Wie kaum ein anderer hat Friedrich seine Umgebung beeindruckt. Ein Zeitgenosse schrieb: »Sein Antlitz ist von anmutsvoller Schonheit, mit heiterer Stirn und einer noch strahlenderen Heiterkeit der Augen, so dass es eine Freude ist, ihn anzuschauen.« Diese Freude haben sich vor allem die Frauen gegonnt: drei Ehefrauen und neun Matressen. Von zwanzig Kindern berichten die Chroniken.

Regieren im Mittelalter hie? vor allem: reisen. Physische Prasenz des Herrschers war gefordert, je gro?er und unubersichtlicher sein Territorium und je schwieriger die Nachrichtenubermittlung war. Hof gehalten wurde dort, wo sich Kaiser oder Konig gerade befanden. Im Vergleich zu Karl dem Gro?en, der immerhin noch eine betrachtliche Zeit des Jahres in Aachen verbrachte, waren seine Nachfolger wahre Nomaden. Wer die Macht ausubte, musste sich zeigen und, da es keine Hauptstadt gab, moglichst viele kleine Residenzen schaffen - die Pfalzen -, in denen der Herrscher Station machen, Hoftage oder Reichsversammlungen abhalten, hohe kirchliche Feste feiern und vielleicht sogar den Winter verbringen konnte.

Sowohl die ambulante Seite seiner Herrschaft, sein Reisekaisertum sozusagen, als auch der stationare, der sesshafte Teil seines Amtes trugen zum Staunen der Welt, das Friedrich II. bewirkt haben soll, bei. Sein Hof in Palermo war eine kleine Akademie - ahnlich der von ihm 1224 in Neapel gegrundeten ersten »Staatsuniversitat« des Abendlandes -, ein Anziehungspunkt fur Dichter, Kunstler und Wissenschaftler und ein Hort der Toleranz. Hier begegneten sich Angehorige des arabischen, griechischen und romanischen Kulturkreises zum Austausch von Ideen, zur gemeinsamen Forschung, zum Vortrag von Liedern und Gedichten und zur Ubersetzung bedeutender Schriften, haufig vermittelt durch judische Gelehrte.

Wenn dies schon ein erfrischend anderer Herrschaftsstil im Vergleich zu den meisten Vorgangern oder Nachfolgern Friedrichs II. ist, so wird Ihnen das bunt gemischte Gefolge, mit dem der Kaiser auf Reisen ging, erst recht ungewohnlich, ja aufregend exotisch vorkommen. Sie durfen ruhig an einen Wanderzirkus oder an eine Arche Noah zu Lande denken. Geschutzt durch die dem Herrscher treu ergebene Leibwache, die aus Sarazenen bestand, war nicht nur der fast komplette Hofstaat des Kaisers unterwegs, sondern in der Karawane wurden auch prachtig geschirrte Kamele, an Ketten gehaltene Panther und Lowen, Leoparden und Luchse mitgefuhrt, neben Hunderten von Jagdfalken, Papageien und Pfauen. Den Gedanken an eine artgerechte Behandlung mussen Sie sich leider abschminken. Dafur aber sicherte dieses einzigartige Schauspiel fast morgenlandischer Pracht- und Machtentfaltung dem Kaiser ungeteilte Aufmerksamkeit und bezeugte seine Herrschaft uber alles, was sich auf der Erde bewegte.

Ein solcher Mann zog nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid und Hass auf sich. Viele seiner Zeitgenossen wollten ihn mundtot machen, ihn als einen Feind Gottes und der Kirche, einen Verachter der Religion brandmarken, der nur zum Schein ein Christ sei, in Wahrheit aber ein Ketzer und Gotteslasterer. Politische Interessen machten sich diese Beschuldigungen zunutze. Das zweite Konzil von Lyon erklarte ihn 1245 fur abgesetzt und begrundete das mit Eidbruch, Verletzung des Friedens und Sakrileg, womit die Beschlagnahme von kirchlichem Besitz gemeint war. Ein weiterer Vorwurf lautete: Haresie, also Missachtung der kirchlichen Lehrmeinung. Damit wurden vor allem Friedrichs freundschaftliche Beziehungen zu muslimischen Sarazenen ins Visier genommen. Zu dieser Art von Anschuldigung und Damonisierung passte die Zeremonie der Absetzung des Kaisers: Die Konzilsteilnehmer nahmen den Urteilsspruch des Papstes stehend und mit brennenden Kerzen in den Handen entgegen, lie?en dann die Kerzenflammen sinken und loschten sie aus.

