Festland aus, auf einem prunkvollen Thron sitzend, verfolgte der persische Konig die fast zwolfstundige Entscheidungsschlacht, die sich der kluge Themistokles genau an dieser Stelle erhofft hatte.
Xerxes erlebte ein Desaster. Die Meerenge lie? eine Entfaltung der persischen Ubermacht nicht zu. Die numerische Uberlegenheit der Angreifer erwies sich als nichtig, mehr noch: als ausgesprochen hinderlich. Denn die Manovrierfahigkeit der persischen Flotte war stark eingeschrankt. Schnelligkeit und Wendigkeit der griechischen Schiffe, die sich an den Flanken des Gegners immer wieder in vorzugliche Gefechtspositionen brachten, gaben nun den Ausschlag. Die Schlacht war verloren, auch der zweite gro? angelegte Versuch der persischen Supermacht, das kleine, erneut unterschatzte Griechenland in die Knie zu zwingen, war gescheitert.
Athen feierte, feierte vor allem den Retter Themistokles. Selbst die Spartaner erwiesen ihm hochste Ehren.
Mit Recht ist der griechische Sieg bei Salamis als vollstandig, aber nicht endgultig bezeichnet worden. Der Kampf ging bekanntlich auf dem Festland weiter. Und doch wirkt der 479 v. Chr. unter Fuhrung des Spartiaten Pausanias erzielte Erfolg in der Schlacht von Plataa, bei der drei Sohne des Dareios ihr Leben lie?en, nur wie ein Epilog der Ereignisse aus dem Vorjahr.
Nach der gescheiterten persischen Invasion gingen die Griechen zur Gegenoffensive uber und befreiten die Stadte an der kleinasiatischen Kuste. Sie traten dem 478 v. Chr. gegrundeten Delisch-At-tischen Seebund bei, der es Athen in der Folgezeit ermoglichte, ein bedeutsamer Machtfaktor im Mittelmeerraum zu werden. In der Schlacht am Eurymedon im sudlichen Kleinasien gelang dem Bund 466 v. Chr. ein Doppelsieg uber Flotte und Heer der Perser.
Mit dem »Kalliasfrieden«, ausgehandelt 449/448 v. Chr. zwischen dem Athener gleichen Namens und Konig Artaxerxes, Nachfolger des ermordeten Xerxes I., galten die Perserkriege als beendet. Die Initiative zu diesem Vertragswerk wird Perikles zugeschrieben. Historisch gesichert ist es nicht.
Gesichert ist aber eine historische Provokation, die bis heute einen kraftigen Theaterdonner auslost. In seiner Tragodie »Die Perser«, dem altesten erhaltenen Drama der Welt, schildert der Dichter Ais-chylos, der selbst im Jahr 480 an der Seeschlacht von Salamis teilgenommen hatte, den Krieg nicht etwa aus der Sicht der siegreichen Griechen, sondern aus der Perspektive des unterlegenen Gegners. »Die Perser« gelten damit als fruhestes und - noch immer - bestes Beispiel dafur, wie der im Triumph geschlagene Feind, ungeachtet des Siegerstolzes der Griechen, nicht herabgesetzt, sondern durch kunstvolle Spiegelung in der Tragik seiner Niederlage gesehen werden kann.
An der Tendenz der Geschichtsschreibung, die uber Jahrhunderte aus der Sicht der griechischen Gewinner erfolgte, hat das Stuck nichts geandert. Aber es stimmt trostlich, dass es bei seiner Urauffuhrung, die 472 v. Chr. noch im Siegestaumel von Salamis erfolgte, den ersten Preis der Dionysien, der jahrlich stattfindenden Theaterwettbewerbe, erhielt.
Am Ende dieses gro?en Ost-West-Konflikts Mitte des funften Jahrhunderts v. Chr. hatten jedenfalls die Griechen ihre Freiheit und die Athener ihre Demokratie erfolgreich verteidigt. Die Grenze zwischen Europa und Asien war neu markiert, der Unterschied zwischen Okzident und Orient bekraftigt worden.
Damit war das Perserreich aber nicht in seiner Substanz gefahrdet, es existierte weitere hundert Jahre als Gro?macht und spielte spater als Sponsor der Spartaner im sich anbahnenden Peloponnes-ischen Krieg mit Athen eine nicht unwesentliche Rolle. Erst die Feldzuge Alexanders des Gro?en in der zweiten Halfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. veranderten die Herrschaftsbereiche grundlegend.
10. Bis an das Ende der Welt
Es gibt nicht viele Orte, wo Sie ihm direkt in die Augen schauen konnen. Kommen Sie mit nach Neapel und besuchen Sie das Archaologische Museum. Dort treffen Sie auf Alexander den Gro?en in dem beruhmten Mosaik aus Pompeji: Sie sehen ihn entschlossen, konzentriert und zielstrebig auf seinem Pferd Bukephalos wahrend der Schlacht bei Gaugamela 331 v. Chr. Er bedroht Dareios III., den persischen Herrscher, der in ihm die todliche Gefahr erkennt, seinen Streitwagen wendet und flieht. Angeblich sollen sich die Blicke der beiden Konige fur einen Moment getroffen haben.
