Kultur (um 3000 - 2800 v. Chr.) entwickelte sich eine bluhende Handwerkskunst, deren Produkte auf weit verzweigten Handelswegen exportiert wurden. Aus dieser Zeit stammt auch die alteste Form der Indus-Schrift, die bis heute nicht entziffert werden konnte.
Die aufgefundenen Artefakte deuten darauf hin, dass die IndusKultur von standisch gegliederten Gesellschaften getragen wurde, deren fuhrende Klasse reich genug war, um solche Kunstwerke in Auftrag zu geben.
Zwischen 2600 und 1900 v. Chr. erreichte die Indus-Kultur ihren Hohepunkt. Mohenjo-Daro, die zweite Hauptsiedlung dieser Zivilisation, war eine der ersten planma?ig angelegten Stadte der Geschichte. Breite Stra?en und schmale Gassen bildeten ein Gitternetz, an dem geraumige Hauser standen.
Auf einem zwolf Meter hoch aufgeschutteten Erdhugel lag die Zitadelle von Mohenjo-Daro, die wahrscheinlich aber als Ort offentlicher Versammlungen diente und nicht als Befestigungsanlage. In diesem Komplex fand man das »Gro?e Bad«, einen geschlossenen Wassertank oder Teich, der moglicherweise zu rituellen Zwecken benutzt wurde. Mohenjo-Daro wurde neunmal durch das Hochwasser des Indus zerstort und stets an derselben Stelle wiederaufgebaut, bis die Bewohner ihre Stadt endgultig verlie?en.
Konnten Sie am Indus das Ende einer Hochkultur beobachten, so konnen Sie weiter ostlich am Hwangho die Anfange einer anderen miterleben, die auf 1500 v. Chr. datiert werden. Der Hwangho, der »Gelbe Fluss« Chinas, ist mit fast 5000 Kilometern der zweitlangste Strom im Reich der Mitte und hat dank seiner Schlammfuhrung, der hochsten von allen Flussen der Erde, hier eine Art Klein-Agypten hervorgebracht.
Wenn Sie weiterhin als antike Globetrotter unterwegs sein wollen, werden Sie im Fernen Osten auch auf die altesten Zeugnisse der chinesischen Schrift sto?en. Sie finden sich auf sogenannten »Orakelknochen«, Schulterblattern von Rindern, die fur Wahrsagezwecke benutzt und als Grabbeigaben verwendet wurden. Es ist die Zeit der Shang, die um 1650 v. Chr. den ersten zentral gelenkten Staat in China errichten, bis ihr Herrscher und ihr Reich, die zweite chinesische Konigsdynastie, um 1050 v. Chr. untergehen.
Siebenmal sollen die Shang, die die Bronzekunst zur Perfektion trieben, ihre Hauptstadt gewechselt haben. An den Wallen der legendaren zweiten Metropole, circa sieben Kilometer lang, zehn Meter hoch und im Durchschnitt mehr als zwanzig Meter breit, sollen 10 000 Menschen mit einem taglichen Pensum von zehn Stunden an 330 Tagen im Jahr uber ein Jahrzehnt lang gearbeitet haben. Andere Berechnungen fur dieses Verteidigungswerk, das ein Areal von 3,2 Quadratkilometern umschloss, kommen sogar auf 18 Jahre.
Die gro?e Zahl, die Dominanz des Ma?losen und das Prinzip der ganzlichen Verfugbarkeit des Menschen fallen bei der Betrachtung der Shang-Zeit immer wieder ins Auge. Auch in hochst blutiger Hinsicht.
So war es Aufgabe der koniglichen Soldaten, nicht nur die militarischen Verteidigungs- und Eroberungsfeldzuge zu bestreiten, sondern auch regelrechte Menschenjagden zu veranstalten, um den Nachschub fur die rucksichtslosen rituellen Schlachtungen zu gewahrleisten. 400 Menschen fur ein einziges Ahnenopfer, 600 Hinrichtungen anlasslich einer Palasteinweihung und zwischen 150 und 200 Totenbegleiter fur einen nicht einmal hochrangigen Verstorbenen lassen auf einen beangstigenden Bedarf an »Nachschub« schlie?en.