In seiner weltberuhmten »Gottlichen Komodie«, entstanden um 1315, zwangt Dante den Kaiser ins Innerste einer eisigen Holle, wo er das Jungste Gericht und die ewige Verdammnis zu erwarten hat. Aber Friedrich II. war viel zu gro?, um auf diese Weise einsortiert werden zu konnen. Sein Format sprengte die Grenzen seiner Zeit. Mit viel taktischem Geschick hielt er die deutschen Fursten in Schach, die schon seinen Gro?vater Barbarossa in Atem gehalten hatten. Er ordnete die Machtverhaltnisse in seinem geliebten Konigreich Italien und besiegte nach einem gegluckten Tauschungsmanover in offener Feldschlacht die Truppen der »lombardischen Liga«, eines machtvollen Bundnisses der oberitalienischen Stadte. Er zog ins Heilige Land und lie? sich die Krone des Konigreichs Jerusalem aufsetzen. Er riskierte den Konflikt mit dem Papst, sicherte sein Reich gegen die Anspruche des Kirchenstaates, nahm die Exkommunikation in Kauf und forderte - nachhaltig, aber scheinbar ganz nebenbei - die modernen Wissenschaften. Er uberlebte zwei Attentatsversuche. Als er am 13. Dezember 1250 starb, war der Bann der romischen Kirche gegen ihn nicht aufgehoben.

Ein ratselhaftes Bauwerk ist mit Friedrich II. verbunden, obgleich nicht bezeugt ist, dass er jemals dort war: Castel del Monte. Dieser Ort hat bis heute sein Geheimnis nicht preisgegeben. War der achteckige Bau ein Jagdschloss oder ein Gebaude zur Aufbewahrung des Staatsschatzes? War er uberhaupt ein Zweckbau? Die Architektur erinnert an eine achteckige Krone - auch die Kaiserkrone des Reiches hat acht Ecken, ebenso die Pfalzkapelle in Aachen. Schon im Alten Testament galt die ominose »8« als Stufe der Vollendung, als Schlusspunkt der sieben Schopfungstage. Das symbolfreudige Mittelalter erhob sie ganzlich zum Zeichen der Wiedergeburt und Erlosung, der Auferstehung Christi, aber auch des Jungsten Gerichts.

In der Fulle der Interpretationen finden sich au?erdem Hinweise auf eine Verbindung zwischen dem Castel del Monte und der Kathedrale Notre-Dame in Chartres, dem Felsendom in Jerusalem und der Cheops-Pyramide. Ein ausgeklugeltes Gangsystem im Innern und ein Fallgitter im Portalbereich konnten aber - jenseits aller Zahlenmystik - auch die sehr bodenstandige Meinung bestatigen, dass das Castel eine Fluchtburg war, die dem Kaiser Schutz bieten sollte. Heute gehort das Gebaude dem italienischen Staat und ist seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe.

Friedrich II. war - in vielerlei Hinsicht - ein Wanderer zwischen den Welten: zwischen Italien und Deutschland, zwischen papstlicher und kaiserlicher Macht, zwischen Abend- und Morgenland, zwischen Mittelalter und Neuzeit. Als er den Thron bestiegen hatte, reichte das Imperium der Staufer von der Nord- und Ostsee bis nach Sizilien. Als er starb, konnten seine Sohne Konrad IV. und Manfred die Dominanz der Dynastie noch eine Weile aufrechterhalten. Aber die »Stauferdammerung« kundigte sich schon an. Als der im Dom von Messina aufgebahrte Leichnam Konrads IV., der 1254 einer fiebrigen Krankheit erlegen war, von einem Blitzschlag getroffen wurde, munkelten viele von einem Gottesurteil. Konig Manfred von Sizilien wurde bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld 1266 vom unerbittlichen Hass des Papstes Urban IV. verfolgt. Seine Frau Helena starb 1271 in Kerkerhaft, seine Sohne verschwanden in den Gewolben des Castel del Monte, das nun zu einem dunklen Verlies geworden war.

