Crajarron richtete zwei seiner Augen auf Hewlitt und sagte: »Meinen Sie dieses kleine terrestrische Lebewesen mit einem dichten Pelz und einem etwas niedrigerem Intelligenzgrad? Nun, diese Katze wurde damals zunachst von anderen Terrestriern adoptiert, weigerte sich aber strikt, dort zu bleiben, und lief andauernd in ihr altes Revier zuruck. Als wir hierhergezogen sind, streunte die Katze im Garten und im Haus herum. Spater haben wir erfahren, da? diese terrestrischen Haustiere eine Zuneigung zu anderen Wesen entwickeln konnen oder auch eine gewisse Zugehorigkeit zu bestimmten Revieren. Diese Katze besa? jedenfalls ein sehr freundliches Wesen. Na ja, und nachdem wir erst einmal gelernt hatten, welche Nahrungserfordernisse sie hat und wie man verhindern kann, nicht auf sie zu treten, wenn sie sich einem an die Beine schmiegt, um auf sich aufmerksam zu machen, da ist sie bei uns geblieben.«

Mit wehmutigem Blick erinnerte sich Hewlitt an sein vielgeliebtes Katzchen, und noch wahrend er sich uber die unverhofft auftretenden Gefuhlen der Trauer und des Verlusts wunderte, gab Crajarron einen merkwurdigen, unregelma?igen Zischlaut von sich, der nicht ubersetzt wurde. Als es Hewlitt allmahlich dammerte, da? der Tralthaner damit die Schnalzlaute nachzuahmen versuchte, die Menschen machen, wenn sie die Aufmerksamkeit einer Katze erlangen wollen, tauchte Snarfe bereits in der Haustur auf und stolzierte gemachlich auf ihn zu.

Wahrend die Katze vor ihm stehenblieb, zu ihm aufschaute und ihn dann umkreiste, wobei sie sich an seine Knochel schmiegte und sanft mit dem Schwanz gegen seine Waden schlug, sagte niemand einen Ton; diese Form der nonverbalen Kommunikation bedurfte keiner Ubersetzung. Hewlitt buckte sich, hob die Katze mit beiden Handen hoch und hielt sie gegen Brust und Schulter. Als er ihr mit den Fingern sanft vom Kopf aus uber den Rucken fuhr, versteifte sich ihr Schwanz, und sie begann sanft zu schnurren.

»Snarfe …! Also, dich hier wiederzusehen, damit habe ich wirklich nichtgerechnet!« rief Hewlitt verblufft. »Wie geht's dir?«

Prilicla flog naher heran und sagte: »Die emotionale Ausstrahlung ist charakteristisch fur ein sehr altes und zufriedenes Wesen, das weder unter physischen noch psychischen Schmerzen leidet und es gegenwartig uber alle Ma?en genie?t, liebkost zu werden. Wenn es sprechen konnte, wurde es Ihnen sagen, da? es wohlauf ist, und Sie darum bitten, mit dem Streicheln fortzufahren. Freundin Murchison, Sie wissen, was zu tun ist.«

»Selbstverstandlich«, antwortete die Pathologin und holte den Scanner hervor. »Crajarron, Surriltor, durfte ich bitte kurz die Katze untersuchen?« An Hewlitt gewandt, fugte sie hinzu: »Wie Sie wissen, merkt sie nichts davon. Halten Sie Snarfe bitte einen Moment lang fest, wahrend ich sie scanne. Ich will die Daten nur fur eventuelle spatere Untersuchungen aufnehmen.«

Snarfe mu?te gedacht haben, da? es sich dabei um ein neues Spiel handelte, denn sie schlug zweimal mit eingezogenen Krallen nach dem Scanner. Doch besann sie sich schnell eines Besseren und lie? sich lieber wieder genu?lich kraulen, so da? die Pathologin die Untersuchung in Ruhe zu Ende fuhren konnte.

»Mochten Sie Ihr Eigentum gern zuruckbekommen, Terrestrier Hewlitt?« erkundigte sich Crajarron, wobei sich samtliche Augen der beiden Tralthaner auf ihn richteten. Hewlitt mu?te weder uber empathische Fahigkeiten verfugen, noch mu?te er Priliclas Zittern sehen, um zu wissen, da? die zunachst freundlich gesinnte Stimmung zusehends abkuhlte.

