was ich tue. Mann kennt mich dort unter dem Namen ›Hewlitt der Schneider‹.«

»Ich furchte, ich mu?te jetzt beeindruckt sein«, reagierte Murchison auf ihre typisch unterkuhlte Weise. »Aber Sie mussen schon entschuldigen, denn ich wurde nicht auf der Erde geboren.«

»Da dies bei weit uber neunzig Prozent der Foderationsmitglieder der Fall ist, bin ich auch keineswegs beleidigt«, stellte Hewlitt klar. »Jedenfalls handelt es sich dabei um eine relativ kleine, aber sehr exklusive Firma, die den Mond und die Erde mit handgearbeiteten, ma?geschneiderten Kleidungsstucken sowie mit handgewebtem oder gesponnenem Tweed und edlen Kammgarnmaterialien beliefert. In der heutigen Zeit billiger Synthetikstoffe gibt es immer mehr Leute, die bereit sind und uber das notige Geld verfugen, unsere Preise zu bezahlen. Einige versuchen sogar, durch Bestechungsgelder auf unsere Warteliste zu gelangen. Aber trotz der schwindelerregenden Preise, die wir berechnen, ist die Gewinnspanne nicht einmal besonders hoch. Wir mussen Schaf- und andere Wolltierherden unterhalten, die als gesetzlich geschutzte Arten gelten. Die Tiere mussen regelma?ig geschoren werden, damit wir unseren Rohstoff fur die Webereien bekommen. Sie glauben ja gar nicht, welch enorme Kosten der hohe Haltungsstandard und die Gesundheitspflege unserer Tiere verursachen.

Meine Arbeit erfordert regelma?ige Kontrollbesuche bei unseren Herden, wobei ich naturlich auch einige Tiere vor dem Scheren zur Uberprufung der Wollqualitat anfassen mu?. Selbstverstandlich achten wir penibel darauf, da? sie nicht krank werden oder sich irgendwelcheansteckenden Krankheiten einfangen. Tja, das war schon alles. Tut mir leid, diese Informationen sind wohl auch nicht besonders nutzlich fur Sie, oder?«

»Wahrscheinlich sind sie wirklich nicht sonderlich nutzlich, aber zumindest sehr interessant«, meinte Murchison. »Trotzdem sollten wir diesen Umstand bei unseren Untersuchungen nicht aus den Augen verlieren.«

»Und ich bin naturlich auch kein richtiger Schneider«, beendete Hewlitt seine Ausfuhrungen, »sondern nur das stets tadellos gekleidete Aushangeschild des Unternehmens, wenn ich nicht gerade ein Krankenhaushemd trage.«

Murchison nickte lachelnd. »Wir haben uns schon alle gefragt, weshalb ein offenbar nicht gerade schwerkranker Patient wie Sie ins Orbit Hospital uberwiesen worden ist. Konnte es sein, da? einer Ihrer wohlhabenden und einflu?reichen Kunden etwas damit zu tun hat? Vielleicht handelt es sich ja zufalligerweise um einen einflu?reichen Arzt, der unbedingt auf Ihre Warteliste wollte.«

»Aber bestimmt nicht einflu?reich genug, um extra ein Ambulanzschiff wie die Rhabwar fur meinen Fall einsetzen zu lassen«, wandte Hewlitt ein. »Warum halt man mich fur so ungeheuer wichtig?«

Da Murchisons Gesicht plotzlich wie versteinert war, wu?te er, da? sie auf diese Frage nicht antworten wollte. Statt dessen lachelte sie erneut und sagte mit fester Stimme: »Keine weiteren Fragen mehr, Patient Hewlitt. Wenn Ihnen danach ist, konnen Sie ja Schafchen zahlen, aber schlafen Sie jetzt endlich.«

Die Pathologin beobachtete ihn, bis er die Augen geschlossen hatte, dann horte er, wie sie das leise und in regelma?igen Zeitabstanden auftretende Tippen auf der Computertastatur wieder aufnahm. In der Dunkelheit hinter den geschlossenen Lidern wurde die trugerische Stille des im Hyperflug befindlichen Schiffes von einem kaum wahrnehmbaren metallischen Knirschen untermalt, das nur gelegentlich durch die entfernten und gedampften Stimmen der Besatzung unterbrochen wurde, die durch den Verbindungsschacht hindurch bis zu ihm heruberdrangen… Laute, die erunter normalen Umstanden niemals wahrgenommen hatte. Nach seinem Dafurhalten lag er eine Ewigkeit wach da, wobei er sich in dem au?erst komfortablen Bett, das er zunehmend als unbequem empfand, hin und her walzte und versuchte, an nichts zu denken, bis er es schlie?lich nicht mehr aushielt und die Augen offnete.

