der Padre kurz vor einem wichtigen Krankenbesuch stand.

»Ich scheine mich mein ganzes Leben lang gestritten zu haben«, setzte Hewlitt zu einer Entschuldigung an. »Meistens mit Arzten, die fest davon uberzeugt waren, da? sie im Recht waren und ich mich irrte. Tut mir leid, aber Streiten ist fur mich zu einer schlechten Angewohnheit geworden, die ich ablegen sollte. Falls Sie aufgrund personlicher oder religioser Grunde lieber auf meine Gesellschaft bei diesem Besuch verzichten wollen, dann sagen Sie das einfach. Da wir aber bislang alle in Frage kommenden Kontaktpersonen unserer Virenkreatur gemeinsam uberpruft haben, sollten wir vielleicht im Interesse der Verla?lichkeit unsere Arbeit auch gemeinsam beenden, selbst auf die Gefahr hin, damit nur unsere Zeit zu verschwenden.«

Als ihm der Padre wieder einmal eine Antwort schuldig blieb, fuhr Hewlitt lachelnd fort: »Wenn Sie diese telfischen Strahlenverwerterebenfalls nicht als geeignete Wirtskorper ansehen, wie ist es dann um die bei extrem niedrigen Temperaturen lebenden SNLUs bestellt? Konnte eine Virenkreatur bei Temperaturen nahe vor dem absoluten Nullpunkt leben? Und wenn es sich um einen intelligenten Virus handelt, warum sollte er das wollen?«

Lioren schien an Hewlitts Au?erung nichts Komisches zu finden und erwiderte: »Uber die Beweggrunde der Virenkreatur wei? ich einfach zu wenig, um uber deren Verhaltensweisen irgendwelche Vermutungen anzustellen. Und wenn Sie an die Naturkunde Ihres Heimatplaneten denken, dann finden Sie viele Beispiele dafur, da? einfache Lebensformen sogar uber einen Zeitraum mehrerer Millionen Jahre unter den Polareisschichten uberlebt haben.«

»Und erinnern Sie sich noch daran, wie ich O'Mara gesagt habe, da? unsere Virenkreatur die Auswirkungen einer Atomexplosion uberstanden hat und es dieses Ereignis uber zwanzig Jahre offenbar ohne Folgen uberleben konnte, bevor es mich infiziert hat?«

Sie mu?ten rasch zwei orligianischen Monitorkorpsoffizieren ausweichen, die ihre Ausrustungsschlitten anscheinend mit Rennfahrzeugen verwechselten, und nach diesem kurzen Zwischenfall vergingen erst einmal einige Minuten, ehe sich Lioren zu Hewlitts letzter Frage au?ern wollte.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, weil ich diesen Teil des Gesprachs in O'Maras Buro noch nicht mitgehort habe. Also ist diese Information neu fur mich. Dennoch gibt es einen gewaltigen Unterschied, ob man den Auslaufern radioaktiver Strahlung kurzfristig ausgesetzt ist, wie es bei der Virenkreatur der Fall gewesen war, oder ein Leben lang extrem harter Strahlung wie bei den Telfis. Jetzt streiten Sie sich zwar schon wieder mit mir, aber auch dieses Mal konnten Sie durchaus recht haben. Also gut, dann begleiten Sie mich auf die Telfi-Station.«

»Vielen Dank. Sobald ich den Patienten gesehen habe, lasse ich Sie beide allein, damit Sie sich mit ihm privat unterhalten konnen.«

»Das wird nicht notig sein, da der Patient bald sterben wird. Au?er dem Umstand, da? er sich dieser unumsto?lichen Tatsache voll und ganz bewu?tist, hat er nicht gesagt, da? ihm irgend etwas auf der Seele liegt. Wie nicht anders zu erwarten, basieren alle telfischen Religionen auf verschiedenen Formen der Sonnenverehrung. Allerdings hat er mir nicht verraten, ob er ein Anhanger einer dieser Glaubensrichtungen ist. Alles, was er zu diesem Zeitpunkt braucht oder sich wunscht, ist der Kontakt mit anderen intelligenten Wesen, die ihm zuhoren oder mit ihm reden, bis er nicht mehr in der Lage ist, seine Gedanken in Worte zu fassen. Wir konnen ihn lediglich auf seinem Leidensweg ein Stuck begleiten und ihm zuhoren, in der Hoffnung, da? wir ihm damit etwas Gutes tun und Trost spenden.«

Lioren bog plotzlich in einen Seitengang ein, so da? Hewlitt sich beeilen mu?te, um ihn einzuholen. »Wurde sich der Patient nicht besser fuhlen, wenn in einer solch wichtigen Zeit einer seiner Freunde oder Verwandten bei ihm ware?« keuchte er au?er Atem.

