Station, und er fragte sich, warum ihm die Schwei?perlen, die ihm auf der Stirn standen, nicht wie Hagelkorner herunterfielen. Alle Augen des Padre waren auf ihn gerichtet, und er wu?te nicht, ob die folgenden Worte Liorens seiner Ungeduld entsprangen oder der Notwendigkeit, das Thema aus therapeutischen Grunden zu wechseln.

»Versuchen Sie bitte, alle anderen Probleme erst einmal zu verdrangen«, riet ihm der Padre. »Sie sind im Begriff, Ihrem ersten Telfi zu begegnen; bedauerlicherweise einem, der im Sterben liegt. Zum einen benotigen Sie dazu einige zusatzliche Informationen und zum anderen mussen Sie ein paar Vorsichtsma?nahmen beachten. Beides ist fur Ihre eigene Sicherheit bestimmt und um zu vermeiden, Patient Cherxic noch mehr zu belasten. Horen Sie mir also bitte genau zu und wenn moglich, ohne irgendwelche Fragen zu stellen… «

Lioren fuhr damit fort, die Bedingungen auf Telfi zu beschreiben, einem Planeten, der sich in etwa funfzig Millionen Kilometern Entfernung, stets eine Seite seiner Sonne zugewandt, um sein Zentralgestirn drehte. Die Flora auf diesem Planeten setzte sich ausnahmslos aus mineralienartigen Pflanzen zusammen. Die extrem hohen Temperaturen und Strahlenemissionen waren fur alle anderen intelligenten Spezies der Foderation todlich gewesen, so da? der Planet – mit Ausnahme fur die telfischen Bewohner selbst – im wahrsten Sinne des Wortes die reinste Holle darstellte.

Bei den Telfis handelte es sich um tierahnliche Wesen, die sich auf der Tagseite des Planeten entwickelt hatten und zum Uberleben die von der Sonne gelieferte hohe Hitze und harte Strahlung benotigten. Neben einer eigenen Sprache verfugte diese Spezies zusatzlich uber telepathische Fahigkeiten, die zwar auch zwischen den Einzelwesen angewandt wurden, insbesondere aber zwischen den Teilwesen einer sogenannten Gesamtgestalt, die korperlich eng miteinander verbunden waren.Ihre Zivilisation war sehr alt und zu Beginn ihres Raumfahrtzeitalters schon sehr weit fortgeschritten. Die fur sie notwendigen Umweltbedingungen in einem Schiff zu reproduzieren war sehr schwierig, und obwohl das Ausma? an Funktionsstorungen und Verlusten unter telfischen Besatzungsmitgliedern im Vergleich zum ublichen Foderationsstandard verhaltnisma?ig hoch war, konnte sie dieser Umstand nicht von interstellaren Raumflugen abhalten. Die Telfis waren schon vor langerer Zeit der galaktischen Foderation beigetreten, um die damit verbundenen wirtschaftlichen und kulturellen Vorteile einer Mitgliedschaft zu nutzen, wozu auch der haufige Gebrauch der medizinischen Einrichtungen gehorte.

Unter der Voraussetzung, da? ein telfisches Schiffmit Verletzten an Bord schnell genug im Orbit Hospital eintraf, konnte man dort durchaus Hilfe gewahren. Wenn allerdings der Strahlenabsorptionsmechanismus eines verletzten Telfi zusammenbrach – zumeist ausgelost durch einen plotzlichen Strahlenentzug oder eine katastrophale Ubersattigung von harter Strahlung -, dann blieben dem Krankenhaus hochstens einhundert Stunden vom Eintreten des Unglucksfalls bis zur Einleitung der Behandlung. Dazu gehorte, da? der Strahlencocktail in der erforderlichen Dosierung und Dauer reproduziert werden mu?te, da dies eine unabdingbare Voraussetzung fur den Genesungsproze? des Verletzten war.

Die Notwendigkeit, diese Vielfalt heilender atomarer Strahlen fur die Telfis zu reproduzieren, war der einzige Grund, weshalb das Orbit Hospital einen kleinen Atomreaktor unterhielt, der inmitten modernster Kernfusionsanlagen eher wie ein Museumsstuck wirkte. Uber die Jahre hinweg hatte das Krankenhaus nicht nur gelernt, wie man telfische Unfallopfer behandeln konnte, sondern auch Patienten, die an den telfischen Entsprechungen fur Atem- und Darmbeschwerden und gynakologischen Krankheiten litten. Aus naheliegenden Grunden mu?ten fur solche Behandlungen haufig nicht nur Arzte, sondern auch Physiker und Ingenieure herangezogen werden.

