schamte, da? sie ihre Heimat verlassen hatte, um weitab im Weltraum einen gutbezahlten Beruf zu erlernen und sich auf diese Weise davor zu drucken, einen alten und kranken Verwandten zu versorgen. Jedenfalls bereute er es bereits, diese Frage gestellt zu haben.
»Nun ja, ich werde immerhin die Halfte der Kinder kriegen«, antwortete die Lernschwester schlie?lich.
»Wie bitte?« hakte Hewlitt verdutzt nach. »Das verstehe ich nicht.«
»Patient Hewlitt, Sie sind wirklich nicht besonders gut uber Hudlarer informiert, oder? Ich bin als weibliches Wesen zur Welt gekommen und habe dieses Geschlecht bis heute nicht abgelegt. Ich beabsichtige, diese weibliche Phase beizubehalten, bis ich mich fur eine Paarung entscheide, die bei unserer Spezies ubrigens eher dem Zweck der Fortpflanzung als dem Vergnugen dient. Dieser Zeitpunkt ist dann, wenn ich als schwangere Frau aus physiologischer Notwendigkeit heraus den weiteren sexuellen Kontakt zu meinem Lebensgefahrten vermeiden mu? und deshalb eine mannlicheForm annehme, wohingegen mein Partner gleichzeitig langsam eine weibliche Gestalt annimmt. Etwa ein hudlarisches Jahr nach der Entbindung haben die beiden Elternteile eine vollstandige Geschlechtsumwandlung vollzogen, und wenn der Nachkommling weniger Aufmerksamkeit erfordert und die ehemalige Mutter zum Vater werden kann, hat der ehemalige Vater die Moglichkeit, das nachste Kind zu gebaren. Dieser Proze? dauert so lange an, bis die gewunschte Anzahl an Nachkommlingen erreicht ist. Normalerweise einigt man sich auf eine gerade Zahl, so da? die Geburten gleichma?ig aufgeteilt sind, und bis das Paar sich gemeinsam entschieden hat, wer den Rest des Lebens in weiblicher und wer in mannlicher Form verbringt.
Das ist eine sehr einfache, ausgewogene und gefuhlsma?ig zufriedenstellende Einrichtung«, fuhr sie fort. »Ich wundere mich nur immer wieder, da? die anderen intelligenten Spezies kein solches Fortpflanzungssystem entwickelt haben.«
»Aha… « Mehr fiel Hewlitt zu diesem Thema nicht ein.
5. Kapitel
Hewlitt war wach geblieben, oder genauer gesagt: Er hatte mit aller Anstrengung versucht, gegen seine Mudigkeit anzukampfen, weil er sich von den alptraumhaften und vollig fremden Gestalten, die mit ihm als Patienten oder als Mitarbeiter die Station teilten, regelrecht umzingelt fuhlte. Doch nun fragte er sich, ob seine emotionalen Reaktionen durch die vollige Ubermudung abklangen oder ob er sich allmahlich entspannte, weil er sich sowieso nichts Absurderes vorstellen konnte als dieses freundliche und ihm mittlerweile gar nicht mehr so fremde Ungetum mit dem weltraumerprobten Hautpanzer, den bizarren E?gewohnheiten und regelma?igen Geschlechtsumwandlungen.
»Es war wirklich sehr nett von Ihnen, sich so lange mit mir zu unterhalten, Schwester«, bedankte er sich. »Ich glaube, ich kann jetzt schlafen.«
»O nein, davon wurde ich Ihnen abraten, Patient Hewlitt!« widersprach die Hudlarerin energisch. »In zwanzig