Das Spektrum der Totungsarten war gro?: Kopfabschlagen, Halbieren, lebendig Begraben waren die gelaufigsten Spielarten.
Da Sie sich nun vom rasenden Reporter in einen »Schlachtenbummler« im ursprunglichen und unangenehmsten Sinne des Wortes verwandelt haben, durfte es zweifelhaft sein, ob Sie nach der Begegnung mit den Shang noch Appetit auf weitere fernostliche Kulturkontakte haben. Das Tafelsilber der chinesischen Geschichte, das Sie vielleicht wieder versohnlich gestimmt hatte, ware Ihnen ohnehin nicht zuganglich gewesen.
Denn die weltberuhmte, bis zu 10 000 Kilometer lange Gro?e Mauer wurde erst im dritten Jahrhundert v. Chr. begonnen und erhielt ihre heutige Form und Auspragung noch viel spater, in der Ming-Dynastie (14. -17. Jahrhundert n. Chr.). Und die legendare Terrakottaarmee, jene einzigartige Leibgarde aus hundert Quadrigen, 500 Pferden und 8000 Soldaten, die das Mausoleum des ersten Kaisers Qin Shi Huangdi bewachen soll, wird ebenfalls erst Ende des dritten Jahrhunderts v. Chr. aus der Erde gestampft.
Sehr wohl aber hatten Sie Aufregendes uber eine Zivilisation berichten konnen, die sich im zweiten vorchristlichen Jahrtausend in einer ganz anderen Weltgegend entfaltete: in den Ebenen des sudlichen Mexiko. Sie wurde zum Nahrboden der gro?en mittelamerikanischen Hochkulturen, insbesondere der Maya.
Die Rede ist von den Olmeken. Die Erkennungszeichen ihrer Kultur waren widerstandsfahig genug, um bis heute allen Unbilden, aller Willkur der Zeiten zu trotzen: tonnenschwere, gedrungene, aus Basalt geformte Kolossalkopfe, die korperlos auf ein Steinfundament gesetzt wurden. Moglicherweise wurden die Blocke aus weiter Entfernung, etwa aus den Bergen des heutigen Veracruz herangeschafft - per Schiff, da die Wasserlaufe die bequemsten Transportwege waren.
In den beiden Zentren San Lorenzo und La Venta haben sich Relikte reetgedeckter Hauser aus Holzpfahlen, Tempelpyramiden, Altarbauten und Tierskulpturen erhalten, Letztere vor allem dem Jaguar gewidmet, dem auch die spateren mexikanischen Hochkulturen mit fast heiliger Ehrfurcht begegneten. Auch mit dem vermutlich altesten Schriftsystem in Mittelamerika und dem fruhen Gebrauch des Kalenders setzten die Olmeken, die sich bis weit in das erste vorchristliche Jahrhundert behaupten konnten, Ma?stabe.
Als Teilnehmer unserer bronzezeitlichen Fernreise durften Sie inzwischen gemerkt haben, dass der Norden und der Westen und Europa uberhaupt straflich vernachlassigt worden sind. Dort angekommen, sehen Sie die Monumente der Megalith-Kultur vor sich aufragen, die nach drei Jahrtausenden nun in Europa zu Ende geht. In Stonehenge (in Sudengland) bewundern Sie den riesigen Kalenderkreis aus ma?gerecht behauenen Sandsteinblocken und Blausteinen, der der Anzeige von Winter- und Sommersonnenwende dienen sollte und - wie alle Megalith-Statten - zugleich ein Begrabnisort war.