»Das Teilwesen, das wir besuchen werden, ist der letzte noch lebendePatient von insgesamt dreien, die sich bei einer Funktionsstorung ihres Schiffs verletzt haben. Die technischen Einzelheiten will ich uns lieber ersparen, da wir beide sowieso nicht viel davon verstehen. Cherxic war ein Teilwesen der Gesamtgestalt, die auf die Bedienung des Schiffes spezialisiert war. Da er kein funktionierendes Mitglied seiner Gruppe mehr ist, haben die anderen die Reihen so gut wie moglich geschlossen und jeglichen korperlichen, verbalen und telepathischen Kontakt mit Cherxic abgebrochen, um…«

»Haben Sie nicht eben noch behauptet, da? es sich bei den Telfis um eine zivilisierte Spezies handelt?« unterbrach ihn Hewlitt.

»Ja«, antwortete Lioren, wobei er mit den Augen und den mittleren Handen schnell die Verschlusse von Hewlitts Schutzanzug uberprufte. »In Ordnung. Die Schutzhandschuhe und die darunter befindlichen Stoffhandschuhe brauchen Sie nicht anzulegen, da wir sie wahrend des Besuches bei Cherxic nicht benotigen, aber uberprufen Sie die Sichtblende ihres Helms lieber doppelt, wahrend ich mich umziehe. Die Lichtstrahlung ist auf der Telfi-Station namlich das reinste Teufelszeug.«

»Der Anzugstoff scheint sehr dunn zu sein«, merkte Hewlitt mit kritischem Blick an.

»Die Materialien, aus denen sowohl der Anzug als auch die Sichtblende sind, wurden vom Planeten Telfi importiert, wo man sie zum Schutz fur au?erplanetarische Besucher entwickelt hat«, klarte ihn der Padre auf. »Weder Sie selbst noch einer Ihrer zukunftigen Nachkommen, die Sie vielleicht noch hervorbringen werden, mussen sich Sorgen machen.«

Hewlitt schluckte schwer und versuchte, mit fester Stimme zu reden, als er sagte: »Wenn wir tatsachlich Virenembryos in uns tragen, mu?te Prilicla sie dann nicht wahrnehmen konnen?«

»Ja, vorausgesetzt, da? sie sich in einem Entwicklungsstadium befinden, wo sie sich ihrer eigenen Existenz bereits bewu?t sind.«

Noch bevor Hewlitt etwas entgegnen konnte, fuhr Lioren fort: »Weder Patient Cherxic noch irgendein anderer Telfi wurde in solch einer tragischenZeit daran denken, um die Anwesenheit eines Familienangehorigen oder Freundes zu bitten. Bei vollem Bewu?tsein langsam sterben zu mussen ist fur jede Lebensform eine schreckliche Erfahrung, und da die Telfis ihre telepathischen Fahigkeiten bis zum Ende bewahren, mochten sie diese nicht mit ihren Artgenossen teilen. Selbst bei nachlassendem Bewu?tsein spurt ein Telfi heftige Schmerzen, begleitet von Angst, die nicht gebandigt oder verheimlicht werden kann, weil ein Telepath au?erstande ist, seine Gefuhle zu verheimlichen. Fur ein Wesen, das von Geburt an daran gewohnt ist, in engem korperlichen und geistigen Kontakt mit seinen Mitwesen zu stehen, bedeutet dieser Zustand eine unbekannte und schreckliche Isolation; eine Einsamkeit, die derma?en gro? ist, da? Nichttelepathen sich das kaum vorstellen konnen. Folglich sind nur Nichttelepathen wie wir in der Lage, einem sterbenden Telfi Trost zu spenden. Dies erreichen wir am besten dadurch, indem wir uns mit ihm per Translator unterhalten, seinen letzten Gedanken zuhoren und ihm ermoglichen, die korperliche Nahe eines anderen empfindungsfahigen Wesens noch einmal zu spuren, denn er wei?, da? wir Mitgefuhl haben, seinen Schmerz aber nicht spuren konnen.«

Hewlitt schamte sich ein wenig dafur, da? seine egoistische Angst gro?er gewesen war als sein Mitleid fur dieses Wesen, dem er gleich begegnen wurde. »Wie sehen Telfis eigentlich aus? Und als Sie eben von korperlicher Nahe gesprochen haben, was genau haben Sie damit gemeint?«

»Wir werden jetzt bis zur Schleusenkammer gehen, die zum Telfi-Schiff fuhrt«, sagte Lioren, ohne Hewlitts Frage zu beantworten. »Folgen Sie mir. Sie brauchen keine Angst zu haben, denn wo wir hingehen, ist die Strahlenemission ungefahrlich.«

Die Luftschleuse klappte auf und enthullte einen Bordtunnel, dessen Ende wie eine viereckige Sonne gluhte. In der Zeit, in der sie ihn durchquert hatten, hatten sich Hewlitts Augen an das grelle Licht gewohnt, aber trotz seiner Sichtblende mu?te er die Augen zusammenkneifen, um die Einzelheiten erkennen zu konnen. Die Gerate, die

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