und geistlichen Autoritaten darauf, mit allen Mitteln gegen sie vorzugehen. Das dritte Laterankonzil (1179) ruft zum Kreuzzug gegen die Ketzer als innere Feinde auf. Das vierte Laterankonzil (1215) droht konsequenterweise den Fursten mit Exkommunikation und Entziehung ihrer Lander, wenn sie Haretiker nicht bestrafen.
Friedrich II., der Staufer, der ja nicht in allen Fragen ein aufgeklarter Herrscher war, ordnet 1224 fur Sizilien an, dass die weltliche Obrigkeit die vom Bischof uberfuhrten Ketzer festzunehmen, sie zu verbrennen oder ihnen die Zunge abzuschneiden habe. Diese Regelung findet auch Papst Gregor IX. angemessen und ubernimmt sie fur den Kirchenstaat. Wie bei den Kreuzzugen gegen die Unglaubigen erhalten die Teilnehmer der Ketzerverfolgung zwei Jahre Ablass ihrer Sundenstrafen.
1252 macht Papst Innozenz IV. in seiner Bulle »Ad exstirpanda« die Ketzerverfolgung ausdrucklich zur Aufgabe des Staates. Bezeichnend ist die Regelung, dass jeder, der einen Ketzer ausliefert, dessen Besitz vereinnahmen darf. Selbst wenn jemand der Ketzerei uberfuhrt wird, nachdem er gestorben ist, soll man seine Leiche ausgraben und verbrennen. Seine Erben durfen enteignet werden. Es ist die Idealvorstellung von einem universellen Gottesstaat, die einschlie?t, dass Kirche und Staat zum Schutz der Religion verpflichtet sind und deshalb auch die physische Vernichtung aller Feinde erlaubt und geboten ist. Erstmals wird die Folter als Instrument der Wahrheitsfindung gestattet. Abweichler werden in aggressiver Rhetorik nicht nur mit Dieben, Raubern und Mordern gleichgesetzt, sondern auch als Schadlinge und Ungeziefer hingestellt, das ausgerottet werden musse. Dadurch etablieren sich mitten in der Kirche Einschuchterung, Gesinnungsterror und Gewalt.
Als eigenstandiges kirchliches Organ zum Aufspuren und Verfolgen der Haretiker fungiert die Inquisition (lat.
Die Radikalitat dieses Denkens hangt mit der Damonenfurcht zusammen, die nicht nur in den Kopfen der ungebildeten Massen herrscht, sondern auch von den Eliten geteilt wird. Diese Damonenfurcht, verbunden mit Hollenangst, lastet uber Jahrhunderte hinweg auf dem christlichen Abendland.
Schon im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts war die Zustandigkeit der kirchlichen Inquisitionsgerichte auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt worden. Nicht nur Abweichungen von dogmatischen Lehren und kirchlichen Ritualen werden geahndet, sondern ebenso alle Praktiken, die als Zauberei verstanden werden konnen, zum Beispiel verdachtige Methoden der medizinischen Heilbehandlung. 1258 erklart Papst Alexander IV. jede Zauberei zur Haresie. Man glaubt, Zauberer hatten einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und gehorten zur verbrecherischen Vereinigung der »Synagoge des Satans«, die sich auf orgiastischen Hexensabbaten organisiert und die Menschheit bedroht. Deshalb spielt in Hexenprozessen immer wieder die Frage eine Rolle, ob der Delinquent an einem Hexensabbat teilgenommen hat oder nicht.
Das Kursbuch des Wahnsinns wird erst 1486 erscheinen und es bis ins 17. Jahrhundert hinein zu fast drei?ig Auflagen bringen: der »Hexenhammer« des Dominikanerpaters Heinrich Kramer (latinisiert
Das Buch ist ein Kompendium und eine Rechtfertigung des Hexenwahns, wie er vor allem in Deutschland auf die Angst vor den Uberresten der keltisch-germanischen Naturreligion mit ihrem Glauben an Magie und Zauberrituale zuruckgeht. Zu den Besonderheiten dieses Wahns gehort, dass den sogenannten Hexen unterstellt wird, sie beschadigten die mannliche Sexualitat. In den Hexenprozessen spielt das Weghexen der sexuellen Potenz eine immer wiederkehrende Rolle. Die Frau wird zur Hexe gemacht, die mit dem Teufel Unzucht treibt und dadurch den Damonen Zugang zum Menschen verschafft.
