zuvor.

Doch von einem Moment auf den anderen wendete sich das Blatt. Gegen alle Regeln der Kriegskunst brach Alexander mit seiner Reiterei mitten in die persischen Reihen. Dareios sah sich plotzlich umzingelt von makedonischen Kriegern, verlor die Nerven und floh. Seiner Fuhrung beraubt, brach das persische Heer zusammen und folgte seinem Fuhrer in ungeordnetem Ruckzug. Dareios’ Familie -seine Mutter, seine Frau und die Kinder - fielen in Alexanders Hande. Ein Losegeldangebot schlug er in einem Brief als »Herrscher von Asien« aus, behandelte seine Geiseln aber gut.

Die Schlacht bei Issos gehort zu den gro?en weltgeschichtlichen Wendepunkten. Alexander sah sich nun als Konig von Persien, aber von Zufriedenheit keine Spur: Es gab neue gro?e Ziele.

Zunachst verfolgte Alexander nicht Dareios, sondern zog an der Kuste entlang Richtung Suden, wo sich ihm alle Stadte ergaben. Nur Tyros, die Mutterstadt der Karthager, widersetzte sich, und Alexander brauchte mit enormem taktischen und technischen Aufwand acht Monate, um den Einwohnern eine verheerende und blutige Niederlage beizubringen: 2000 Menschen lie? er - so die Legende -entlang der Kuste kreuzigen, 30 000 schickte er in die Sklaverei.

Begleiten wir das makedonische Heer nach Agypten, dessen Einwohner Alexander einen freundlichen Empfang bereiteten, sahen sie ihn doch als Befreier von der persischen Unterdruckung. Alexander lie? Architekten, Ingenieure, Wissenschaftler und Kunstler ins Land bringen, grundete Alexandria, heute mit 4,54 Millionen Einwohnern nach Kairo die zweitgro?te Stadt Nordafrikas. Als Dank machten die Agypter ihn zu ihrem Pharao, zu ihrem Halbgott. Beflugelt durch diese Ehre und bestatigt durch das Orakel der Oase Siwa in der Libyschen Wuste, fuhlte sich Alexander zu weiteren Feldzugen angestachelt. Sie durfen nicht vergessen: Da gab es immer noch Dareios, der die Zeit inzwischen genutzt hatte, um erneut ein gewaltiges Heer aufzustellen.

Schlachtfeld am 1. Oktober 331 v. Chr. war diesmal Gaugamela im heutigen Irak. Dareios erhoffte sich durch das flache Gelande Vorteile fur seine Streitwagen, und eigentlich hatte alles gutgehen mussen fur das persische Heer, das wesentlich gro?er war als das makedonische. Wir machen es kurz: Es geschah das, was niemand fur moglich gehalten hatte. Wieder einmal gelang es Alexander, durch geschicktes Manovrieren und taktisch kluge Entscheidungen den Sieg zu erringen. Dareios verlor auch diesmal die Nerven und floh.

Alexander lie? ihn ziehen und begab sich ungehindert nach Babylon, dessen Bewohner ihm zujubelten und den umfangreichen Staatsschatz auslieferten. Er zeigte sich freundlich und tolerant. Den von den Persern zerstorten babylonischen Turm befahl er wieder aufzubauen. Die orientalische Art zu leben und zu herrschen gefiel ihm, und er nahm seinen Regierungssitz in Susa ein. Doch nicht uberall lief es so friedlich: Persepolis, die alte Konigsstadt der Acha-meniden, gab Alexander zur Plunderung frei - vermutlich als Rache fur die Zerstorung Athens 480 v. Chr. und auch auf Druck seiner Soldaten - und lie? dann alles niederbrennen.

Alexander veranderte sich seitdem: Aus dem sturmischen, selbstbewussten jungen Mann, der seine Soldaten begeistert hatte, wurde ein skeptischer, zusehends selbstherrlicher Halbgott. Kaltblutig lie? er tatsachliche und vermeintliche Verschworer - darunter langjahrige und verdiente Vertraute - im eigenen Heer ermorden. Und er rustete seine Streitmacht fur die nachsten Feldzuge. Wir erinnern uns: Dareios war immer noch auf der Flucht. Was Alexander nicht wusste: Der Perser war langst entmachtet. Er war seinen Begleitern lastig geworden und wurde schlie?lich von Bessos, dem Satrapen von Baktrien, getotet. Alexander fand die Leiche des alten Rivalen abseits des Marschweges in seinem Reisewagen und lie? ihn standesgema? beerdigen. Bessos hie? nun der nachste Gegner.

Es war der Zeitpunkt fur eine markante Wende: Bei Alexanders Soldaten ruhrte sich erstmals Unruhe ob der tollkuhnen Plane ihres inzwischen 24-jahrigen Feldherrn. Eigentlich hatten sie ja alles erledigt, wofur sie gekommen waren. Was einigen von ihnen zunehmend als Wahnsinn erschien, wurde fur Alexander immer starker zur Mission. Er trieb seine Manner unaufhaltsam nach Osten; es begann das, was man den eigentlichen Alexanderzug nennt.

Nach heftigen Partisanenkampfen in Ostiran ging es nach Afghanistan. Dort vermahlte sich Alexander 327 v. Chr. zum Entsetzen seiner makedonischen Begleiter nach persischer Sitte mit Roxane, einem sehr jungen, sehr attraktiven Madchen, Tochter eines Stammesfursten in Sogdien. Auch wenn er bei der spateren Massenhochzeit noch zwei weitere Frauen heiraten sollte, blieb Roxane die wichtigste Frau in seinem Leben. Sie begleitete ihn auf allen folgenden Feldzugen.