»Ich kann einfach nicht schlafen«, seufzte er.

»Das ist auch das, was mir Ihr Uberwachungsmonitor in den letzten zwei Stunden angezeigt hat«, meinte Murchison, die ihre Gereiztheit mit einem Lacheln zu uberspielen versuchte. »Trotzdem ist es immer wieder schon, wenn man eine mundliche Bestatigung erhalt. Was soll ich denn nur mit Ihnen machen?«

Hewlitt wu?te zu unterscheiden, ob eine Frage rhetorisch gemeint war oder nicht, und zog es vor zu schweigen.

»Leider hat man Ihnen die Einnahme jeglicher Medikamente untersagt, und dazu gehoren naturlich auch Sedativa«, fuhr sie fort. »Auf der Rhabwar gibt es auch keinen Unterhaltungssender, der Sie schlafrig machen konnte, denn die Patienten auf dem Unfalldeck sind normalerweise nicht in der Verfassung, sich womoglich lustige Quizshows anzusehen. Danalta lost mich in einer Stunde ab. Falls Sie den Rest der Nacht nicht damit verbringen wollen, ihn bei seinen Verwandlungskunsten zu bewundern,, was ubrigens kein schoner Anblick ist, dann kann ich Ihnen als Alternative das Logbuch der Rhabwar empfehlen, in dem samtliche Einsatze eingetragen sind – das entspricht bei uns noch am ehesten einer Bordunterhaltung.

Wenn Sie mochten, kann ich es auf dem Hauptmonitor mit einer nichtmedizinischen Zusammenfassung abspielen. Einiges von dem Material wird Ihnen fur die morgige Lagebesprechung auf Etla nutzliche Hintergrundinformation liefern.«

»Und kann ich dann besser einschlafen?« erkundigte sich Hewlitt.

»Das bezweifle ich allerdings sehr«, antwortete Murchison. »Stellen Sie die Ruckenlehne so ein, da? Sie den ganzen Bildschirm sehen konnen undsich nicht den Hals verrenken mussen. In Ordnung? Nun geht's los… «

Bevor Hewlitt an Bord gebracht worden war, hatte er Zeit gehabt, die Bibliotheksinformationen uber die Rhabwar abzurufen, und deshalb wu?te er bereits, da? er sich auf einem speziellen Ambulanzschiff befand, das hauptsachlich fur Rettungseinsatze im tiefen Weltraum genutzt wurde. Dabei drehte es sich in erster Linie um die Bergung und notarztliche Behandlung verungluckter Lebensformen, deren physiologische Klassifikation der Foderation bisher noch unbekannt war. Wenn ein Notruf von einem Foderationsschiff ausging, von dem der Flugplan, der Herkunftsplanet und die Spezies der Besatzungsmitglieder bekannt waren, dann war es in der Regel einfacher, ein Rettungsschiff des Heimatplaneten zu schicken, das mit einem Arzteteam derselben Lebensform und den entsprechenden medizinischen Versorgungseinrichtungen an Bord ausgestattet war. Ein solcher Rettungseinsatz ware mit einer Unfallstation, wie sie auf der Rhabwar vorhanden war, etwas vollig anderes und womoglich sogar gefahrlicher gewesen. Zu dem Umstand, da? die meisten Unfallopfer unter einem Trauma litten und ihre Wahrnehmungs- und logische Denkfahigkeit durch Schmerz-, Schock-, Angst- und Verwirrungszustande haufig eingeschrankt waren, kam namlich noch hinzu, da? die Opfer meistens in Panik gerieten, sobald sie die fur sie grotesken Kreaturen sahen, die sie zu retten versuchten.

Deshalb bestand die Besatzung der Rhabwar sowohl aus Arzten als auch aus Experten fur Techniken fremder Spezies und Spezialisten fur Erstkontakte.

Wenn das Raumschiff nicht fur spezielle Aufgaben benotigt wurde, dann setzte man es auch bei allgemeinen Notfallen ein, die von Weltraumunfallen gro?en Ausma?es bis hin zur Koordinierung planetarischer Katastropheneinsatze reichten. Die meisten Einsatze, bei denen es sich auch um die amusantesten und haarstraubendsten zugleich handelte, waren allerdings jene, die im Logbuch unter dem Vermerk › Einsatze, die

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