Uberall lodern die Scheiterhaufen. Die Hexen werden fur Unwetter, Viehsterben oder Krankheiten verantwortlich gemacht. Am Anfang des Hexenprozesses steht die Anzeige, auf die das Verhor folgt. Das Gestandnis wird in der Regel durch Folter erpresst. Zum Ritual gehort auch die »Nadelprobe«, die das Kennzeichen des Teufels am Korper der Verdachtigen aufspuren soll, einen Leberfleck beispielsweise oder ein Muttermal. Bei der »Wasserprobe« wird die angebliche Zauberin gefesselt in einen Fluss oder einen Weiher geworfen. Damit ist ihr Schicksal besiegelt: Ertrinkt sie, war sie unschuldig, bleibt sie an der Oberflache, so ist sie mit dem Teufel im Bunde und wird hingerichtet.
Es gibt jedoch - wenn auch sehr spat und nur vereinzelt - Versuche, Brutalitat und Wahnvorstellungen zu bekampfen. Der Jesuit Friedrich Spee aus Trier fasst die Argumente gegen den Hexenglauben zu einer Streitschrift zusammen:
Er wagt zunachst nicht, die Schrift unter seinem Namen zu veroffentlichen, bekennt sich aber dann doch zu seiner Verfasserschaft. Jetzt aber geschieht etwas Unerwartetes: Spee findet Beschutzer unter den Bischofen, und auch sein Orden lasst ihn trotz interner Anfeindungen in Ruhe. Als in den Wirren des Drei?igjahrigen Krieges die Pest ausbricht, widmet Spee sich sofort der Pflege der Erkrankten - und infiziert sich. Er stirbt im Alter von 44 Jahren an der Seuche. Die Uberwindung des Hexenwahns in Deutschland tragt seinen Namen. Er gibt der Vernunft und der Menschlichkeit in der Kirche ein Gesicht.
Bis alle Scheiterhaufen erloschen sind, wird aber noch viel Zeit vergehen. Die letzte uberlieferte Hinrichtung einer Hexe in Mitteleuropa findet 1793 in Sudpreu?en auf heute polnischem Gebiet statt. Aber noch 1836 wird eine vermeintliche Hexe auf der OstseeHalbinsel Hela von Fischern einer Wasserprobe unterzogen und, da sie nicht untergeht, gewaltsam ertrankt.
22. Kaufleute, Kriegsherren und Karawanen
Im Volksmund ist es noch heimisch: als Bezeichnung fur einen unbeholfenen Menschen, eine Art Synonym fur den »Elefanten im Porzellanladen«. Aber sein Bestand ist hochgradig gefahrdet, und die uns vertrauten Bilder einer Wustenkarawane zeigen meist nur seine Artgenossen. Auch die Geschichtsbucher erwahnen es - sehr zu Unrecht - nur selten, denn seine Zeit als wichtigstes Transportmittel zwischen Europa und Asien ist langst voruber. Dabei war es Jahrtausende hindurch unverzichtbar.
Die Rede ist vom zweihockrigen oder auch baktrischen Kamel, dem beruhmt-beruchtigten Trampeltier, das aus der Wuste Gobi stammt. Es ist nicht nur wesentlich hitzeresistenter als das einhock-rige Dromedar, sondern besitzt auch ein Winterfell, so dass es sich selbst den extremen Temperaturschwankungen in den asiatischen Steppen- und Bergregionen anpassen kann. Seit es Handel auf der Erde gibt, ist es im Einsatz. Auch die legendare
Naturlich tragt die Seidenstra?e ihren Namen zu Recht, obwohl er sich eigentlich auf ein ganzes Netz von Karawanenstra?en bezieht, dessen Hauptroute - uber fast 6000 Kilometer eine der unwirtlichsten Strecken der Welt - das Mittelmeer mit Ostasien verbindet. Auf ihr gelangte in der Tat schon in der Antike eines der begehrtesten Handelsguter, die chinesische Seide, in den Westen und begluckte dort Kelten und Romer. Aber auch Gold, Edelsteine und Glas wurden, in der Regel Richtung Osten, auf ihr transportiert, wahrend in der Gegenrichtung bis in die Neuzeit vor allem Pelze und Gewurze, Keramik und Jade auf den Weg gebracht wurden.
Aber nicht nur Waren, auch kulturelle Guter und sogar Religionen brauchen Stra?en, um sich zu bewegen und zu entwickeln. So konnte sich etwa der Buddhismus, den um 500 v. Chr. der indische Religionsstifter Buddha begrundet hatte, uber die Seidenstra?e in fast alle ostasiatischen Lander ausbreiten und vereint heute weltweit 370