Im selben Jahr noch ging es bis ans Ende der Welt, wie Alexander und sein Lehrer Aristoteles glaubten: uber einen 3000 Meter hohen Pass des verschneiten Hindukusch auf nach Indien. Im Fruhjahr 326 v. Chr. uberschritt der Makedonier mit seinem Heer den Indus und stie? auf die Streitmacht des Fursten Poros, dessen hochgerustete Krieger und Elefanten er nur unter au?erster Anstrengung besiegen konnte. Poros wurde sein Vasall.

Alexander wollte den Ganges und das dahinterliegende Weltmeer, nach damaliger Vorstellung das Ende der Welt, erreichen, wurde aber mit der Weigerung seiner Soldaten konfrontiert, noch weiterzuziehen. Sie waren nach Tausenden von Kilometern erschopft und ausgebrannt. Alexander war entsetzt und zog sich fur drei Tage zuruck. Schlie?lich musste er einsehen, dass es tatsachlich nicht mehr weiterging. Er verkundete den Ruckzug, seine Soldaten jubelten. Mit einer Flotte von tausend Schiffen fuhr er den Indus abwarts zum Meer. Der Ruckweg durch die Gedrosische Wuste (Be-lutschistan) nach Westen wurde fur die Soldaten zum Albtraum. War Indien fur viele in Alexanders Zug schon eine Qual gewesen, steigerten sich die Strapazen in der gluhenden Hitze ins vollends Unertragliche. Gerade ein Viertel seiner Manner erreichte Susa. Dort kam es erst einmal zu Racheakten an den Satrapen, die wahrend Alexanders immerhin funfjahriger Abwesenheit rebelliert und ihn verraten hatten. Danach inszenierte Alexander 324 v. Chr. ein einzigartiges Fest: die beruhmte Massenhochzeit von Susa, gedacht als Akt der Verschmelzung von Persern und Makedoniern zu einer neuen Herrenschicht. Neunzig seiner hoheren Offiziere sollten sich mit persischen Frauen verbinden. Dazu kamen noch rund 10 000 Soldaten.

Alexanders Traum von der Verschmelzung der Volker sollte nie Wirklichkeit werden. Im selben Jahr musste er zunachst einen fur sein Leben dramatischen Verlust verkraften. Im Oktober verstarb sein Freund, Berater und Geliebter, Hephaistion, der - erschopft durch die Feldzuge und auch durch die hemmungslosen Gelage -einer fiebrigen Krankheit erlag. Alexander trauerte tagelang, war fur niemanden zu sprechen. Er schien gebrochen und zog in seinen Palast nach Babylon.

Ein Jahr hielt er sich dort auf und schmiedete - wieder zu Kraften gekommen - neue Plane. Nearchos, sein Admiral, bekam den Auftrag, den Persischen Golf zu erkunden. Gleichzeitig sollte in Babylon ein riesiger Hafen mit einer gigantischen Flotte von tausend Schiffen entstehen. Seeleute mussten angeworben werden. Alexanders maritime Aktivitaten dienten dem Ziel, Seewege zum Indus und zu den Gewurzen Asiens zu eroffnen. Die Erforschung und Unterwerfung der Arabischen Halbinsel war geplant, Karthago sollte angegriffen werden.

Doch es kam alles ganz anders. Es begann Ende Mai mit einem leichten Fieber: Alexander erkrankte. Er versuchte trotz zunehmender Schwache noch, seine Regierungsgeschafte aufrechtzuerhalten, traf sich mit seinen Generalen, gab Anweisungen. Dann -nach einer Woche - war der Konig nicht mehr ansprechbar. Der Herrscher uber fast die ganze damals im Westen bekannte Welt starb am 13. Juni 323 v. Chr. 33-jahrig in Babylon, vermutlich an Malaria oder einer Lungenentzundung. Sein Grab fand er in Alexandria, wo es die Archaologen noch immer suchen.

Erst jetzt nach seinem Tod wurde deutlich, wie alles auf Alexander zugeschnitten war, sich alles nur um ihn gedreht hatte. Die makedonische Heeresversammlung wahlte zwar noch Alexanders geistesschwachen Bruder Arrhidaios und seinen Sohn, den Roxane noch gar nicht geboren hatte, zu seinen Nachfolgern. Aber der Versuch, das riesengro?e Reich unter den Hetairen und Reichsverwesern aufzuteilen, scheiterte. Die Verwalter traten in den nachsten Jahren in den sogenannten »Diadochenkriegen« gegeneinander an, Roxane und ihr Sohn wurden getotet - wie auch alle anderen Verwandten -, Alexanders Reich zerfiel.

Was bleibt?

Mit Sicherheit die beeindruckende Geschichte eines jungen Mannes, der schon zu Lebzeiten eine Legende war. Die unzahligen historischen Urteile decken das ganze denkbare Spektrum ab: vom gro?enwahnsinnigen Feldherrn, dessen Erfolge nur auf der Unfahigkeit seiner Gegner beruhten, bis zum charismatischen Genie, das seinen Traumen von einer vereinten Welt gefolgt ist. Seine Idee verwirklichten die Romer.

Alexander der Gro?e in der Schlacht, wagemutig und stets an der Spitze seiner Truppen, unverwundbar mitten im argsten Kampfgetummel - dieses Bild entzundet seit der Antike die Fantasien. Der Alexanderroman, von Island bis Malaysia verbreitet, machte Alexander zum Volkshelden bei Christen, Juden und Muslimen.

Der Alexander-Mythos lebt. Tatsachlich streiten sich seit 1991, der Auflosung des Staates Jugoslawien, die Republik Mazedonien und Griechenland um den Namen »Mazedonien«. Wahrend die Mazedonier ihr Land mit dem antiken Makedonien in einer kulturellen Kontinuitat sehen, empfinden die Griechen diese Behauptung als Anma?ung,

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату