nicht von der ublichen Gruppe Auszubildender, sondern lediglich von Oberschwester Leethveeschi begleitet, und zum anderen suchten die beiden nur die schwerkranken Patienten auf, wobei sie die langste Zeit an Morredeths Bett verbrachten, das nach wie vor von Sichtblenden und dem schalldichten Feld umgeben war.

Sie verweilten immer noch dort, als Horrantor und Bowab bereits auf dem Weg zum Waschraum waren und bei dieser Gelegenheit vor Hewlitts Bett stehenblieben. Der Duthaner ergriff als erster das Wort.

»Wir haben heute keine Lust, Scremman zu spielen«, sagte er. »Anscheinend wei? hier niemand genau, was Morredeth zugesto?en ist. Ich habe versucht, es von einer Krankenschwester zu erfahren, aber Sie kennen ja diese kelgianischen Plagegeister – entweder erzahlen sie einem gleich die ganze Wahrheit uber Gott und die Welt, oder sie schweigen wie ein Grab. Haben Sie eine Ahnung, was mit ihr passiert ist?«

Hewlitt fuhlte sich immer noch mitschuldig an dem Vorfall, und er hatte lieber nicht daruber gesprochen. Diese beiden waren jedoch Morredeths Freunde oder zumindest wahrend des Aufenthalts hier im Hospital ihre Leidensgenossen, so da? sie das Recht hatten, informiert zu werden. Zwar wollte er sie nicht anlugen, doch als Nichtkelgianer konnte er die Wahrheit wenigstens etwas zurechtstutzen.

»Naja, es gab einen Notfall«, setzte er vorsichtig an. »Die Schwester hat das Reanimationsteam gerufen und gesagt, Morredeths habe einen Stillstand beider Herzen. Als das Team eintraf, ist sofort ein schalldichtes Feld um das Bett errichtet worden, so da? ich keine Ahnung habe, was danach geschehen ist.«

»Wir mussen die ganze Nacht durchgeschlafen haben«, sagte Horrantor. »Die hudlarische Schwester ist doch eigentlich sehr nett und unterhalt sichauch recht gern. Vielleicht erzahlt sie uns, was los ist, wenn sie heute abend ihren Dienst antritt …« – sie hielt hme und deutete in Richtung des Personalraums. »Jetzt schauen Sie doch mal, wer da gerade mit Padre Lioren die Station herunterkommt … Thornnastor hochstpersonlich! Was macht der denn hier?«

Das besagte Wesen gehorte derselben Spezies wie Horrantor an, hatte aber einen kraftigeren Korperbau. Au?erdem wies die Haut viel mehr Falten auf, und Thornnastor ging naturlich auf sechs anstatt auf funf Beinen. Horrantors Frage beantwortete sich von selbst, als die beiden auf der Hohe von Morredeths Bett stehenblieben und hinter den Sichtblenden verschwanden. Eine kelgianische Schwester, die einen G-Schlitten mit geoffneter Kuppel lenkte, traf einige Minuten spater ein und folgte ihnen.

»Da drinnen mu? es jetzt ziemlich eng zugehen«, merkte Horrantor uberflussigerweise an.

Sie erhielt keine Antwort, und das Schweigen zog sich in die Lange.

Um den Gedanken zu verdrangen, da? Morredeth jetzt mit unbeweglichem Fell auf dem Bett lag, fragte Hewlitt: »Wer ist denn dieser Thornnastor?«

»Wir haben Thornnastor zwar selbst auch noch nie kennengelernt«, antwortete Horrantor, »aber das mu? er sein, denn er ist der einzige Tralthaner im Orbit Hospital, der berechtigt ist, das Abzeichen eines Diagnostikers zu tragen. Wie ich gehort habe, verla?t er in seiner Funktion als Chefpathologe nur selten das Labor und sieht die Leute normalerweise erst dann, wenn sie bereits tot oder zumindest in kleine Stucke zerhackt sind.«

»Horrantor!« emporte sich Bowab. »Sie haben soviel Taktgefuhl wie eine betrunkene Kelgianerin.«

»Tut mir leid, vielleicht habe ich mich etwas unsensibel ausgedruckt«, entschuldigte sich die Tralthanerin. »Sehen Sie nur, sie kommen schon wieder heraus!«

Die kelgianische Schwester tauchte zuerst auf und wogte in Richtung desStationseingangs, wobei sie den G- Schlitten lenkte, dessen Kuppeldach nun geschlossen war. Thornnastor, Medalont und Leethveeschi folgten ihr. Die Sichtblenden verschwanden in den Deckenschlitzen und gaben so den Blick auf Lioren frei, der mit seinen vier Augen auf das leere Bett starrte. Als er sich kurz darauf in Bewegung setzte, folgte er aber nicht den anderen.