Diesen Alexander kannten die Athener 340 v. Chr. noch nicht. Mit Vergnugen horten sie sich stattdessen die Ausfuhrungen von Demosthenes an, einem ihrer gro?en Redner und Agitatoren: »Dumm und aufgeblasen« sei der junge Prinz am Hofe zu Pella in Makedonien. Und sie waren zu gern bereit, dieser Einschatzung Glauben zu schenken. Auch die Tatsache, dass Alexander, Sohn Philipps II., vom beruhmten Aristoteles erzogen wurde, vermochte wenig daran zu andern. Zudem galt Makedonien als primitiv und unkultiviert, angeblich sollten sich nur die Insekten aus den zahlreichen Sumpfen da wohlfuhlen.
Die Athener mussten sich eines Besseren belehren lassen. 338 v. Chr. brachte ein makedonisches Heer, das von Philipp II. bei Chaironeia in den Kampf gefuhrt wurde, den Hellenen eine empfindliche Niederlage mit weitreichenden Folgen bei. Es war der gerade 18-jahrige Alexander, der die Angriffsflugel befehligte und mit taktischem Geschick und einer neuen »schiefen« Schlachtordnung entscheidend fur die Niederlage der Griechen sorgte. Fortan gehorten bis auf Sparta alle griechischen Stadte des Kernlandes zum »Korinthischen Bund«, der Philipp als seinen
Wie war es dazu gekommen, was war geschehen?
Als Philipp II. 359 v. Chr. von der makedonischen Heeresversammlung zum Konig gewahlt wurde, bot sich ihm tatsachlich keine ermunternde Ausgangssituation fur das, was sich in den nachsten zwanzig Jahren abspielen sollte: Das Heer war in einem desastrosen Zustand, von Infrastruktur oder einer funktionierenden Verwaltung konnte keine Rede sein. Doch der raubeinige Konig hatte Gro?es vor, er war ehrgeizig, und mithilfe der reichhaltigen Goldvorkommen in Thrakien begann er mit einer beeindruckenden Aufrustung. Seine Armee sollte die schlagkraftigste in ganz Griechenland werden. Die Adelsreiterei, die
So ungehobelt Philipp gewesen sein mag, zeigte er sich doch auch als geschickter Diplomat. Zur Stabilisierung seiner Bundnispolitik soll er - sich an seinen aktuellen strategischen Planen orientierend - die jeweils dazu passende Frau geheiratet haben. Um 357 v. Chr. ging Philipp seine vierte Ehe mit Polyxena, einer Prinzessin aus Epirus, ein, die nach der Hochzeit den Namen Olympias bekam. Ziel dieser Eheschlie?ung war es, die Allianz zwischen Epirus und Makedonien zu besiegeln.
Olympias’ konigliches Elternhaus leitete seine Abstammung von dem mythischen Helden Achilles her, sie selber behauptete au?erdem eine direkte Linie zur schonen Helena.
Olympias galt als exzentrisch, herrschsuchtig, stolz und auch grausam. Religios exaltiert, war sie eine begeisterte Anhangerin des Dionysos-Kultes und trat bei den orgiastischen Feiern zu Ehren des Gottes schon in ihrer Heimat Epirus als Tanzerin und Bacchantin auf. Laut Plutarch spielten bei diesen Kulthandlungen Schlangen eine wichtige Rolle, was bei Philipp wohl zu Irritationen fuhrte und auch dazu beigetragen haben soll, dass die Ehe nicht besonders harmonisch verlief. Peter Bamm sagte zur Hochzeit dieser beiden: »Es heiratete der Wolf eine Lowin.«
356 v. Chr. wurde Alexander, der gemeinsame Sohn, geboren, und eine weltumsturzende Geschichte nahm ihren Lauf. Ob seine Kindheit glucklich war, lasst sich kaum entscheiden. Auf jeden Fall war sie sehr bewegt: Philipp befand sich seit Alexanders Geburt fast ununterbrochen auf Kriegszugen. Er gewann 352 v. Chr. den Krieg gegen die Phoker, auf deren Gebiet sich die Stadt Delphi mit dem Orakel befand, besetzte Thessalien und eroberte 342 v. Chr. Thrakien.
Alexander blieb in der Zeit von Philipps Feldzugen in der Obhut seiner Mutter Olympias, die in ihm den einzig rechtma?igen Thronerben sah und ihn zu ihrem Geschopf machen wollte. Zeit seines Lebens hatte sie einen starken Einfluss auf ihn und brachte ihm wohl auch den Glauben an eine gottliche Abstammung nahe. Auf dem Jungen lagen