Wenn Sie in Ihrer Funktion als prahistorische Korrespondenten Gluck haben und zur richtigen Zeit (um 1600 v. Chr.) am richtigen Ort (in Mitteldeutschland) sind, konnen Sie jetzt beobachten, wie ein anderes, deutlich kleineres kalendarisches Objekt in der Erde versenkt wird. In den Jahrhunderten zuvor ist der mysteriose Gegenstand unter Verwendung von Kupfer aus dem Ostalpenraum und silberreichem Gold aus mitteldeutschen Vorkommen oder aus Siebenburgen mehrfach bearbeitet worden und dann uber lange Zeit in Gebrauch gewesen - vielleicht bei einem Fursten. Mehr als dreieinhalb Jahrtausende spater wird er sich als einer der spektakularsten archaologischen Funde des 20. Jahrhunderts erweisen.
Es ist die Himmelsscheibe von Nebra.
Die Bronzescheibe von Nebra ist die weltweit alteste konkrete Darstellung astronomischer Phanomene, die wir kennen. Dass diese bislang fruheste handwerkliche Himmelsprojektion der Menschheitsgeschichte nicht auf dem Boden der klassischen Hochkulturen, sondern in Mitteleuropa gefunden wurde, kommt einer Sensation gleich.
Im Bildprogramm der Scheibe ist ein Goldbogen das ratselhafteste Detail. Er lasst sich als Barke, als Himmelsschiff deuten, das zwischen den Horizonten entlangfahrt und zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang uber den Himmelsozean pendelt. Wie ein Schlaglicht taucht hier fruhzeitig ein beruhmtes Bildmotiv auf, das zu den zentralen Symbolen der Bronzezeit werden wird - nicht nur im Norden, sondern auch am anderen »Ende« der damals bekannten Welt, in Agypten vor allem.
Die Himmelsscheibe ist Teil eines Bronzeschatzes, der um 1600 v. Chr. deponiert wurde. Wie unzahlige weitere Metalldepots von der Atlantikkuste bis zum Schwarzen Meer, von Sudschweden bis zum Mittelmeer, die um diese Zeit an ausgewahlten Orten niedergelegt wurden, druckt er den Wunsch aus, mit den Gottern - wie im Gebet - in Kontakt zu treten, sie zu beeinflussen und gunstig zu stimmen, sie um etwas zu bitten oder ihnen zu danken.
Bevor wir zum Ausgangspunkt unserer Reise zuruckkehren, empfehlen wir ubrigens einen Abstecher zum Kultplatz von Goseck, einer Kreisgrabenanlage von 71 Metern Durchmesser, kaum zwanzig Kilometer vom Versteck des Nebra-Schatzes entfernt. Hier konnten Sie, am konkreten Beispiel einer der beruhmten »Kathedralen der Steinzeit«, die Anfange der systematischen Himmelsbeobachtung nachempfinden: 2500 bis 3000 Jahre vor Fertigung der Bronzescheibe - und damit auch deutlich vor dem Baubeginn von Stonehenge oder den astronomischen Aktivitaten der Babylonier und der Pharaonen.
Wir kehren zuruck zum Sonnenwagen von Trundholm, Meisterwerk des Nordens, was Bronze- und Goldschmiedetechnik angeht, gefertigt um 1400 v. Chr., also wesentlich spater als die Himmelsscheibe von Nebra, aber durch das Bildmotiv des Sonnenkreislaufs markant mit ihr verbunden.
In der Bronzezeit wachst Europa, wachst die antike Welt zusammen. Aber der neue Werkstoff ist nur ein Glied in der Kette der Gemeinsamkeiten. Das zweite Element ist die Religion. Der Norden wird in dieser bronzezeitlichen Weltordnung nicht durch stolze Herrscher oder machtige Reiche vertreten. Aber er ist auf einzigartige Weise innovativ und halt mit dem Sonnenschiff von Nebra und dem Sonnenpferd von Trundholm das