»O nein, aber vielen Dank auch«, entgegnete er deshalb sofort, wahrend er Snarfe wieder auf dem Fu?boden absetzte. »Ganz offensichtlich fuhlt sich die Katze hier rundum wohl und ware woanders nur unglucklich. Trotzdem bin ich Ihnen wirklich sehr dankbar, da? Sie es mir ermoglicht haben, eine alte Freundschaft Wiederaufleben zu lassen.«

Die Atmosphare entspannte sich zusehends; Prilicla gewann seine Flugstabilitat zuruck, und Snarfe verlagerte ihre Zuneigung auf Surriltor, indem sie auf einen seiner wuchtigen tralthanischen Fu?e sprang. Einige Minuten spater wurden die hoflich ausgetauschten Abschiedsfloskeln durchdas zweimalige Lauten des Hauskommunikators unterbrochen, der einen eingehenden Anruf meldete.

Es war Doktor Hamilton.

»Es tut mir leid, da? ich Ihre Fragen nicht personlich beantworten kann, Doktor Prilicla«, meldete er sich. »Ich halte mich derzeit in Yunnet im Stutzpunkt Vespara auf; das ist nur eine der vielen ungeahnten Freuden, die man als Zahnarzt mit einem Reisegewerbeschein auf diesem Planeten hat. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

Wahrend Prilicla erklarte, was er wollte, zogen sich die beiden Tralthaner in eine Ecke des Zimmers zuruck und errichteten ein schalldichtes Feld, da sie dem moglicherweise vertraulich gefuhrten Gesprach nicht beiwohnen wollten. Hewlitt starrte angestrengt auf den Bildschirm und versuchte, sich an Doktor Hamiltons Gesicht und Stimme zu erinnern, doch konnte er sich nur der glanzenden Instrumente entsinnen und auch der Hande, die damals aus wei?en Manschetten hervorragten. Vielleicht hatte er als Kind das Gesicht des Zahnarztes nicht lange genug angesehen, um es heute noch richtig einordnen zu konnen.

»Ich erinnere mich recht gut an den Vorfall«, meinte Doktor Hamilton. »Allerdings weniger, weil er besonders wichtig gewesen ware, sondern vor allem, weil es das erste und einzige Mal war, da? ich darum gebeten wurde, Zahne herauszuziehen, die eigentlich auf naturlichem Wege herausgefallen waren. Damals kam ich zu der Uberzeugung, da? der Junge eine bluhende Phantasie hatte, weil er glaubte, sich furchtbare Schmerzen zuzufugen, wenn er sich die Zahne mit den Fingern selbst herausziehen wurde, wie es ja die meisten Kinder tun. Um dieses Problem zu beheben, hatte ihn seine Mutter zu mir gebracht. Bei einem solch kleinen Eingriff war naturlich kein Betaubungsmittel erforderlich. Soweit ich mich entsinnen kann, befand sich in seiner Krankenakte sogar ein Vermerk, der vor der Verwendung schmerzstillender Medikamente warnte, weil der Junge unter einer nicht genauer bestimmten Allergie litt.«

»Wir haben immer noch Probleme, diese Allergie genauer zu bestimmen«, mischte sich Murchison ein. »Was ist mit den Zahnen passiert?Haben Sie sie nach der Extraktion aufgehoben oder untersucht?«

Hamilton lachte laut und antwortete schlie?lich. »Dafur gab es wirklich keinen Grund. Du meine Gute, das waren doch nur ganz gewohnliche Milchzahne. Vielleicht sind Sie ja mit dem unter terrestrischen Kindern stark verbreiteten Brauch der Zahnfee nicht ganz vertraut, aber naturlich bestand der Junge schon rein aus finanziellen Grunden darauf, sie zuruckzuerhalten.«

»Konnen Sie sich im Zusammenhang mit diesem Vorfall noch an etwas anderes erinnern, Freund Hamilton?« erkundigte sich Prilicla. »Dabei spielt es uberhaupt keine Rolle, wie abwegig oder unwichtig es Ihnen damals erschienen sein mag.«

»Nein, tut mir leid«, antwortete der Zahnarzt. »Und da ich den Jungen danach nie wieder gesehen habe, gehe ich mal davon aus, da? er seine restlichen Milchzahne auf naturlichem Wege verloren hat.«

Das Ende der Unterhaltung nahm Hewlitt kaum wahr, denn er erinnerte sich noch an etwas anderes; an etwas, das er fast vergessen hatte, bis es ihm durch die Worte des Zahnarztes ins Gedachtnis zuruckgerufen wurde. Weder damals noch heute hatte er jemandem davon erzahlt, weil ihm ohnehin jeder gesagt hatte, er bilde sich das alles nur ein. Schon als Kind hatte er die Leute geha?t, die ihm vorwarfen, da? er uber eine allzu bluhende Phantasie verfuge.

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