»Offensichtlich wissen Sie nicht viel uber die Telfis nicht wahr?«

»Zumindest nur wenig«, raumte Hewlitt ein, wobei ihm die Anspielung auf seine Unkenntnis die Schamrote ins Gesicht trieb. »Da ich nie gedacht hatte, jemals einem personlich zu begegnen, gab es auch keinen Grund fur mich, mehr uber sie in Erfahrung zu bringen. Ich wei? nur, da? sie aufgrund ihrer Radioaktivitat au?erst gefahrlich und keine … na ja, keine sehr zuganglichen Wesen sind.«

»Ihre Umwelt ist uns feindlich gesinnt, nicht aber die Wesen selbst«, hielt ihm Lioren entgegen. »Ubrigens lernen nur sehr wenige Burger der Foderation Telfis personlich kennen, deshalb ist Ihre Wissenslucke auch kein Grund, sich zu schamen. Bevor wir diesen Patienten gleich besuchen, sollten Sie etwas mehr uber die Lebensgewohnheiten der Telfis erfahren und, was in diesem Fall noch wichtiger ist, uber deren Sterbebrauche. Konnen Sie eigentlich Wissen aufnehmen, wahrend Sie Ihre unteren Gliedma?en etwas schneller bewegen?«

»Keine Sorge, ich werde Ihnen schon folgen konnen«, antwortete Hewlitt.

Lioren uberhorte bewu?t die Doppeldeutigkeit von Hewlitts Bemerkung und fuhr fort: »Ich habe diesem sterbenden Telfi namens Cherxic – er istTeilwesen eines telfischen Astronavigators – versprochen, seinen letzten Gedanken zuzuhoren, solange er noch die Kraft dazu besitzt, diese laut genug fur den Translator zu artikulieren. Obwohl wir bislang bei unserer Suche noch keinen Erfolg gehabt haben, mochte ich mir etwas von unserer knapp bemessenen Zeit nehmen, um dieses Versprechen einzulosen.«

»Und wurden Sie auch etwas Zeit dafur opfern, mir ein wenig zuzuhoren?« erkundigte sich Hewlitt.

»Ja«, antwortete der Padre, ohne zu zogern. »Seit einiger Zeit stelle ich bei Ihnen eine emotionale Unruhe fest. Ob es sich dabei um gegen mich gerichtete Wut handelt, weil ich Ihre Neugierde nicht befriedige, oder ob Ihnen eher personliche Probleme zu schaffen machen, wei? ich nicht. Falls letzteres zutrifft: Ist die Angelegenheit sehr dringend? Naturlich werde ich Ihnen so oder so zuhoren, jetzt oder auch spater, aber Sie wissen genauso gut wie ich, da? der Zeitpunkt alles andere als gunstig ist. Konnen Sie mir in moglichst einfachen und hoffentlich auch knappen Worten schildern, was genau Ihnen zu schaffen macht?«

Hewlitt blickte Lioren nicht an, als er antwortete: »Sie haben in beiden Punkten recht, Padre. Zum einen bin ich neugierig und wutend auf Sie, weil Sie mir andauernd irgendwelche Antworten schuldig bleiben. Zum anderen bereitet mir der Umstand, da? man Ihnen verboten hat, meine Neugierde zu befriedigen, immer mehr Angst. Deshalb stelle ich mir andauernd Fragen, die ich mir selbst nicht beantworten kann, was wiederum zur Folge hat, da? ich mir nur noch mehr Sorgen mache. Etwas an dieser ganzen Geschichte macht mir ganz besonders zu schaffen.«

»Fahren Sie fort«, ermunterte ihn Lioren, wahrend er vor einem offenen Schrank stehenblieb, in dem sich terrestrische Strahlenschutzanzuge in verschiedenen Gro?en befanden. »Legen Sie einen davon an, ohne den jetzigen Anzug auszuziehen. Sprechen Sie ruhig weiter, wahrend ich Ihnen beim Anziehen helfe.«

Damit wir blo? keine Zeit verlieren, erganzte Hewlitt in Gedanken, aber der Padre war zu hoflich, um dies direkt zu sagen.

»In Ordnung. Soweit ich wei?, sind meine Katze, Morredeth, Sie und ichselbst sowie eine oder mehrere unbekannte Personen die einzigen Wesen, die von der Virenkreatur infiziert oder befallen worden sind, oder wie

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