»Er kommt direkt auf uns zu«, stellte Bowab mit einem alles andere ubertonenden Knurren fest, das bei Duthanern bereits als Flustern gilt. »Ich glaube fast, er schaut die ganze Zeit in Ihre Richtung, Hewlitt.«

Lioren blickte Hewlitt weiterhin mit zwei seiner Augen an, wahrend er naherkam, bis er schlie?lich an seinem Bett stehenblieb. Die anderen beiden richtete er auf Bowab und Horrantor, als er sagte: »Entschuldigen Sie bitte die Storung, meine Freunde, aber ware es Ihnen recht, wenn ich mich jetzt mit Patient Hewlitt allein unterhalte?«

»Naturlich, Padre«, antwortete Horrantor, und Bowab fugte hinzu: »Wir wollten sowieso gerade gehen.«

Lioren wartete, bis sie sich zuruckgezogen hatten, und sagte dann: »Ich hoffe, da? es auch Ihnen recht ist. Oder haben Sie etwas dagegen, sich jetzt mit mir zu unterhalten?«

Hewlitt zogerte mit der Antwort; schlie?lich war es das erste Mal, da? er den Padre aus nachster Nahe zu sehen bekam, und trotz der Informationen, die er sich aus der Bibliothek eingeholt hatte, war er beileibe nicht auf die Realitat vorbereitet. Die Tarlaner gehorten der physiologischen Klassifikation DRLH an – einer aufrecht gehenden Lebensform, deren spitz zulaufender kegelformiger Korper von vier Beinen getragen wurde. In Taillenhohe befanden sich vier lange, mehrgelenkige Mittelarme zum Heben und Tragen. Vier Vorderarme, die sich eher fur feinmotorische Arbeiten eigneten, umgaben den Halsansatz. Die vier Augen, die gleichma?ig um den Kopf herum verteilt waren, konnten unabhangig voneinander bewegt werden. Ein erwachsener Tarlaner wurde in der Regel zweieinhalb Meter gro?, aber Liorens Gro?e und Korpermasse ragten weit uber den Durchschnitt hinaus. Aus der Nahe betrachtet, bot der Padre einen ziemlicheinschuchternden Anblick, und nach den Ereignissen der letzten Nacht war sich Hewlitt nicht sicher, ob Lioren noch gut auf ihn zu sprechen war. Statt einer Antwort stellte er schlie?lich eine Gegenfrage, um die sich bei ihm in den letzten sechs Stunden sowieso alles gedreht hatte.

»Was ist mit Morredeth passiert?«

Aufgrund der absurd anmutenden spiralformigen Kopfform des Tarlaners war dessen Gesichtsausdruck genausowenig zu deuten wie der eines Hudlarers, als er antwortete: »Wir wissen nicht, was mit Morredeth passiert ist, aber es geht ihr jetzt gut, und sie ist von ihren Leiden befreit.«

Berucksichtigte man Liorens Beruf und Morredeths erst kurzlich frei gewordenes Bett, dann waren das genau jene trostspendenden Worte, die man von einem Geistlichen erwarten wurde, wenn er mit einem trauernden Verwandten oder Freund gesprochen hatte. Und es waren genau jene Worte, die Hewlitt nicht zu horen gehofft hatte.

Als der Padre mit einer der mittleren Hande nach vorn griff, um den Projektor fur das schalldichte Feld einzuschalten, verstummten die betriebsamen Gerausche auf der Station. Zwar hatte Hewlitt keine Ahnung, welche Gesichtsoffnung der Tarlaner zum Sprechen benutzte, aber seine Stimme klang ruhig und freundlich, als er fortfuhr: »Meiner Meinung nach kommen drei Leute in Betracht, die eine unterschiedlich hohe Verantwortung fur das tragen, was Patientin Morredeth zugesto?en ist, und zwar sind das die hudlarische Schwester, ich selbst und Sie. Als erstes wurde ich mich gern uber Ihre Beteiligung unterhalten.«

Bevor Hewlitt etwas erwidern konnte, fuhr der Padre fort: »Die Hudlarerin hat Ihnen ja bereits erklart, da?

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