1268 verlor Konradin, der letzte Staufer, die Schlacht von Tagliacozzo gegen die deutlich uberlegenen Truppen einer papstlichen Allianz mit Karl von Anjou, dem Bruder Ludwigs IX., des franzosischen Konigs. Konradin konnte dem Gemetzel entkommen, geriet aber durch Verrat in die Hande Karls. Mit einigen Getreuen wurde der letzte legitime Vertreter der staufischen Familie, gerade 16 Jahre alt, auf der spateren Piazza del Mercato in Neapel enthauptet. Ein christliches Begrabnis wurde ihm verweigert.

Der Papst hatte sein Ziel erreicht: Die Herrschaft der Staufer in Italien war zerschlagen. Er fuhlte sich in seiner Rolle als Universalherrscher uber die ganze Christenheit bestatigt und gestarkt. Was das »Reich« anging, war er der Einzige, der einen Konig zum Kaiser kronen durfte. Er war derjenige, der die Partikularkrafte der deutschen Konige bandigen oder mobilisieren konnte. Er konnte auch dazu auffordern, Jerusalem und das Grab Jesu aus den Handen der »unglaubigen« Sarazenen (die umgekehrt alle Nichtmuslime »Unglaubige« nannten) zu befreien, also zum Kreuzzug aufrufen - und schon folgten die Herrscher in Europa. Sie verlie?en sich dabei auf den Stand der Ritter, der sich verpflichtet fuhlte, fur die »Sache Gottes« zu kampfen.

Gehen wir zuruck ins spate elfte Jahrhundert, als es den ersten Aufruf gab. Damals hatte Papst Urban II. auf der Synode von Cler-mont (1095) den abendlandischen Rittern und Fursten ein starkes Motiv und ein klares Ziel vorgegeben, als er die Christenheit zur Befreiung des Heiligen Grabes aufforderte. »Gott will es«, war die Antwort der Volksmenge vor der Kathedrale von Clermont gewesen. Jerusalem wurde erobert, war aber nicht zu halten. 1147 hatte sich dann auch der zweite romisch-deutsche Kaiser aus dem Geschlecht der Staufer, Konrad III., von dem einflussreichen Zisterzienser Bernhard von Clairvaux zu einem Kreuzzug drangen lassen. Es war schon der zweite, aber niemanden schien zu storen, dass nach biblischer Uberlieferung das Grab Jesu in Jerusalem leer war. Das Unternehmen verlief erfolglos, doch der Mantel mit dem Kreuz begleitete auch weiterhin die europaische Geschichte.

Konrad III. bestimmte - unter Zurucksetzung seines erst sechsjahrigen Sohnes - den Sohn seines Bruders zum Nachfolger. Damit sind wir im Jahr 1152 und wieder bei Friedrich I. Barbarossa. Wie spater Friedrich II. war auch Kaiser Rotbart ein gebildeter und sprachenmachtiger Herrscher. Er hatte sich gegen den Welfen Heinrich den Lowen durchgesetzt, starkte seine Hausmacht durch Stadtegrundungen und neue Munzstatten, verscharfte aber durch seine Italienzuge und die Bekampfung der nach Unabhangigkeit strebenden lombardischen Stadte den Konflikt mit dem Papst. Der sah seine Position in Italien allein schon durch die Nahe Barbarossas gefahrdet. Die Sorge war nicht unbegrundet, denn Friedrich ernannte bald einige Gegenpapste, um zu teilen und zu herrschen.

Letztlich arrangierte er sich aber mit dem Papst. Mit Alexander III. schloss er 1177 in Venedig einen

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